e-fundresearch.com: Herr Siegele, lassen Sie uns frei nach dem Motto „Wie alles begann“ an den Start Ihrer Fondsselektionskarriere springen: Wo und wie haben Sie Ihre Laufbahn gestartet? War es für Sie schon immer klar, dass Sie in diesem Metier tätig sein möchten?
Christoph Siegele: Das hat sich schon sehr früh während meines Bachelorstudiums herauskristallisiert. Ich habe mich daher auch für zwei Masterstudiengänge „Banking & Finance“ und „Applied Economics“, bzw. Volkswirtschaft entschieden. Nach dem Studium bin ich nach Wien gezogen und war über zwei Jahre in der Wertpapieraufsicht der FMA tätig und konnte dort meine ersten Berufserfahrungen sammeln und Kontakte knüpfen. Zeitgleich habe ich die Level I und Level II Prüfungen des CFA-Programms abgelegt. Dabei wurde mir relativ schnell klar, dass ich auf die Investmentseite wechseln möchte. Ich wollte Märkte selbst analysieren und daraus abgeleitete Investitionsentscheidungen treffen. So kam es, dass ich dann im Frühjahr 2020 zur fair-finance Vorsorgekasse AG bzw. fair-finance Asset Management gewechselt bin, einem Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit.
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e-fundresearch.com: Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei Ihnen aus? Verfolgen Sie spezielle erfolgssteigernde Routinen, die Sie mit uns teilen möchten?
Christoph Siegele: Dreimal die Woche halten wir intern einen Call zu einem Marktupdate ab, in dem wir abwechselnd die Situation und das Umfeld an den unterschiedlichen Märkten zusammenfassen und an unsere Kollegen weitergeben. Diese Calls sind unentbehrlich. Außerdem betreibe ich viel Sport, da ich glaube, dass man durch den intensiven Beruf einen Ausgleich bzw. eine hohe Ausdauer benötigt. Aber sonstige Routinen in dem Sinne gibt es wenig. Kein Tag ist wie der andere, was meinen Beruf auf der anderen Seite sehr abwechslungsreich gestaltet und man ständig Neues lernt. Beispielsweise sind die Märkte immer wieder von diversen Faktoren getrieben. Vor drei Jahren hat man zum Virologen und Pandemieexperten werden müssen – letztes Jahr was es der Energie- und Gasexperte. Die psychologische Komponente spielt natürlich auch eine wichtige Rolle, denn der Markt kann – abhängig vom Sentiment –völlig konträr reagieren.
e-fundresearch.com: Worin besteht die größte Herausforderung in Ihrer Funktion und was bereitet Ihnen die größte Freude?
Christoph Siegele: Da wir treuhändisch das Geld unserer Kunden verwalten, möchten wir natürlich einerseits so viel Rendite wie möglich erwirtschaften bei so geringem Risiko wie möglich, eingebettet natürlich in unsere tiefe Überzeugung der Nachhaltigkeit. Wir versuchen über aktives Management unsere taktisch Asset Allokation so zu steuern, dass Drawdowns so gut es geht vermieden werden und an Aufschwüngen aber bestmöglich zu partizipieren - denn die Verhaltensökonomie zeigt, Verluste wiegen ungefähr doppelt so stark wie Gewinne. Insbesondere in solchen schwierigen Phasen ist es dadurch unabdingbar einen kühlen Kopf zu bewahren, seinem Investmentprozess zu folgen und sich nicht durch emotionale Biases beeinflussen zu lassen.
Die Vielseitigkeit & Abwechslung meiner Aufgaben in der ständigen Feedbackschleife von Analysieren, Diskutieren und Agieren macht besonders viel Spaß. Auch das Spektrum an Aufgaben und Themen bei uns im Team ist sehr breit gefächert. Zudem lernt man viele interessante Persönlichkeiten sowie spannende und innovative Fondsstrategien kennen.
e-fundresearch.com: Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Faktoren, die bei der Selektion von Fondsmanager:innen den Unterschied machen und deshalb auch im Fokus stehen sollten?
