Weiterhin optimistisch in Bezug auf die Schwellenländer

2023 war ein Jahr, in dem die Schwellenmärkte insgesamt erneut schlechter abschnitten als die entwickelten Märkte - das sechste Mal in den letzten 10 Jahren1. Auch wenn uns die kurzfristige relative Wertentwicklung normalerweise nicht beunruhigt, verdient das Ausmaß der Performanceunterschiede in den letzten zehn Jahren natürlich einige Überlegungen und wirft die Frage auf, ob sich strukturell etwas verändert hat. Managers | 11.06.2024 08:12 Uhr
© First Sentier Investors
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Ist es Zeit, sich aus Schwellenländern zurückzuziehen? Das Jahr 2023 hat sich im Hinblick auf die Performance der Schwellenländer als ziemlich gewöhnlich erwiesen. Die Anlageklasse wurde durch China belastet, das bereits im dritten Jahr in Folge negative Renditen erwirtschaftete. Im Jahr 2023 blieben die Schwellenländer insgesamt zudem erneut hinter Industrieländern zurück (insbesondere hinter den USA) – und das bereits zum sechsten Mal in den vergangenen zehn Jahren.1 

Wir lassen uns zwar normalerweise nicht von der kurzfristigen relativen Wertentwicklung entmutigen (die in vielen Fällen eher durch ein Rauschen als durch Fundamentaldaten bestimmt wird), allerdings verdient das Ausmaß der Renditenunterschiede im vergangenen Jahrzehnt unbestreitbar einen genaueren Blick auf die Situation und führt zu der Frage, ob sich strukturell etwas geändert hat. Auch wenn die Anlageklasse, wenn man von den Schlagzeilen ausgeht, eindeutig mit einigen Problemen zu kämpfen hat (eine Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft, ein erhöhtes geopolitisches Risiko und eine politische Lähmung in wichtigen Märkten wie der Türkei, Südafrika und Peru, um nur einige zu nennen), sind wir der Ansicht, dass hier ein differenzierterer Blickwinkel angebracht ist. 

Allgemein würden wir argumentieren, dass es schwer ist, im Hinblick auf die globalen Märkte optimistisch zu sein und gleichzeitig in Bezug auf Schwellenländer pessimistisch zu bleiben. Die globale Wirtschaft4 wird zunehmend von Schwellenländern angeführt – ein Trend, der sich unserer Erwartung nach in den kommenden Jahren noch beschleunigen wird. Während Schwellenländer seit vielen Jahren die Mehrheit der Weltbevölkerung stellen, sind sie inzwischen auch für den Großteil der globalen Wirtschaftsleistung verantwortlich. Doch die Bedeutung der Schwellenländer aus globaler Wirtschafts- und Wachstumsperspektive spiegelt sich nicht gut auf den Kapitalmärkten wider. 

Im vergangenen Jahrzehnt ist der Anteil der Schwellenländer am globalen BIP von 56 % auf 59 % gestiegen 2, doch ihr Anteil an den globalen Aktienmärkten ist von 12 % auf 11 % zurückgegangen.Gleichzeitig ist der „Buffett-Indikator“, der die Aktienmarktkapitalisierung eines Landes im Verhältnis zu seinem BIP misst, in den meisten Schwellenländern (eventuell mit Ausnahme von Indien) schwach, ein starker Kontrast zu den Industrieländern (insbesondere den USA und Japan).

Während sich insbesondere der US-Kapitalismus im vergangenen Jahrzehnt zunehmend vorteilhaft für die Renditen am Aktienmarkt erwiesen hat und die USA inzwischen 44 % der globalen Aktienmärkte repräsentiert, obwohl sie nur für 15 % des globalen BIP verantwortlich ist5, gibt es unserer Meinung nach natürliche Grenzen dafür, wie weit sich diese Kennzahlen auseinanderbewegen können. 

