Olympische Spiele, Inflationsdruck & "Hidden Values": Wie steht es um japanische Aktien?

Warum japanische Unternehmen wahre Weltmeister im Sammeln und Vermehren von liquidem Finanzvermögen sind, wieso der im Westen gefürchtete Inflationsdruck für Japan durchaus als "Good News“ zu werten ist und weshalb das Ende der Olympischen Spiele aus Sicht der Märkte relevanter sein dürfte, als die Spiele selbst, diskutierte e-fundresearch.com Exklusiv-Interview mit Dr. Harald Staudinger, Fondsmanager der Aspoma Japan Opportunities Strategie. Managers | 19.07.2021 13:00 Uhr
Dr. Harald Staudinger, CFA, Chief Investment Officer, Co-Gründer und Geschäftsführer, ASPOMA Asset Management / © e-fundresearch.com / ASPOMA Asset Management
Dr. Harald Staudinger, CFA, Chief Investment Officer, Co-Gründer und Geschäftsführer, ASPOMA Asset Management / © e-fundresearch.com / ASPOMA Asset Management
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e-fundresearch.com: Herr Staudinger, die erste Hälfte von 2021 ist Geschichte – wie hat sich der breite japanische Aktienmarkt auf der einen Seite sowie die von Ihnen gemanagte Aspoma Japan Opportunities Strategie auf der anderen Seite im laufenden Jahr bislang schlagen können? Welche Themen haben den japanischen Markt bewegt?

Harald Staudinger: Japanische Aktien sind stark im ersten Quartal gestartet. Wesentliche Gründe dafür waren, dass die japanischen Unternehmensgewinne zu zwei Dritteln im Ausland generiert werden. Das Wirtschaftswachstum der beiden wichtigsten Handelspartner der Japaner, China und USA, ist dieses Jahr mit +8,4% bzw. +6,4% (Schätzung des Internationalen Währungsfonds für 2021) sehr stark. Dies hat das Interesse ausländischer Investoren an Japan geweckt.

Auch wenn die Infektions- und Todesraten bei der Covid19-Pandemie im Japan bei nur einem Bruchteil der europäischen Werte liegen, hatte die japanische Regierung im zweiten Quartal umfangreiche Lock down-Maßnahmen verhängt, um die bevorstehende Austragung der Olympischen Sommerspiele in Tokio nicht zu gefährden. Diese Maßnahmen, haben den Aktienmarkt zuletzt etwas belastet. Der japanische Nikkei Index stieg im ersten Halbjahr in Summe um 5,7%. Wir konnten mit dem ASPOMA Japan Opportunities Fund einen Wertzuwachs von 7,7% erzielen.

e-fundresearch.com: Laut Fact-Sheet verfolgen Sie eine "Hidden Values"-Strategie mit Private Equity Buyout-ähnlicher Philosophie‘‘: Können Sie uns anhand eines konkreten Beispiels bitte erläutern, was man sich darunter vorstellen darf?

Harald Staudinger: Wir sprechen von „Hidden-Values“, weil Japanische Unternehmen Weltmeister sind erstens im Sammeln und Vermehren von liquidem Finanzvermögen und zweitens im Verstecken dieser Vermögenswerte in ihren Bilanzen vor dem Zugriff der Aktionäre. Der Börsenwert vieler japanischer Unternehmen ist häufig so niedrig, dass bereits die vorhandenen flüssigen Mittel zusammen mit dem Wert des  Beteiligungsportfolios über dem Börsenwert liegen. Das eigentliche operative Geschäft wird damit praktisch überhaupt nicht bewertet.

Der Vergleich mit der Strategie von Buyout-Fonds kommt daher, dass auch wir, ähnlich wie diese Fonds, darauf spezialisiert sind, stark unterbewertete Unternehmen zu finden, die über Bilanzen mit viel überschüssigem Kapital verfügen. Die Strategie zielt darauf ab, von steigendenden Aktienrückkäufen und Dividenden, die in Folge zu einer höheren Kapitaleffizienz und höheren Bewertungen führen, zu profitieren.

Ein gutes Beispiel ist Nittetsu Mining, ein Unternehmen aus dem Rohstoffsektor, das u.a. Kupfererz abbaut und zu Kupferbarren verhüttet. Während der Börsenwert aktuell etwa 50 Mrd. Yen (ca. 390 Mio. Euro) beträgt,  liegen allein schon das liquide Finanzvermögen mit 29 Mrd. Yen und das Immobilienportfolio mit 34 Mrd. Yen in Summe um 25% über dem Börsenwert. Der Wert des operativen Geschäfts, den wir auf rund 70 Mrd. Yen schätzen, ist dabei noch gar nicht berücksichtigt.