Christoph Siegele: Kommt natürlich sehr auf die Assetklasse und den Investmentansatz an. Sehr wichtig ist prinzipiell, dass der Investmentprozess in sich konsistent ist und die Strategie so einfach wie möglich herübergebracht werden kann – es sollte auch ein Laie verstehen können. Einzelne Manager sind da manchmal zu sophistiziert – weniger ist da oft mehr! Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass man ebenso die Motivation & Konsequenz der Fondsmanager in ihren Entscheidungen ergründen sollte, z.B. wie sie sich in unterschiedlichen Situationen verhalten haben und warum, ob das dargelegte Verhalten auch so geplant war bzw. durch den Investmentprozess abgedeckt ist. Damit können echter Manager-Skill und reines Glück gut unterschieden werden und sollte daher vorteilhafte Investmententscheidungen in der Zukunft erwarten lassen. Die Investmentstrategie des Managers muss natürlich auch zum Investor bzw. dessen Investmentansatz passen, ansonsten kann es schnell zu unliebsamen Überraschungen kommen und das ist sowohl für den externen Fondsmanager sowie den Investor unbefriedigend. Auf der quantitativen Ebene werden zudem Erkenntnisse aus der akademischen Welt in der Selektion berücksichtigt – unsere „Secret Sauce“ kann ich aber nicht verraten. Was ich sagen kann, ist, dass reine ex-post Performance für uns definitiv kein ausschlaggebender Faktor für die Managerauswahl ist.
e-fundresearch.com: Sie sind laufend in Kontakt mit den unterschiedlichsten Fondsanbietern: In welchen Bereichen identifizieren Sie den größten Verbesserungsbedarf? Wo kann sich die Anbieterseite noch deutlich steigern?
Christoph Siegele: Das ist eine gute Frage! Grundsätzlich muss man sagen, dass man, bei egal welchem Anbieter, immer relativ schnell einen kompetenten Ansprechpartner ans Telefon bekommt bzw. schnell Rückmeldung zu Anfragen erhält.
Dann gibt es auch Vertriebsleute, die sehr inflationär und wahllos mit Informationen umgehen. Hier wäre es sicher geschickter, gezielt mit Produkten auf Investoren zuzugehen, die auch in deren Fokus bzw. Assetklassen vorhanden sind. Man würde gar nicht glauben, wie viele Emails ich bekomme mit Produktangeboten, in die wir gar nicht investieren wollen oder dürfen.
Auch bei nachhaltigen Aktienfonds gibt es Nachholbedarf, welche durch die selbstauferlegten Nachhaltigkeitsvorgaben oft ein unausgewogenes Exposure hinsichtlich der Stilfaktoren aufweisen können. Dies ist nur wenigen Managern bewusst, weshalb sie diese Zahlen nur selten parat haben und meistens nachliefern müssen. Dies sollte meiner Meinung nach bei modernem Fondsmanagement bereits in der Portfoliokonstruktion berücksichtigt werden.
e-fundresearch.com: Wo liegt aktuell Ihr größter Fokus? Welche konkreten Investmentideen verfolgen Sie momentan mit Ihrem Team?
Christoph Siegele: Für uns spielt das Thema Nachhaltigkeit seit jeher die wichtigste Rolle in all unseren Investmententscheidungen. Wir wollen weiterhin Vorreiter in der Nachhaltigkeit bleiben und sind aktuell dabei verschiedene neue und innovative Wege zu evaluieren. Vor kurzem haben wir einen Meilenstein erreicht, indem in Kooperation mit der Verbriefungsgesellschaft fund2sec in Luxemburg ein neuartiges Mikrofinanzindexzertifikat aufgelegt wurde, welches nun auch an der Börse Düsseldorf notiert. Somit können wir die impactstarke Assetklasse Mikrofinanz als strategischen Baustein in unserer Asset Allokation nutzen.
