1. Die Geld- und Kapitalmarktzinsen befinden sich im Euroraum auf sehr
tiefem Niveau. Wie gehen Sie in diesem Umfeld vor und wie lautet ihre
Strategie für die nächsten 12 Monate?
Michiel van der Werf: Wir sind neutral gegenüber dem Index und erwarten nicht allzu große Bewegungen. Die Kapitalmarktzinsen werden nicht massiv steigen, dafür ist das globale Wirtschaftsumfeld unserer Meinung noch zu verhalten. Wir rechnen für die nächsten 12 Monate mit einer Seitwärtsbewegung oder einer leicht steigenden Tendenz.
Georg Nitzlader: Auch wenn die Renditen im Euroraum mit knapp 3,5 Prozent für 10-jährige Laufzeiten historisch sehr teuer aussehen, sehen wir in absehbarer Zukunft
keine Trendwende an den Rentenmärkten. Die Konjunktur in Europa bleibt schwach und wird es sehr schwer für die EZB machen, den kurzfristigen Refinanzierungssatz anzuheben. Vor diesem Hintergrund bleiben wir voll investiert.
Tugrul Kolad: Seit Mai 2003 befinden sich die europäischen Leitzinsen unverändert bei 2,0%. 22 Monate unveränderte Zinsen übertreffen bei weitem den Rekord der Deutschen Bundesbank von 14 Monaten, als sie zwischen Oktober 1997 und November 1998 im Vorfeld der Fixierung der unveränderlichen Wechselkurse den 14-tägigen Reposatz unverändert bei 3,3% beließ. Allerdings ist das Umfeld, in dem die EZB ihre Geldpolitik festzulegen hat, jetzt ein ganz anderes, zumal strukturelle Probleme im Euro-Raum sowie der internationale Konkurrenzdruck die deflationären Tendenzen in Euroland verstärkt haben. Trotzdem ist aufgrund steigender Ölpreise und der in hohem Ausmaß vorhandenen Liquidität eine Beschleunigung der EUR-Inflation nicht auszuschließen, die im weiteren Verlauf zu einer restriktiveren Gestaltung der EZB-Geldpolitik führen kann.
Folglich ist auf kurze Sicht von einer vorerst noch freundlichen Tendenz der Zinsen und Renditen in Euroland auszugehen. Ab Mitte des 2. Halbjahres wird allerdings, sollte die EZB eine Zinsanhebung vornehmen, eine defensive Positionierung nötig sein. Für Corporate Bond Investoren ist im übrigen festzuhalten, dass generell die mittlere Fristigkeit von Corporate Bonds ohnehin unter der von Staasanleihen liegt, so dass die Investoren dadurch einen zusätzlichen Polster gegenüber möglichen Zinsanstiegen haben.
2. Mit welcher Entwicklung bei Corporate Spreads rechnen Sie in den nächsten Monaten. In welchen Laufzeiten und Sektoren sind Ihre Fonds aktuell positioniert?
Michiel van der Werf: Die jetzt schon recht hohen Volatilitäten werden andauern, jedoch bis zum Jahresende rechnen wir nicht mit einer allzu großen Ausweitung der Spreads vom jetzigen Niveau aus betrachtet. Der Renditeabstand der Corporate Bonds zu den
Euro-Staatsanleihen dürfte sich bei ungefähr 60 Basispunkten einpendeln.
Georg Nitzlader: Nach einer noch sehr guten Performance zu Jahresbeginn ist die Stimmung an den Märkten für Unternehmensanleihen zuletzt deutlich nervöser geworden. Gewinnwarnungen der US-Autobauer General Motors und Ford, die Angst vor steigenden Geldmarktzinsen und LBOs belasten den Markt und führten zu Spreadniveaus, die etwa 20 Basispunkte weiter als zu Jahresbeginn waren. Wir waren zuletzt deutlich defensiver positioniert, haben aber die jüngste Korrektur genutzt, um billige Emissionen aufzustocken. In diesem sehr instabilen Konjunkturumfeld gefallen uns insbesonders defensive Werte wie Versorger, Telekomunternehmen und Finanzwerte mit sehr guter Bonität wie UBS oder Barclays.