Was noch wichtiger ist: Wenn wir über Schlagzeilen hinausblicken, erkennen wir, dass sich die besten langfristigen Anlagemöglichkeiten in Schwellenländern niemals gut im Index widergespiegelt haben. Die übermäßige Dominanz staatseigener Unternehmen (State-owned Enterprises, SOEs) hat dazu geführt, dass ein großer Teil des Index im Verlauf der Jahre kontinuierlich Wertverluste für Anleger verursacht hat. Dennoch wäre es aus unserer Sicht ein Fehler, die Schwellenländer insgesamt zu ignorieren. Mit ihren mehr als 3.000 börsennotierten Gesellschaften und einer Marktkapitalisierung von über einer Milliarde US-Dollar können Schwellenländer ein attraktives Jagdrevier für langfristige Investoren darstellen. 

Wie Sie wissen, konzentrieren wir uns speziell auf Qualitätsunternehmen mit defensiven Eigenschaften wie hohen Renditen und wiederkehrenden Cashflows. Häufig sind diese unter den stärksten Konsum-, Finanz- oder Dienstleistungsunternehmen in den weniger entwickelten Teilen der Welt zu finden. Nicht nur, dass die Marktdurchdringung bei vielen Waren und Dienstleistungen gering ist, was einen günstigen langfristigen Nachfragehintergrund bietet, sondern auch ein hoher Grad an Informalität in vielen dieser Länder erhöht die Eintrittsbarrieren erheblich. 

Dies fördert häufig ein günstiges Wettbewerbsumfeld, das es vielen der marktbeherrschenden Unternehmen (mit einem Marken-, Vertriebs- oder Größenvorteil) ermöglicht, hohe Margen und Renditen und damit einen starken freien Cashflow zu erzielen. Dazu kommt, dass unsere Engagements tendenziell über Cash-basierte Geschäftsmodelle verfügen (üblicherweise werden sie selbst im Voraus bezahlt, bezahlen ihre Lieferanten aber mit einer Verzögerung), wodurch sie einen Arbeitskapitalvorteil erhalten, der als Finanzierungsquelle genutzt und so ihre Renditen vervielfachen kann. Historisch gesehen hat dieser Fokus zu einer signifikanten operativen Outperformance unserer Portfoliogesellschaften gegenüber den breiteren Märkten geführt. 

In den letzten fünf Jahren betrug das durchschnittliche jährliche Umsatzwachstum der Portfoliogesellschaften im FSSA Global Emerging Markets Focus 14 %,
das der Unternehmen im MSCI Emerging Market Index jedoch nur 7 % (jeweils in USD).Angesichts der höheren Margen und anlagenarmen Natur unserer Bestände hat sich dies in einem operativen Gewinnwachstum von 16 % CAGR5 (in USD) niedergeschlagen – deutlich höher als die 9 % CAGR des Index (vermutlich aufgrund der niedrigeren Margen und Kapitalintensität mehrerer großer Indexbestandteile). Zwar ist die Frage gerechtfertigt, ob historische operative Performance ein guter Indikator für die zukünftige Performance ist, aber die Widerstandsfähigkeit der Nachfrageprognosen für unsere Beteiligungen ist ein weiteres Feature, das sie unserer Ansicht nach von den breiteren Märkten abhebt.

Die Vereinten Nationen erwarten, dass zwischen 2020 und 2040 die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in Entwicklungsregionen um rund 800 Millionen zunehmen wird. Weiterhin werden Städte in weniger entwickelten Regionen um 1,5 Milliarden Menschen wachsen6, was für sich genommen bereits mehr als die gesamte aktuelle Bevölkerung der Städte in Industrieländern ausmacht. Diese langfristigen Treiber (Demographie, Urbanisierung, mehr Frauen auf dem Arbeitsmarkt usw.) werden weiterhin große und wachsende Gewinnmöglichkeiten schaffen, von denen unsere Beteiligungen profitieren können, insbesondere diejenigen, die sich auf die Bereitstellung grundlegender Waren und Dienstleistungen in diesen Märkten spezialisiert haben. Beispielsweise beträgt die aktuelle Verschuldung privater Haushalte in Indien 15 % des BIP7, während ein Großteil des Systems weiterhin von großen, ineffizienten SOE-Banken kontrolliert wird, die jedes Jahr Marktanteile an agilere Banken aus dem privaten Sektor verlieren. Dies ist ein starkes Argument für ein langfristiges Engagement in unseren zwei indischen Finanzgesellschaften im Privatsektor, ICICI Bank und HDFC Bank. 

