Harald Staudinger: Japanische Aktien sind stark im ersten Quartal gestartet. Wesentliche Gründe dafür waren, dass die japanischen Unternehmensgewinne zu zwei Dritteln im Ausland generiert werden. Das Wirtschaftswachstum der beiden wichtigsten Handelspartner der Japaner, China und USA, ist dieses Jahr mit +8,4% bzw. +6,4% (Schätzung des Internationalen Währungsfonds für 2021) sehr stark. Dies hat das Interesse ausländischer Investoren an Japan geweckt.
Auch wenn die Infektions- und Todesraten bei der Covid19-Pandemie im Japan bei nur einem Bruchteil der europäischen Werte liegen, hatte die japanische Regierung im zweiten Quartal umfangreiche Lock down-Maßnahmen verhängt, um die bevorstehende Austragung der Olympischen Sommerspiele in Tokio nicht zu gefährden. Diese Maßnahmen, haben den Aktienmarkt zuletzt etwas belastet. Der japanische Nikkei Index stieg im ersten Halbjahr in Summe um 5,7%. Wir konnten mit dem ASPOMA Japan Opportunities Fund einen Wertzuwachs von 7,7% erzielen.
Harald Staudinger: Wir sprechen von „Hidden-Values“, weil Japanische Unternehmen Weltmeister sind erstens im Sammeln und Vermehren von liquidem Finanzvermögen und zweitens im Verstecken dieser Vermögenswerte in ihren Bilanzen vor dem Zugriff der Aktionäre. Der Börsenwert vieler japanischer Unternehmen ist häufig so niedrig, dass bereits die vorhandenen flüssigen Mittel zusammen mit dem Wert des Beteiligungsportfolios über dem Börsenwert liegen. Das eigentliche operative Geschäft wird damit praktisch überhaupt nicht bewertet.
Der Vergleich mit der Strategie von Buyout-Fonds kommt daher, dass auch wir, ähnlich wie diese Fonds, darauf spezialisiert sind, stark unterbewertete Unternehmen zu finden, die über Bilanzen mit viel überschüssigem Kapital verfügen. Die Strategie zielt darauf ab, von steigendenden Aktienrückkäufen und Dividenden, die in Folge zu einer höheren Kapitaleffizienz und höheren Bewertungen führen, zu profitieren.
Ein gutes Beispiel ist Nittetsu Mining, ein Unternehmen aus dem Rohstoffsektor, das u.a. Kupfererz abbaut und zu Kupferbarren verhüttet. Während der Börsenwert aktuell etwa 50 Mrd. Yen (ca. 390 Mio. Euro) beträgt, liegen allein schon das liquide Finanzvermögen mit 29 Mrd. Yen und das Immobilienportfolio mit 34 Mrd. Yen in Summe um 25% über dem Börsenwert. Der Wert des operativen Geschäfts, den wir auf rund 70 Mrd. Yen schätzen, ist dabei noch gar nicht berücksichtigt.
Genau solche Unternehmen werden in Japan regelmäßig von Private Equity Häusern, die Japan derzeit als den attraktivsten Markt weltweit bezeichnen, aufgekauft. Die Attraktivität dieser „Hidden Value“ Unternehmen ist offensichtlich: Die Werte sind im Kaufzeitpunkt bereits da, sie müssen nicht erst in Zukunft erwirtschaftet werden. Hohe Renditen für Private Equity Häuser sind damit praktisch sicher.
Harald Staudinger: Japans Wirtschaft leidet seit über 20 Jahren an deflationären Tendenzen. Inflationsdruck ist daher „Good News“ für Japans Volkswirtschaft. Aus Investorensicht ist allerdings folgendes relevanter: Der heutige Marktwert vieler japanischer Unternehmen ist nicht von unsicheren und weit in der Zukunft liegenden Gewinnen abhängig. Eine steigende Inflationserwartung und höhere Zinsen können den heutigen Wert zukünftiger Gewinne tatsächlich massiv beeinträchtigen. Das Beispiel von Nittetsu Mining zeigt vielmehr, dass schon jetzt das in der Bilanz vorhandene liquide Nettovermögen den Börsenwert um 25% übersteigt. Anders als bei vielen ambitioniert bewerteten Unternehmen, sogenannten „long duration“-Aktien in USA und Europa, spielt eine Erhöhung des Abzinsungsfaktors für künftige Cash Flows bei diesen Unternehmen damit kaum eine Rolle.
Harald Staudinger: Aus Investorensicht ist beim ESG-Thema vor allem das „G“, also das Thema der Corporate Governance interessant. Ein wichtiger Grund für die hohen Bewertungsabschläge von japanischen Aktien im Vergleich zu amerikanischen liegt darin, dass in Japan die Shareholder Value-Orientierung der Unternehmen lange Zeit gering war.
Genau das ändert sich nun aber: Seit der Einführung des Corporate Governance Codes im Jahr 2015 und des Stewardship Codes im Jahr 2014 kommt es zu deutlichen Verbesserungen. Dies zeigt sich in steigenden Dividendenausschüttungen, stark steigenden Aktienrückkäufen, und auch in einer deutlich höheren und weiter steigenden Anzahl an unabhängigen Aufsichtsräten, die die Minderheitsaktionärsinteressen besser vertreten.
Wir beobachten diese Entwicklungen auf Einzeltitelebene sehr genau, da diese häufig der Auslöser für massive Neubewertungen sind.
Harald Staudinger: Die Olympischen Spiele beginnen am 23. Juli – ohne Zuschauer in den Stadien – und werden hoffentlich aus sportlicher Sicht ein großer Erfolg werden. Aus wirtschaftlicher Sicht sind sie nicht nur für die Sponsoren ein Desaster, sondern aufgrund der im Vorfeld aus Sicherheitsgründen verhängten Lock downs sowohl für die Wirtschaft wie auch für die Börse eine große Belastung.
Daher ist das Ende der Spiele, nämlich der 8. August, das für Investoren viel interessantere Datum. Es ist nämlich davon auszugehen, dass es in der Folge zu breiten Öffnungsschritten kommen wird, wovon die Wirtschaft und die Stimmung am japanischen Aktienmarkt profitieren werden. Japanische Aktien haben im internationalen Vergleich in diesem Jahr einiges Aufholpotenzial. Da spätestens im September Unterhauswahlen in Japan ausgetragen werden müssen, rechnen wir mit der Ankündigung eines massiven Fiskalpaktes zu Ankurbelung der Wirtschaft und positiven Impulsen für die Aktienbewertungen in Japan.