e-fundresearch.com: Artemis ist den meisten Lesern wohl nur für seine Aktien- und Absolute Return Expertise ein Begriff, im Juni 2019 hat man sich nun aber auch dazu entschlossen, mit dem von Ihnen gemanagten Artemis Funds (Lux) – Short-Dated Global High Yield Bond in den Anleihefonds-Bereich vorzustoßen. Wie kam es dazu?
Baines: Unsere Kunden im Vereinigten Königreich und in Europa haben uns in Gesprächen signalisiert, dass sie eine Fixed-Income-Lösung mit nachhaltigem Renditepotenzial wünschen, allerdings ohne ein ständig steigendes Zinsänderungs- bzw. Durationsrisiko. Neben diesen geforderten Ertragseigenschaften sollte ein entsprechender Fonds über strenge Regeln zum Umgang mit Verlusten in Stressphasen verfügen. Als aktive Fondsmanager haben wir Handlungsspielräume, dieses Doppelziel zu verfolgen: Wir haben die Erträge im Blick und sind gleichzeitig in der Lage, so viele Verlustquellen auszuschalten wie wir es für angemessen halten. Viele andere Fixed-Income-Fonds können dies in gewissem Umfang zwar auch, doch letztendlich müssen sie sich nach ihrem Referenzindex richten. Wir hingegen wählen circa 100 Unternehmen aus, deren Renditepotenzial wir sehr genau kennen, ebenso wie ihr Verlustrisiko (für den Fall, dass wir falsch liegen). Es ist unsere Überzeugung, dass wir unseren Anlegern auf diese Weise attraktive Renditechancen bieten.
e-fundresearch.com: Mittlerweile gibt es auch im Segment der Short-Duration High-Yield-Fonds einiges an aktiver und passiver Konkurrenz: Worin bestehen Ihre Alleinstellungsmerkmale?
Ennett: Wir glauben, dass wir uns in einer ganzen Reihe von Punkten von anderen High-Yield-Fonds mit kurzer Duration abheben.
1) Wir erreichen unsere Zielduration von 2 Jahren mithilfe eines nach Laufzeiten gestaffelten Portfolios aus Unternehmensanleihen, deren vertragliche Laufzeit unter 5,5 Jahren liegt. Es werden also keine Futures eingesetzt, um die Duration des Fonds zu verändern, sondern dies geschieht ganz klassisch über die Durationsmerkmale der eigentlichen Portfoliobestandteile. Dieser transparente Ansatz schaltet das Prolongationsrisiko fast vollständig aus. Zudem reduziert er die Spreadvolatilität und das zugrundeliegende Durationsrisiko.
2) Wir sind aktive Manager im wahrsten Sinne des Wortes und konstruieren deutlich mehr konzentrierte Portfolios als andere Global-High-Yield-Fonds am Markt. Wir haben so die Möglichkeit, idiosynkratische Faktoren und Marktineffizienzen als Renditequelle zu nutzen, statt einfach nur auf das Beta-Exposure zu setzen.
3) Wir sind an keinerlei High-Yield-Index gebunden. Ein Index ist unseres Erachtens kein risikoneutraler Ausgangspunkt für ein Investment. Wenn wir von einem Unternehmen, einem Sektor, einer Branche oder einer Region nicht überzeugt sind, kaufen wir auch nicht. In unserem Fonds gibt es keine neutralen Positionen oder Untergewichtungen.
4) Unser Augenmerk liegt ganz klar auf Anleihen mit BB- oder B-Rating, die nicht notleidend sind. Wir können durchaus Papiere mit CCC-Rating kaufen und tun dies auch. Allerdings müssen diese Titel uns wirklich voll und ganz überzeugen, und sie dürfen nur einen sehr geringen Anteil unserer Strategie ausmachen. Darüber hinaus konzentrieren wir uns auf entwickelte Märkte wie Nordamerika, Westeuropa und Australien.
e-fundresearch.com: Die Strategie wurde am 20. Juni 2019 offiziell lanciert, wie zufrieden sind Sie mit dem bisherigen Live-Track-Record der Strategie, ist es zu unerwarteten Überraschungen gekommen?
