Benjamin Louvet: Ende November war die Entwicklung im Bereich der Edelmetalle recht enttäuschend. Gold konnte nicht zulegen, und die "industriellen Edelmetalle", vor allem Platin und Palladium, waren von den Auswirkungen der Pandemie und der damit verbundenen Probleme mit den Lieferketten stark betroffen. Grund für die enttäuschende Performance von Gold ist vor allem die große Unsicherheit der Anleger hinsichtlich der realen Zinssätze. Die Inflation ist weltweit hoch, was die Zentralbanken dazu veranlassen könnte, die Nominalzinsen anzuheben. Da Gold selbst keine Rendite in Form von Zinsen oder Dividenden abwirft, hängt diese direkt von der Rendite anderer Vermögenswerte ab, insbesondere von Anleihen. Die Situation könnte sich für Anleger allerdings schon bald wieder ändern, insbesondere weil die Coronakrise noch lange nicht vorbei ist…
Benjamin Louvet: Was Gold betrifft, so war das Überraschendste, wie Anleger ihre Meinung änderten, als die Zentralbanken ankündigten, die lockere Geldpolitik zu straffen. Nun ist es für die Zentralbanker nur möglich, die nominalen Zinssätze anzuheben, wenn die Inflation dauerhaft hoch ist. Das Problem: Die Inflation ist vor allem auf die steigenden Preise der Angebotsseite zurückzuführen, weshalb die Zentralbanken nicht einfach die Zinssätze erhöhen können, ohne das Wirtschaftswachstum zu gefährden. Was die anderen Edelmetalle betrifft, so war die Halbleiterkrise das überraschendste Ereignis. Sie zwang die Automobilindustrie zwar zu einer drastischen Drosselung ihrer Produktion, wirkte sich aber kaum auf den Platin- und Palladiumverbrauch aus, da diese beiden Metalle hauptsächlich zur Herstellung von Katalysatoren verwendet werden. Obwohl für den Palladiummarkt in diesem Jahr zum zehnten Mal in Folge ein Defizit prognostiziert wurde, erreichte der Preis mit über 3.000 $/Oz im Juni einen neuen Höchststand. Doch die Verlangsamung der Autoindustrie kehrte den Trend um und drückte den Palladiumpreis dann um mehr als 35 Prozent gegenüber dem Juni-Hoch.
Benjamin Louvet: Ich halte den Rückgang des Goldpreises, der hauptsächlich auf zyklische Phänomene zurückzuführen ist, für vorübergehend. Der Goldpreis dürfte allmählich wieder anziehen. Die Anleger müssen verstehen, dass die Zentralbanken angesichts der Verschuldung der großen Industrieländer keine andere Wahl haben, als mit einer Anhebung der Nominalzinsen zu warten, bis es eine dauerhafte Inflation gibt. Obwohl die Anlegernachfrage noch nicht stark angezogen hat, hat sich der Trend auf dem Markt für Gold-ETFs inzwischen umgekehrt - vor allem aufgrund der Käufe asiatischer Anleger. Die Bestände der Gold-ETFs sind im ersten Quartal 2021 stark gesunken, bevor sie im zweiten Quartal 2021 wieder leicht gestiegen sind. Und seit Anfang November sind die Zuflüsse in Gold-ETFs leicht positiv. Auch die Zentralbanken haben ihre Goldkäufe seit Ende letzten Jahres wieder aufgenommen, nachdem sie ihre Kaufprogramme nach Ausbruch der Pandemie ausgesetzt hatten. Die Käufe der Zentralbanken erreichten in der ersten Jahreshälfte 330 Tonnen. Dies lag 39 Prozent über dem Durchschnitt der ersten fünf vorangegangenen Halbjahre und auf dem Niveau der Rekordkäufe von 2018 und 2019, als im Laufe des Jahres knapp über 650 Tonnen gekauft wurden.
Benjamin Louvet: Nein, wir ziehen es vor, nicht in Kryptowährungen zu investieren. Diese Vermögenswerte sind wirklich schwer zu bewerten. Darüber hinaus sind wir davon überzeugt, dass private Kryptowährungen immer mehr reguliert werden. Denn die Regierungen werden nicht akzeptieren, dass in Privatbesitz befindliche und nicht von ihnen entwickelte Währungen zu wichtigen Zahlungsmitteln werden und damit das Risiko steigt, dass steuerpflichtige Einnahmen nicht an den Staat abgeführt werden.
Benjamin Louvet: Von allen Metallen leitet Silber den Strom am besten. Deshalb wird es in Solarzellen für den Stromtransport verwendet. Die hohen Kosten haben die Hersteller gezwungen, die Verwendung von Silber auf ein Minimum zu reduzieren. Die Menge des Metalls in jedem Solarmodul wurde daher von über 20 Gramm vor zehn Jahren auf heute etwa 5 Gramm gesenkt. Die Solarkapazität ist jedoch stetig gewachsen. Im Jahr 2020, als eine Rekordkapazität von 130 Gigawatt installiert wurde, verschlang die Photovoltaikindustrie 3.142 Tonnen Silber - das sind 12 Prozent der weltweiten Produktion. Wenn wir unsere Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen ernst nehmen, die jährlich installierte Solarkapazität bis 2030 um das Fünffache zu steigern, könnte die Nachfrage nach diesem Metall explodieren.
Platin ist auch ein Metall von großem Interesse im Zusammenhang mit der Energiewende, da es für die Herstellung von sauberem Wasserstoff und auch für die Nutzung dieses Wasserstoffs durch Rückumwandlung in Elektrizität in einer Brennstoffzelle absolut entscheidend ist. Der Markt für sauberen Wasserstoff wird in den kommenden Jahren mit Sicherheit riesig sein, da bereits 30 Länder einen Wasserstoffplan unterzeichnet haben.
Seit Oktober 2015 ist Benjamin Louvet bei OFI Asset Management als Head of Commodities Management Strategies tätig. Zuvor war er stellvertretender Geschäftsführer der Portfoliomanagementgesellschaft Prim Finance, die er 2002 gründete und bei der er Leiter des Front Office und der Research-Aktivitäten war. Er begann seine berufliche Laufbahn mit dem Verkauf von Derivaten, bevor er zu den Teams für quantitative Managementstrategien der BNP Paribas-Gruppe stieß. Louvet hat einen Master-Abschluss in Finanzmanagement von Paris I - Panthéon Sorbonne.