Genau solche Unternehmen werden in Japan regelmäßig von Private Equity Häusern, die Japan derzeit als den attraktivsten Markt weltweit bezeichnen, aufgekauft. Die Attraktivität dieser „Hidden Value“ Unternehmen ist offensichtlich: Die Werte sind im Kaufzeitpunkt bereits da, sie müssen nicht erst in Zukunft erwirtschaftet werden. Hohe Renditen für Private Equity Häuser sind damit praktisch sicher. 

e-fundresearch.com: Bedingt durch den Fokus auf „Hidden Values“ machen Sie die aktuell am Markt vorherrschenden Inflations- und Zinssteigerungsängste rein gar nicht nervös, warum ist dem so?

Harald Staudinger: Japans Wirtschaft leidet seit über 20 Jahren an deflationären Tendenzen. Inflationsdruck ist daher „Good News“ für Japans Volkswirtschaft. Aus Investorensicht ist allerdings folgendes relevanter: Der heutige Marktwert vieler japanischer Unternehmen ist nicht von unsicheren und weit in der Zukunft liegenden Gewinnen abhängig. Eine steigende Inflationserwartung und höhere Zinsen können den heutigen Wert zukünftiger Gewinne tatsächlich massiv beeinträchtigen. Das Beispiel von Nittetsu Mining zeigt vielmehr, dass schon jetzt das in der Bilanz vorhandene liquide Nettovermögen den Börsenwert um 25% übersteigt.  Anders als bei vielen ambitioniert bewerteten Unternehmen, sogenannten „long duration“-Aktien in USA und Europa, spielt eine Erhöhung des Abzinsungsfaktors für künftige Cash Flows bei diesen Unternehmen damit kaum eine Rolle.

e-fundresearch.com: Spätestens seit dem Inkrafttreten der Offenlegungsverordnung SFDR im März führt im Fondsvertrieb an ESG kein Weg vorbei. Wie hat sich die Haltung japanischer Unternehmen gegenüber ESG-Themen in den vergangenen Jahren entwickelt? Beobachten Sie ein stärkeres Momentum?

Harald Staudinger: Aus Investorensicht ist beim ESG-Thema vor allem das „G“, also das Thema der Corporate Governance interessant. Ein wichtiger Grund für die hohen Bewertungsabschläge von japanischen Aktien im Vergleich zu amerikanischen liegt darin, dass in Japan die Shareholder Value-Orientierung der Unternehmen lange Zeit gering war.

Genau das ändert sich nun aber: Seit der Einführung des Corporate Governance Codes im Jahr 2015 und des Stewardship Codes im Jahr 2014 kommt es zu deutlichen Verbesserungen. Dies zeigt sich in steigenden Dividendenausschüttungen, stark steigenden Aktienrückkäufen, und auch in einer deutlich höheren und weiter steigenden Anzahl an unabhängigen Aufsichtsräten, die die Minderheitsaktionärsinteressen besser vertreten.

Wir beobachten diese Entwicklungen auf Einzeltitelebene sehr genau, da diese häufig der Auslöser für massive Neubewertungen sind.

e-fundresearch.com: Die Olympischen Sommerspiele in Japan standen bislang unter keinem besonders guten Stern. Sehen Sie dennoch eine Chance, dass Tokyo 2020 (wenn auch in 2021 ausgetragen) dem japanischen Markt aufgrund der starken internationalen Medienpräsenz einen gewissen Rückenwind verleihen könnte oder handelt es sich hierbei um ein regelrechtes "Non-Event"?

Harald Staudinger: Die Olympischen Spiele beginnen am 23. Juli – ohne Zuschauer in den Stadien – und werden hoffentlich aus sportlicher Sicht ein großer Erfolg werden. Aus wirtschaftlicher Sicht sind sie nicht nur für die Sponsoren ein Desaster, sondern aufgrund der im Vorfeld aus Sicherheitsgründen verhängten Lock downs sowohl für die Wirtschaft wie auch für die Börse eine große Belastung.

Daher ist das Ende der Spiele, nämlich der 8. August, das für Investoren viel interessantere Datum. Es ist nämlich davon auszugehen, dass es in der Folge zu breiten Öffnungsschritten kommen wird, wovon die Wirtschaft und die Stimmung am japanischen Aktienmarkt profitieren werden. Japanische Aktien haben im internationalen Vergleich in diesem Jahr einiges Aufholpotenzial. Da spätestens im September Unterhauswahlen in Japan ausgetragen werden müssen, rechnen wir mit der Ankündigung eines massiven Fiskalpaktes zu Ankurbelung der Wirtschaft und positiven Impulsen für die Aktienbewertungen in Japan.

e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch & weiterhin viel Erfolg, Herr Staudinger!

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