Ennett: Wir sind mit der Wertentwicklung, die der Fonds seit seiner Auflegung erzielt hat, überaus zufrieden. Die Integration eines etablierten Teams mit einem etablierten Prozess sollte ja theoretisch relativ unkompliziert sein. Es war für uns dennoch eine positive Überraschung zu sehen, wie gut sich unser Team in die Artemis-Philosophie des echten aktiven Portfoliomanagements eingefügt hat. In vielen Fondshäusern verwendet man sehr viel Zeit darauf, interne Überzeugungsarbeit zu leisten und zu erklären, warum man keinem Index folgen möchte. Erfreulich anders ist das bei Artemis. Dort wird man gefragt, warum man überhaupt auf die Idee kommt, eine Index-Benchmark zu verwenden.
Was die Wertentwicklung betrifft, so waren die Gewinne oftmals Einzeltiteln zu verdanken. Sie haben dem Fonds zu einem guten Start verholfen. Doch wir investieren niemals in ein bestimmtes Unternehmen, weil wir eine günstige M&A-Entwicklung oder Ähnliches antizipieren. Unser Ansatz lautet im Wesentlichen, dass guten Unternehmen auch Gutes widerfährt. Gewinne dank Einzeltiteln sind für uns also nicht das Ziel des Prozesses sondern sein Ergebnis.
e-fundresearch.com: Gibt es Sub-Bereiche im Hochzinsanleihen-Universum, die Sie derzeit für besonders spannend erachten?
Baines: Wir haben einige attraktive Bereiche innerhalb des High-Yield-Markts entdeckt.
Die Kommunikations- und Unterhaltungsbranche ist interessant und verändert sich gerade sehr stark. Es wird sowohl Gewinner als auch Verlierer dieser Prozesse geben. Netflix, Amazon Prime und andere Streaming-Dienste haben die noch immer starke Fernsehbranche aufgerüttelt. Der Cashflow-Struktur von Netflix können wir zwar nichts abgewinnen, aber uns gefallen Unternehmen, die sowohl Scripted- als auch Unscripted-Inhalte produzieren. Ein Beispiel ist Banijay, der weltweit größte Anbieter für unabhängigen Content. Der Hunger nach neuem Content ist unersättlich, da die Markteindringlinge investieren und die etablierten Fernsehanbieter zurückschlagen. Das kommt allen Content produzierenden Unternehmen zugute, die über einen Wettbewerbsvorteil verfügen. Eine vergleichbare Entwicklung gibt es im Regionalsport in den USA. Hier sind wir aus ähnlichen Gründen aktiv.
Seit Langem favorisieren wir Unternehmen mit infrastrukturähnlichen Geschäftsmodellen und einer entsprechenden Vermögensbasis. Auch wenn sie wegen ihrer häufig unspektakulären Wachstumsaussichten für Aktienanleger uninteressant sind, weisen diese Unternehmen stabile Cashflows auf. Deshalb passen sie hervorragend zu unserem Fonds und dessen Zielen. Wir denken, dass der Markt diese Eigenschaften nicht zu schätzen weiß. Dies zeigte sich in den letzten Monaten bei zwei unserer Portfoliounternehmen, die entweder von Infrastrukturinvestoren gekauft worden (Cincinnati Bell) oder Vermögenswerte an solche Investoren verkauft haben (Ithica Energy). Die hierfür gezahlten Preise lagen deutlich über den Bewertungen, die am High-Yield-Markt zugrunde gelegt wurden. Der Fonds hat hiervon profitiert. Unseres Erachtens dürfte diese Entwicklung noch anhalten.
e-fundresearch.com: …und die Kehrseite der Medaille? Um welche Bereiche des Universums machen Sie derzeit bevorzugt einen Bogen? Wo lauern die größten "Value-Traps"?
Baines: Wir denken, dass es durch das Zusammenspiel von technologischem Wandel und veränderten Konsumgewohnheiten in einigen Branchen zu strukturellen Veränderungen kommt, die sich negativ auf die betreffenden Bereiche des High-Yield-Markts auswirken. Zu nennen sind hier Einzelhändler ohne Online-Geschäft und bestimmte Telekommunikationsanbieter. Sie sind besonders anfällig. Demgegenüber wirken sich die genannten Veränderungen auf andere Unternehmen derselben Branche besonders positiv aus. Für uns zeigt dies einmal mehr, wie wichtig es ist, jederzeit einen Bottom-up-Ansatz zu verfolgen.
