Dr. Kai Lehmann: Wie Sie bereits richtig herausgestellt haben, ist das Wachstum passiver Anlageinstrumente im Bereich Fixed Income beachtlich. In den letzten beiden Jahren waren die Zuflüsse in Renten-ETFs auf globaler Ebene vergleichbar mit denen von Aktien-ETFs, wenn auch die investierten Gelder Ende 2020 insgesamt nur gut ein Viertel der von Aktien-ETFs ausmachten. Renten-ETFs haben ihre Bedeutung über die letzten Jahre also deutlich steigern können. Gleichzeitig sind die empirischen Erkenntnisse hinsichtlich der Performance passiver Renteninvestments gegenüber aktiven Lösungen derzeit noch sehr dünn, ganz anders als im Aktienbereich. Bei Aktieninvestments beschäftigen sich Wissenschaft und Praxis gleichermaßen schon seit Jahrzehnten mit der Frage, ob sich aktives Investieren überhaupt lohnt oder ob es nicht sinnvoller ist, schlicht „dem Markt“ zu folgen.
Prof. Dr. Agnieszka Gehringer: Das wichtigste Ergebnis vorweg: Aktives Portfoliomanagement kann sich im Rentenbereich definitiv lohnen, gleichwohl ist dies kein Automatismus. Wir haben uns im Rahmen unserer Studie aktiv gemanagte und völlig flexible Rentenfonds angeschaut, d.h. solche, die keine Rücksicht auf Bonitäten, Währungsallokationen, spezifische Länder, Sektoren oder andere Merkmale nehmen müssen. Es zeigt sich: Im Durchschnitt lagen die Rentenfondsmanager und der passive Ansatz über die letzte Dekade in etwa gleichauf. Das mag den ein oder anderen Leser überraschen, denn die Kostenstruktur bei aktiven Fonds ist im Anleihebereich vergleichbar mit der im Aktienbereich. Gleichzeitig erscheint das Renditepotenzial aber nicht ganz so hoch – die Null- und Negativzinsen lassen grüßen. Der Markt lässt sich nur schlagen, wenn man tatsächlich aktiv ist. Buy-and-Hold funktioniert hier nicht.
Dr. Kai Lehmann: Die Erfolgsquote aktiver Manager ist im Aktienbereich viel niedriger, insbesondere auf lange Sicht. Dass sie bei Anleihen höher ist, könnte darauf zurückzuführen sein, dass der Anleihemarkt aufgrund ineffizienter Preise mehr Opportunitäten für den aktiven Portfoliomanager bereithält. Die Tatsache, dass viele große Akteure auf dem Rentenmarkt – wie z.B. Notenbanken – ihre Investments nicht allein nach dem Kriterium Risk/Reward eingehen, kann zu Preisen führen, die Chancen und Risiken einer Anlage nicht mehr treffend wiedergeben. Zudem ist die Bepreisung aufgrund der Komplexität so mancher Anleihe sehr herausfordernd, bspw. wenn es um eingebettete Put- oder Call-Optionen geht. Je ineffizienter der Preis die Chancen und Risiken eines Investments adäquat reflektiert, desto mehr Opportunitäten ergeben sich für den aktiven Manager. Zudem ändern sich Rentenindizes in ihrer Zusammensetzung viel häufiger als Aktienindizes, wobei Neuemissionen erst mit Verzögerung in Indizes und damit in passive Produkte aufgenommen werden. Der aktive Manager kann Anleihen im Gegensatz dazu vom ersten Tag an in sein Portfolio aufnehmen. Grundsätzlich gilt es in Bezug auf die Zusammensetzung von Rentenindizes zudem hervorzuheben, dass hochverschuldete Unternehmen ein hohes Gewicht in den Indizes haben. Das möchte man als Anleger nicht unbedingt.
Prof. Dr. Agnieszka Gehringer: Das lässt sich so pauschal leider nicht bestätigen. Dennoch gibt es einige Fonds, die gerade in dieser Stressphase im März 2020 überzeugen konnten. Insgesamt war das Jahr 2020 aber im Durchschnitt kein Ruhmesblatt für die aktiven Manager. Drei von vier Fonds sind hier hinter dem Markt zurückgeblieben.
Dr. Kai Lehmann: Grundsätzlich erscheint uns die Flexibilität eines Ansatzes als entscheidende Voraussetzung. Wenn man sich im Vorfeld in ein enges Korsett schnürt, indem man das Investitionsuniversum aufgrund von Anlagerestriktionen einengt, kann dies auf lange Sicht keine überlegenen Ergebnisse hervorbringen. Letztlich sollte es aber für den Anleger nicht entscheidend sein, ob der Manager in dem ein oder anderen Jahr mal den Vergleichsindex schlagen konnte oder hinter ihm zurückblieb. Entscheidend ist, dass die Wertentwicklung auf lange Sicht überzeugen kann. Um herauszufinden, ob das aktive Management auf einer konsistenten Anlagestrategie beruht, lässt sich die vergangene Performance als einzig wirklich belastbarer Indikator heranziehen.
Prof. Dr. Agnieszka Gehringer, Senior Research Analyst, Flossbach von Storch Research Institute Dr. Kai Lehmann, Senior Research Analyst, Flossbach von Storch Research Institute
Seit 2015 am Institut; VWL-Studium (Università di Roma „La Sapienza“), Promotion in Economics of Complexity (Università di Torino); Seit November 2019 Professorin für das Fach „Volkswirtschaftslehre“ an der Technischen Hochschule Köln und seit Juli 2016 Privatdozentin an der Georg-August-Universität Göttingen.
Seit 2014 am Institut; Diplom-Ökonom, Studium und Promotion an der Ruhr-Universität Bochum; Forschungsinteressen umfassen Unternehmens- und Aktienmarktanalysen, insbesondere zu bilanzpolitischen Fragestellungen sowie Pensionslasten; Dozent an der Technischen Hochschule Köln.