In China beträgt der Premium-Anteil am lokalen Biermarkt derzeit weniger als 10 %, gegenüber 30–40 % in den meisten Industrieländern. Das bietet einen starken Nachfragehintergrund für unsere zwei chinesischen Brauereibeteiligungen, Tsingtao und das mit Heineken verbundene China Resources Beer – zwei der marktbeherrschenden Unternehmen in dieser Kategorie. Auch in Südafrika konnte unsere Beteiligung Capitec trotz der schwierigen makroökonomischen Gegebenheiten in den vergangenen 15 Jahren ihren Buchwert pro Aktie um 18 % in USD steigern und Marktanteile von den großen vier Banken gewinnen, die weiterhin mehr als 75 % des Marktes kontrollieren. Und in Mexiko verfügt Alsea weiterhin über großartige Wachstumsmöglichkeiten, und das, obwohl es mit 2.500 Filialen und einem Marktanteil von rund 15 % des offiziellen Marktes bereits der größte Schnellrestaurantbetreiber im Land ist – denn der offizielle Restaurantmarkt macht weiterhin nur 30 % der gesamten Restaurantbranche aus (ein sehr viel niedrigerer Wert als in vielen anderen Märkten weltweit). 

Das zentrale Anlageargument für all diese Unternehmen ist, dass sie von den langfristigen Wachstumstrends in Schwellenländern profitieren. Aber noch wichtiger ist, dass sie sich starke Wettbewerbsvorteile aufgebaut haben (in Form von Marken, Wechselkosten, Netzwerken, Größe usw.), die es ihnen ermöglichen, hohe Margen und Renditen zu erwirtschaften und gleichzeitig in einem rationalen und günstigen Wettbewerbsumfeld aktiv erfolgreich zu sein. Es sind die fortgesetzte Stärke und Dominanz dieser Geschäftsmodelle, die unserer Meinung nach die strategischen Gründe für langfristige Investitionen in Schwellenländer ausmachen. Bleiben Schwellenländer in der „New Economy“ zurück? Das letzte Argument, das wir besprechen möchten, ist unser Glaube, dass Unternehmen aus Schwellenländern in den kommenden Jahrzehnten zunehmend die „New Economy“ dominieren werden. Während die strenge Aufsicht Chinas über soziale Medien im aktuellen weltweiten Rennen um KI8-Fähigkeiten nicht von Vorteil ist, verfügen die führenden chinesischen Internetunternehmen vermutlich über einige der besten Datensätze weltweit, mit denen sie ihre großen Sprachmodelle trainieren können. Tencent, Alibaba und Douyin (TikTok) haben alle signifikante Investitionen in diesem Bereich getätigt, aber es ist noch unklar, wie sie dies kommerziell umzusetzen gedenken. Selbst außerhalb von KI bleiben die Aussichten für Schwellenländer aus unserer Sicht durchweg positiv. 

Wir erleben seit vielen Jahren, dass Unternehmen aus Schwellenländern kritische Sektoren dominieren, beispielsweise in der Halbleiterproduktion (Taiwan Semiconductor Manufacturing, TSMC) und in jüngerer Zeit in grünen Energiesektoren wie Solarmodule (Longi), Batterien (Contemporary Amperex Technology (CATL) and LG Group) und Elektrofahrzeuge (China ist inzwischen der weltgrößte Autoexporteur, angeführt von BYD). Aufgrund des starken Ökosystems in vielen Branchen in Schwellenländern sind wir der Ansicht, dass es in Robotik und sauberer Energie zu ähnlichen Dynamiken kommen wird. Ein weiteres Beispiel: Kürzlich haben wir uns mit der Geschäftsleitung eines führenden Medizinprodukteherstellers aus Neuseeland getroffen. Diese vertrat die Ansicht, dass chinesische Unternehmen aufgrund ihrer Skalenvorteile und zunehmend komplexen Forschungs- und Entwicklungsfähigkeiten (F&E) bald zu globalen Marktführern im Bereich Medizinprodukte heranwachsen könnten. Dieses Unternehmen hat kürzlich ein F&E-Zentrum in Guangzhou, China, eröffnet, da die dortigen lokalen Talentpools und starken Ökosysteme nirgendwo anders auf der Welt zu finden sind. 