Wir sind auch von Festgeldern mit Zinssätzen von weit über 3,5% sehr angetan, da sie eine (nahezu) sichere und volatilitätslose Rendite bieten und Anleihemärkte nach wie vor eine hohe Volatilität aufweisen, bedingt durch den Vertrauensverlust kleinerer US-Banken, den US-Schuldenstreit und die hartnäckig hohe Kerninflation.
Zudem findet man Opportunitäten bei Secondary-Transaktionen im Private Markets Bereich, da einige Marktteilnehmer (Pensionsfonds etc.), durch den letztjährigen Abverkauf von Aktien und Anleihen, zu hohe Allokationen haben und gezwungen sind diese zu reduzieren. Leider können wir aber regulatorisch nicht in dem Umfang investieren, wie wir es gerne möchten.
e-fundresearch.com: Wenn Sie nicht gerade Fonds analysieren und Portfolios zusammenstellen: Womit verbringen Sie gerne Ihre (Frei-)Zeit?
Christoph Siegele: Ich bin ein sehr aktiver Mensch. Während der letzten fünf Jahre gehörten vor allem das Laufen, aber auch Mountainbiken, Fußballspielen, Eishockeyspielen etc. zu meinen Freizeitbeschäftigungen. Heuer versuche ich mal an einem Triathlon. Dazu habe ich mich vor allem auf das Schwimmen fokussiert, um eine effiziente Kraultechnik zu lernen. Man glaubt gar nicht wie komplex diese Bewegung ist! Ein weiteres Hobby ist das Fliegenfischen. Hier muss man abschalten und bei der Sache sein, sonst fängt man rein gar nichts. Das kann ich jedem empfehlen, der die Arbeit nicht aus dem Kopf bekommt! Ansonsten wenn die Zeit da ist, koche ich auch sehr gerne für meine Freundin und Freunde.
e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch & weiterhin viel Erfolg, Herr Siegele!
Über Christoph Siegele
Nach den beiden Masterstudien an der Uni Innsbruck verschlug es den gebürtigen Tiroler Christoph Siegele nach Wien, wo er als Fonds- und Bankanalyst in der FMA seine Karriere gestartet hat. Seit 2020 ist er Asset/Portfoliomanager bei der fair-finance Vorsorgekasse AG und verantwortet die Assetklassen Aktien, Wandelanleihen, Mikrofinanz und Private Markets. Ebenso managt er die dazugehörigen Dachfonds und einen Einzeltitel-Aktienfonds für die fair-finance Asset Management. Christoph Siegele ist seit Sommer 2021 CFA Charterholder.
Christoph Siegele im FundSelector-Wordrap:
Privat investiere ich...
... in gleiche/ähnliche Produkte, aber risikoreicher als in meinem Job aufgrund meiner höheren Risikotoleranz und sehr langen Investmenthorizonts.
Mein bisher größter Investmentfehler...
...während meines Studiums habe ich auch in exotische Wertpapiere investiert, die ich nicht wirklich verstanden habe. Binnen kurzer Zeit war das Wertpapier nur mehr einen Bruchteil wert – das ist mir nur einmal passiert!
Nachhaltigkeit bedeutet für mich...
... so zu leben, dass meine Urenkel einen lebenswerten Planeten vorfinden werden.
Darauf könnte ich keinesfalls verzichten...
...Sport und lachen mit Freunden und Familie
In den nächsten 10 Jahren möchte ich unbedingt einmal...
... einen Hecht mit der Fliegenrute fangen.
Die Kapitalmärkte haben mich gelehrt, dass…
... Geduld eine Tugend ist.
Ein historischer Track-Record ist...
.... bedingt wichtig - manchmal sogar nur so viel wert, wie das Blatt Papier auf dem er gedruckt wurde.
Mein Lieblingsinvestment-Zitat oder Motto lautet...
...An der Börse ist alles möglich – auch das Gegenteil. (André Kostolany)