e-fundresearch.com: Frau Wallut, liquide Assetklassen wurden im März massiv vom Corona-"Sell-Off" getroffen, konnten sich seither aber wieder durchwegs stark erholen. Nun stellt sich die Frage, ob illiquidere Märkte - wie eben auch der Immobilienmarkt - erst mit Verzögerung (beispielsweise durch Folgeeffekte) beeinträchtigt werden oder doch einfach ohne größere Probleme durch die COVID-19 Krise gekommen sind? Wie schätzen Sie die Situation ein?
Virginie Wallut: Die Immobilienmärkte entkoppeln sich. Einerseits haben wir im hochwertigen Bürosegment, bei Logistik- und Wohnimmobilien keine Liquiditätsprobleme erlebt. Im Gegenteil, seit Ende des Lockdowns und nach der ersten Ausschreibungswelle zu urteilen, ist die Transaktionsaktivität stabil. Sie spiegelt die positive Anlegerstimmung und den Appetit auf diese Ertrag generierende Anlageklasse wider. Noch länger andauernde niedrige Zinssätze sollten eine starke Erholung der Investitionstätigkeit unterstützen und die Liquidität dieser Segmente gewährleisten
Auf der anderen Seite kann mit Blick auf den Einzelhandel, Hotels und sekundäre Büro-Assets die Liquidität aufgrund von Unsicherheiten bezüglich zukünftiger Cashflows eine Herausforderung darstellen. Wir sind jedoch der Meinung, dass ein weniger intensiver Wettbewerb um diese Vermögenswerte Raum für opportunistische Gelegenheiten schaffen könnte.
e-fundresearch.com: Wie schätzen Sie die Lage des Büroimmobilienmarktes ein? Sind Auswirkungen der zunehmenden Home-Office-Verordnungen bereits spürbar?
Virginie Wallut: Vor dem Lockdown litten die zentralen Standorte unter Angebotsengpässen, wie die Leerstandsraten von weniger als 3% in zentralen Geschäftsbezirken wie Paris, Lyon, Berlin, London und Hamburg belegen. Während des anschließenden Lockdowns befanden sich diese Märkte angesichts ihrer Fundamentaldaten in einer guten Position, um den vorübergehenden Nachfragerückgang aufzufangen.
Die Gesundheitskrise beschleunigte lediglich die Trends am Arbeitsplatz, die in den letzten Jahren tatsächlich entstanden waren. Wir glauben jedoch nicht an die Vorteile des Homeoffice auf langfristiger Basis. Einige Unternehmen sehen im Homeoffice eine Möglichkeit zur Kostensenkung. Wir glauben jedoch, dass etwaige Einsparungen durch einen Produktivitätsrückgang und die Auswirkungen möglicher neuer Gesetze, die die Entlohnung von Homeoffice Arbeitsplätzen verändern könnten, zunichte gemacht werden könnten.
Wir glauben, dass die Unternehmen flexible Arbeitsrichtlinien definieren müssen, die die physische Präsenz im Unternehmen und die Arbeit im Homeoffice miteinander verbinden. In diesem Fall würden die Büros:
- Orte der Hyperkommunikation mit weitläufigen und vielfältigen Räumen für Zusammenarbeit sein; die Büroräume wären modular und flexibel;
- zentral gelegen und von den neuen Wohnräumen der Mitarbeiter aus leicht erreichbar sein, und
- wenn hyperverbunden, allen Mitarbeitern (die physisch anwesend sind oder aus dem Homeoffice arbeiten) gleichen Zugang zu Informationen gewähren.
Bei La Francaise haben wir eine Reihe von Lösungen entwickelt, die es Unternehmen ermöglichen, an Flexibilität zu gewinnen, d. h. Raumlösungen, durch die man in der Lage ist, eine unterschiedliche Anzahl von Mitarbeitern zu berücksichtigen.
e-fundresearch.com: Gibt es regionale Positiv- oder Negativ-Trends, die durch COVID-19 und die verbundenen Lock-Downs entstanden sind oder sich deutlich beschleunigt haben?
Virginie Wallut: Die finanzielle Überlebensfähigkeit von Mietern sollte zum Hauptindikator der Risikobewertung im gewerblichen Immobilienleasing werden.
Der Corona-Lockdown hat viele Unsicherheiten im Hinblick auf die künftigen Mietströme von Einzelhandels- und Hotelanlagen hervorgerufen. Sie erschweren deren Preisgestaltung und erfordern spezielles Fachwissen. Im Bürosegment wird erwartet, dass einige Märkte aufgrund ihrer diversifizierten Volkswirtschaften besser abschneiden werden als andere. Beispielsweise scheint die Region Grand Paris aufgrund ihrer vielfältigen Nutzerstruktur besser positioniert zu sein als andere Märkte, die von der Automobil- oder Luftfahrtindustrie abhängig sind.
e-fundresearch.com: In liquiden Assetklassen spielt ESG eine immer größere Rolle, wie sieht das am Immobilienmarkt aus?
Virginie Wallut: ESG ist allgegenwärtig, und Initiativen zur Angleichung der Methodik und zur transparenteren Gestaltung der unterschiedlichen Ansätze nehmen in Europa zu. In Frankreich und für La Française scheint das SRI-Label eine besonders interessante Option zu sein, denn unsere Anlagephilosophie besteht nicht darin, Assets mit dem niedrigsten ESG-Score auszuschließen, sondern vielmehr, diese Assets im Transitionsprozess zu unterstützen und letztlich ihre Nachhaltigkeitsbilanz zu verbessern.
Immobilien sind für ESG eine besonders interessante Anlageklasse, da der Eigentümer im Gegensatz zu liquiden Anlageklassen den zugrunde liegenden Immobilienwert tatsächlich kontrolliert und daher die größte Wirkung erzielen kann.
e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Wallut!