e-fundresearch.com: Joe Biden wird am 20. Januar 2021 als 46. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt: Was bedeutet Bidens Wahlsieg für die heterogene Gruppe der Schwellenländer und insbesondere für das Emerging Markets Anlageuniversum?
Peter Marber: Es wird davon abhängen, ob die Demokraten mit der sogenannten “Blauen Welle” die Oberhand im Senat gewinnen können. Dies wird durch die Stichwahlen in dem Bundesstaat Georgia entschieden. Wenn die Demokraten erfolgreich sind, können wir erwarten, dass sich das globale Wachstum wieder beschleunigt - mit großen fiskalischen Anreizen in den USA zur Bekämpfung von COVID-19, sowie der Möglichkeit einer Version des „Green New Deal“. Dies könnte sowohl zu einer steileren US-Renditekurve führen, als auch den weltweiten Handel und die Nachfrage nach Rohstoffen ankurbeln. Das wäre meiner Meinung nach für Risikoaktiva aus Schwellenländern wie Devisen, Kredite und Aktien von Vorteil. Wenn die Republikaner Ihre Stellung im Senat halten können, denke ich, dass die Märkte von Washington mehr Stillstand erwarten. Dies könnte langfristig zu einem langsameren Wachstum und niedrigeren Zinssätzen führen. Wir denken, dass sich die Renditedifferenzen in diesem Umfeld weiter komprimieren, aber es auch zu zusätzlichen Umschuldungen für schwächere EM-Staatsanleihen kommen kann. Die Länderauswahl wäre in diesem letzteren Szenario von entscheidender Bedeutung.
e-fundresearch.com: 2020 war in vielerlei Hinsicht ein außergewöhnliches Jahr: Was hat Ihnen dieses Jahr persönlich gelehrt?
Eine Lektion die wir von COVID gelernt haben, ist das Daten nicht immer leicht zu verdauen und zu verstehen sind.
Peter Marber: An erster Stelle, dass die Märkte nicht perfekt sind. Eine Lektion die wir von COVID gelernt haben, ist das Daten nicht immer leicht zu verdauen und zu verstehen sind. Die Verwendung früherer Analoga ist eine klassische Analysemethode an der Wall Street, jedoch kann dies nur bis zu einem gewissen Grad hilfreich sein, da Analoga nicht immer die Zukunft vorhersagen. Nur wenige Menschen haben die Epidemiologie hinter der Verbreitung des Coronavirus im Februar und März verstanden, was erst zu einem extremen Rückgang, und dann zu einer starken Erholung der Finanzmärkte führte. Wir haben auch die große Anpassungsfähigkeit der Welt beobachten können. Zum Beispiel wie der E-Commerce schnell die entstandene Lücke füllen konnte und wie Menschen während der Pandemie Gewohnheiten veränderten - sowohl im privaten als auch im beruflichen. Ich glaube, dass all dies etwas über die Widerstandsfähigkeit unserer Spezies aussagt.
e-fundresearch.com: Die aktive Fondsindustrie behauptet tendenziell, dass sie gerade in Zeiten von Marktrückgängen und außergewöhnlicher Volatilität den größten Mehrwert liefern kann: Wie hat sich Ihre Strategie in diesem herausfordernden Jahr bislang bewährt und welche bestimmten Anlagethemen haben diese Jahr den stärksten Performancebeitrag erbracht?
Peter Marber: Wir sind das ganze Jahr über hinweg sehr fokussiert und ich bin der Ansicht, dass unser Team gute Leistungen erbracht hat - nicht nur mit einer positiven absoluten Performance, sondern auch mit dem Übertreffen unsere Benchmark. Obwohl die COVID-Situation natürlich einzigartig ist, folgten wir einem Krisen-Playbook, das ich bereits zuvor in meiner Karriere verwendet habe - frühzeitig absichern, qualitativ hochwertige Vermögenswerte hinzufügen, welche während der Krise verworfen wurden, niedrigere Zinssätze weltweit antizipieren und nach neuen, erfolgversprechenden Trends suchen. Das haben wir getan: Wir haben im März ein breites Kreditrisiko abgesichert, später solide Investment-Grade-Kredite im Nahen Osten hinzugefügt, und dann einige Durationsgeschäfte in Lateinamerika und Osteuropa abgeschlossen. Gleichzeitig haben wir das Engagement in Emerging Markets E-Commerce-Unternehmen erhöht, von welchen wir glaubten, dass sie während der Pandemie auf Kosten traditioneller Einzelhandelsgeschäfte und Restaurants gedeihen würden. Zudem nutzten wir eine breite Marktabsicherungen, um das Beta und die Volatilität zu reduzieren. Durch diese Positionierung des Portfolios konnten wir Verluste im Vergleich zu anderen Schwellenländer-Strategien besser abwenden und somit im Sommer Risiken hinzuzufügen und in den steigenden Märkten partizipieren. Unsere Risikopositionen erreichten im August ihren Höhepunkt und seit dem Herbst haben wir das Risiko reduziert.
e-fundresearch.com: Fondselektoren verlangen von ihren Fondsmanagern zunehmend, dass sie ESG-Daten in ihre Anlageanalyse integrieren: Inwieweit berücksichtigt Ihre Strategie ESG-Überlegungen?
Peter Marber: Ich richte mein Augenmerk bereits seit Jahren auf ESG-Faktoren und tue dies auch weiterhin bei Aperture. Etwa 20% des EM-Investitionsmodells auf Länderebene basiert auf ESG-Faktoren. ESG ist für Investitionen in Schwellenländer von entscheidender Bedeutung, und wir glauben, dass es in den nächsten zehn Jahren zum Industriestandard werden wird.
e-fundresearch.com: Wie optimistisch blicken Sie in die Zukunft und welche Hindernisse und Herausforderungen werden Emerging Markets Investoren kurz- bis mittelfristig Ihrer Meinung nach bewältigen müssen?
Wenn die Geschichte ein Leitfaden ist, wurde Optimismus in Schwellenländern weitgehend belohnt.
Peter Marber: Wenn die Geschichte ein Leitfaden ist, wurde Optimismus in Schwellenländern weitgehend belohnt. Aber es ist natürlich keine Einbahnstraße. Investoren müssen sich darüber im Klaren sein, dass das EM-Universum aus mehr als 100 Länder mit unterschiedlichen Formen, Größen und Qualitäten besteht.
Das Universum ist nicht homogen. Es umfasst einige der dynamischsten Volkswirtschaften der Welt und einige der am stärksten herausgeforderten. Infolgedessen müssen Anleger ihre Hausaufgaben vor der Allokation machen. Sie müssen genau feststellen, welche Risiken sie eingehen möchten, und ehrlich verstehen, welche Belohnungen möglich sind. Wir glauben, dass unsere Strategie dazu beiträgt, das Rätselraten bei Investitionen in Schwellenländer zu erleichtern: Wir beginnen mit einer unserer Meinung nach attraktiven Benchmark und versuchen dann, kreative Wege zu finden, um diese zu übertreffen und gleichzeitig das Kapital unserer Kunden zu erhalten. Für mich geht es bei aktivem Management darum. Ich habe vor langer Zeit gelernt, dass es als besserer Investor in Schwellenländern darum geht, zu glauben, dass sich die Welt auf unvorhergesehene Weise neu konfigurieren kann - und umsetzbare Strategien zu entwickeln, um diese Veränderungen zu erfassen.
e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Marber!