Tugrul Kolad: Die eigentlich für das zweite Halbjahr erwartete Ausweitung der Renditen von Unternehmensanleihen zu vergleichbaren Staatsanleihen kam bereits zu Beginn des vergangenen Monats. Ausschlaggebend dafür waren neben den allen Marktteilnehmern bekannten Problemen von GM und Ford die Anleiheemissionen im 50-jährigen Laufzeitensegment, die Anhebung der Leitzinsen in den USA sowie die etwas übertriebenen Ängste um eine Zunahme von M&A Aktivitäten und LBO´s. In der momentanen Phase nimmt der Markt vermehrt Bedacht auf unternehmensspezifische Risiken, die naturgemäss schwer abzuschätzen sind. Daher kann selbst das kleinste Gerücht für erhöhte Volatilität am Unternehmensanleihenmarkt und folglich für eine Ausweitung der Spreads sorgen. Es ist davon auszugehen, dass die Nervosität am Markt in den kommenden Wochen etwas abebbt, was eine Outperformance von Unternehmensanleihen vs. Staatsanleihen nach sich ziehen würde. Der Corporate Bond Markt bleibt sowohl nachfrage- als auch angebotsseitig gut untermauert. Im zweiten Halbjahr werden sich die Spreads aufgrund einer Stablisierung der Ausfallsraten auf niedrigem Niveau, einer höheren Fed Funds Rate, der Verlangsamung der globalen Konjunktur sowie der erwarteten Zunahme von M&A Aktivität wieder etwas ausweiten, sodass die Spreads 2005 in etwa auf unverändertem Niveau schliessen werden.
Wir sind aktuell untergewichtet am langen Ende des Bondmarktes, übergewichtet im mittleren Bereich und neutral am kurzen Ende. Sektormässig halten wir den Automobilsektor und den Telekomsektor untergewichtet, haben allerdings in letzter Zeit unsere Untergewichtung im Automobilsektor von 50% vs Benchmark auf zuletzt 30% reduziert. Übergewichtungen haben wir im nichtzyklischen Konsumsektor, Materialsektor sowie im Finanzsektor.
3. In den letzten drei Jahren konnten mit Euro Corporates etwa rund sieben Prozent pro Jahre verdient werden. Mit welcher Rendite können Anleger nach Kosten in den nächsten drei Jahren rechnen?
Michiel van der Werf: Ich bin nicht Nostradamus, aber die Fondsrendite beträgt im Moment zwischen 4 und 4,25 Prozent, das ist eine realistische Annahme, die wir im Jahr 2005 erreichen sollten.
Georg Nitzlader: Anleger, die in den letzten Jahren an den Rentenmärkten oder speziell in den Kreditmärkten investiert waren, sind durch die gute Performance verwöhnt. Diese wird in diesem Jahr kaum zu wiederholen sein, dazu sind die Ausgangniveaus der Renditen und Spreads einfach zu tief. Trotzdem sind wir zuversichtlich, auch in den nächsten Jahren eine Performance zu erzielen, die deutlich über den Geldmarktzinsen liegt.
Tugrul Kolad: In den letzten drei Jahren konnten sich die Investoren am europäischen Corporate Bond Markt einer Performance von 7,6% erfreuen, die neben der Einengung der Spreads von Unternehmensanleihen zu Staatsanleihen auch auf die starke Performance von EUR-Staatsanleihen dank einer lockeren Geldpolitik der EZB sowie der schwachen Konjunktur in Euroland zurückzuführen war. Nachdem - aller Voraussicht nach - ein Teil dieser positiven Effekte in den nächsten Jahren ausbleiben wird, ist davon auszugehen, dass die Performance von EUR Corporate Bonds auf die nächsten drei Jahre im Durchschnitt knapp 4% betragen wird.