Da wir in unserem integrierten Ansatz auch ESG-Kriterien berücksichtigen, lassen wir in einigen Bereichen des Rohstoffsektors – etwa bei Kohle- und anderen Bergbauunternehmen – höchste Vorsicht walten. Der High-Yield-Markt umfasst viele rohstofffördernde Unternehmen. Wir schließen diese zwar nicht pauschal aus, doch mit Blick auf die Problematik der „stranded assets“ müssen wir in diesem Bereich die bestehenden Risiken für jedes einzelne Wertpapier gründlich analysieren.
Als Investmentteam versuchen wir, Unternehmen zu meiden, deren Geschäftsmodell auf unfairen Targeting-Methoden basiert oder darauf beruht, Informationsasymmetrien auszunutzen. In diese Kategorie fallen beispielsweise Nichtbanken, die Kredite an Privatpersonen vergeben, einige Gaming-Unternehmen sowie Firmen, die Kundenbindung nur durch das Aufrechterhalten von Informationsdefiziten erreichen. Es geht uns hier keineswegs um eine moralische Bewertung dieser Unternehmen. Vielmehr sind wir von dem Gedanken geleitet, dass die Nachhaltigkeit eines Geschäftsmodells sich daraus ergibt, dass die Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden für beide Seiten von Vorteil ist, während ausbeutende Geschäftsmodelle in sich instabil sind. Neben den Geschäftsrisiken bergen diese Unternehmen auch ein erhöhtes Risiko der regulatorischen Überwachung, was den künftigen Cashflow beeinträchtigen kann.
e-fundresearch.com: Wie optimistisch blicken Sie derzeit auf die zukünftige Entwicklung des High-Yield-Segments? Welche Entwicklungen behalten Sie derzeit besonders genau im Auge?
Ennett: Eine gute Frage!
Was die Zukunft der Anlageklasse angeht, so bin ich sehr optimistisch. Bei Global High Yield sprechen wir meines Erachtens von einer Anlageklasse, deren Größe stabil ist bzw. leicht abnimmt, und deren Bonität sich verbessert. Ernsthaft Sorgen machen müsste ich mir, wenn es in diesem Bereich zu einer übermäßig hohen Fremdkapitalaufnahme oder zu Emissionen riskanter CCC-Anleihen bzw. Payment-in-kind-Anleihen käme. Dies ist jedoch nicht der Fall. Das Gegenteil trifft zu. Darüber hinaus ist die Vielfalt der Branchen und möglichen Risikoengagements innerhalb dieser Assetklasse wesentlich höher als in den vergangenen Jahren.
Doch reden wir nicht um den heißen Brei: Noch immer scheuen Anleger High-Yield-Anleihen so wie der Teufel das Weihwasser. Dies kann man einerseits als Herausforderung begreifen, die Anlegergemeinde umzustimmen, und andererseits als Chance für die Assetklasse. Ich habe eher Angst vor planlosen Anlegern und anderen gar zu offensichtlichen Strategien. Doch das ist High-Yield-Investing mit Sicherheit nicht.
Ich denke, dass Anleger in Europa im Verlauf des nächsten Zyklus High-Yield-Anleihen als Evergreen und festen Bestandteil ihrer Portfolios zu schätzen lernen werden. Fondsmanager wie wir, die diese Anlageklasse aktiv managen, haben sehr viel Spielraum, um das Risikoprofil so zu optimieren und anzupassen, dass es zu jedem Szenario künftiger Bedingungen passt. Aus dieser Perspektive betrachten wir den Markt und auch unsere Fonds.
Zurzeit wird viel diskutiert. Einige Kommentare sind gut, die meisten jedoch nicht. Bei High-Yield-Anleihen sollte man meines Erachtens das Ausfallrisiko im Blick haben und den Spread, d. h. die Entschädigung, die Anleger für die Übernahme des Risikos erhalten. Aktuell werden Anleger für die Risikoübernahme deutlich höher entlohnt als angemessen wäre. Renditen bzw. Zinseszinsen von Cashflow generierenden Unternehmen zu vereinnahmen, ist eine unspektakuläre und fast schon altmodische Art, Anlageerträge zu erzielen, doch sie funktioniert. Glücklicherweise hängt der Erfolg von High-Yield-Strategien nicht davon ab, ob sie gerade in Mode sind. Wir sind der Ansicht, dass sie nach wie vor attraktive Ertragschancen bieten, ohne dass ein übermäßig hohes Zinsrisiko eingegangen werden muss.
e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch!