e-fundresearch.com: Sprachroboter wie ChatGPT erhalten viel Aufmerksamkeit, dürften im institutionellen Fondsmanagement jedoch an Grenzen stoßen. Welche konkreten Anwendungsfelder von KI gibt es in diesem Bereich?
Michael Günther: Grob lassen sich im institutionellen Asset Management drei Typen beziehungsweise Zugangswege unterscheiden: Erstens KI zur Steigerung der Effizienz und Produktivität. Zweitens thematische Investments in Hersteller und Anwender von KI. Und drittens die Nutzung maschineller Intelligenz für Investmentstrategien.
Pablo Hess: Werden Vermögensverwalter von ihren Kunden dazu angehalten, das Thema KI als Baustein im Portfolio zu reflektieren, dann denken sie häufig zuerst an die zweite Einsatzart. Das heißt, sie suchen nach Wegen, um etwa über aktiv gemanagte Themenfonds oder über ETFs und Zertifikate entsprechend Exposure zu bekommen.
Michael Günther: Ja, genau. Wir nutzen für den TRYCON-Fonds seit 2013 KI zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit von Marktbewegungen und auch für Handelssignale zur Allokation. Daher sind wir an dem Markt, in dem viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit stattfindet, sehr nah dran. Bisherige Auswertungen legen nahe, dass im deutschsprachigen Raum rund zwei Dutzend Anbieter ein Kapital von circa 350 bis 400 Millionen Euro verwalten.
e- fundresearch.com: Dies ist, verglichen mit dem Volumen des gesamten deutschsprachigen Fondsmarktes, nicht sehr viel.
Pablo Hess: Das stimmt. Und es zeigt auch, welches Potenzial hier in den kommenden Jahren noch gehoben werden könnte. Ein Trend ist dabei sicherlich die Unterscheidung zwischen „Assisted KI“ und genuin KI-basierten Strategien. Also: Hat die KI nur eine unterstützende Funktion oder werden durch Algorithmen und Deep Learning generierte Handelssignale in Positionen übersetzt.
e-fundresearch.com: Haben Sie weitere Zahlen zum Markt? Inwieweit beschäftigen sich institutionelle Investoren mit neuen, datenbasierten Ansätzen?
Michael Günther: Interessant wird es, wenn man das Vermögen weltweit verwalteter KI-Fondslösungen zu den Volumina hierzulande in Beziehung setzt. Wir haben dazu den Indexanbieter Next Gen Alpha (mit Sitz in der Schweiz) befragt, dessen Anspruch es ist, alle wesentlichen KI-basierten Anlagestrategien global abzudecken. Das Universum umfasst 40 bis 45 Investmentstrategien. Kriterien: Keine Managed Accounts und mindestens wöchentliche Liquidität. Ließe man diese Ausschlüsse weg, würde das Universum 70 bis 75 Strategien umfassen. Next Gen Alpha taxiert die weltweiten Assets under Management (AuM) danach auf zwei bis drei Milliarden Euro.
e-fundresearch.com: Sind die USA klar dominierend?
Michael Günther: Das mag man instinktiv denken, wenn man an neue, disruptive Technologien denkt. Tatsächlich entfallen aber über die Hälfte (55 Prozent) der Strategien auf Europa, mehrheitlich Deutschland, gefolgt von der Schweiz und Skandinavien. Das ist ein starkes Signal mit Blick auf die Innovationsarbeit, die diesseits des Atlantiks stattfindet.
e-fundresearch.com: Wie sehen Sie die Rolle von Tungsten TRYCON in diesem Gesamtmarkt und insbesondere für die DACH-Region?
Pablo Hess: Sicherlich können wir für uns beanspruchen, seit einer Dekade einen nicht unerheblichen Anteil an den Fortschritten in der Verwendung von KI im Fondsmanagement zu haben. Der TRYCON-Fonds dürfte die am längsten existierende KI-Strategie im DACH-Raum sein, auf die etwa ein Drittel aller in KI-Fonds verwalteten Assets entfällt.
Michael Günther: Wichtig erscheint mir vor allem: Welchen Nutzen wollen institutionelle Investoren aus dem Einsatz von KI ziehen. Dies sollten Altersvorsorgeeinrichtungen, Corporates, Banken und Family Offices für sich beantworten können. Der genannte Indexanbieter hat dazu eine klare Positionierung, die im Übrigen voll auf der Linie unseres Hauses ist: Der wichtigste Wertbeitrag besteht in der geringen Korrelation zu anderen Anlagestrategien. Selbst wenn der traditionelle Manager und die KI in der gleichen Assetklasse, etwa Aktien, selektieren, wird die Portfoliozusammensetzung aufgrund der unterschiedlichen Researchparameter und Marktdurchdringung in den allermeisten Fällen eine andere sein. Diese Diversifikationswirkung ist also klar messbar.
e-fundresearch.com: Herr Günther, Herr Hess, wir danken Ihnen für das Gespräch.