Damit wollen wir nicht behaupten, es gäbe in Schwellenländern keine Probleme – noch müssen viele Herausforderungen bewältigt werden, die wir zu Beginn dieses Artikels angesprochen haben. Aber als Fazit und Antwort auf unsere anfängliche Frage, ob sich strukturell etwas geändert hat, können wir sagen: Das strategische Anlageargument für unsere Beteiligungen bleibt weiterhin attraktiv und wir bleiben für das Jahr 2024 optimistisch. Angesichts der undifferenzierten Verkäufe, die wir in mehreren Schwellenländern – vor allem in China – auf breiter Front beobachten konnten, erscheinen die Bewertungen für unsere Beteiligungen attraktiv. Wir erwarten, dass die meisten unserer Portfoliobestände im Jahr 2024 ihre freien Cashflows im niedrigen bis mittleren Zehnerbereich steigern können sollten, was unserer Ansicht nach attraktiv ist. Ob sich diese ermutigenden Bottom-up-Fundamentaldaten jedoch bereits 2024 oder zu einem späteren Zeitpunkt in der Aktienkursentwicklung niederschlagen werden, ist unklar.

 1 Quelle: Factset, MSCI. Basierend auf der Wertentwicklung während des Kalenderjahres. 

2 Quelle: Internationaler Währungsfonds, Datenbank „World Economic Outlook“, Oktober 2023. BIP auf Grundlage des PPP, Anteil der Welt (Prozent der Welt), Zahlen für 2014 und 2023. https://www.imf.org/en/Publications/WEO/weo-database/2023/October 

3 Quelle: SIFMA Research, Juli 2023. 2023 Capital Markets Fact Book, Zahlen für 2013 und 2022. https://www.sifma.org/resources/research/fact-book/ 

4 Quelle: World Federation of Exchanges, Aktienmarktkapitalisierung vom November 2023. https://focus.world-exchanges.org/issue/january-2024/market-statistics; Internationaler Währungsfonds, Datenbank „World Economic Outlook“, Oktober 2023. BIP und aktuelle Preise auf Grundlage des PPP. Zahl für 2023. https://www.imf.org/en/Publications/WEO/weo-database/2023/October 

5 Jährliche Wachstumsrate (Compound Annual Growth Rate) Quelle: Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten der Vereinten Nationen, Abteilung Bevölkerungsfragen (2024). Datenportal, individuelle Daten über die Website abgefragt. Bevölkerung nach Alter und Geschlecht – breite Altersgruppen (15–64), Prognosen für 2023 und 2040. Vereinte Nationen: New York. https://population.un.org/DataPortal/ 

6 Quelle: Programm der Vereinten Nationen für menschliche Siedlungen (UN-HABITAT), 2022. World Cities Report 2022: Envisaging the Future of Cities, S. 9, Tabelle 1.2: Stadtbevölkerung und Grad der Urbanisierung (2015–2050). Vereinte Nationen: Nairobi, Kenia. https://unhabitat.org/wcr/ 

7 Quelle: CEIC Data. https://www.ceicdata.com/en/indicator/india/household-debt--of-nominal-gdp 

8 Künstliche Intelligenz Quelle: Unternehmensdaten aus den Jahresberichten der Unternehmen oder anderen entsprechenden Investorenberichten. Finanzkennzahlen und Bewertungen stammen von FactSet und Bloomberg. Stand 12. Januar 2024, sofern nichts anderes angegeben ist.

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