Erstaunlich finden wir, wie schnell sich Thailand in den letzten fünf Jahren immer wieder von den diversen politischen Turbulenzen erholt hat. Und bei einem KGV von 9,5 für den Markt bleibt auch 2007 reichlich Spielraum für ein positives Ergebnis. Welcher Industriezweig stellt Ihres Erachtens derzeit die Weichen für die Dynamik am thailändischen Markt?
Kwek: Als exportorientierte Wirtschaft hängt Thailand in hohem Masse vom Verarbeitenden Gewerbe und von der Landwirtschaft* ab. Das Verarbeitende Gewerbe wird dominiert von Herstellern elektronischer Güter wie integrierte Schaltungen, Computer und Computerteile sowie elektrische Geräte. Aber auch die Textil- und Schuhindustrie spielen eine wichtige Rolle. In der Landwirtschaft sind vor allem Reis- und Zuckeranbau zu nennen. Zusammen steuern Verarbeitendes Gewerbe und Landwirtschaft fast 60 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Dienstleistung und Tourismus, letzterer mit 13,8 Mio. ausländischen Gästen im Jahr 2006, erzielten trotz der Tsunami-Katastrophe im Dezember 2004 einen kräftigen Wiederanstieg. Anhaltende politische Turbulenzen und die damit einhergehenden sozialen Unruhen wie die Bombenattentate im Süden Thailands sowie in Bangkok aber bedeuten immer wieder Rückschläge. Gelingt es nicht, ihnen einen Riegel vorzuschieben, könnte das Anleger und Touristen in diesem Jahr auf Abstand halten.
Im letzten Jahr verzeichnete der Markt gemessen am MSCI Thailand Index** ein Minus von 1,59 Prozent auf Basis der Landeswährung. Angeführt wurde der Rückgang von Telekommunikations- und zyklischen Konsumgüterwerten. Erstere litten unter zu starker Regulierung, letztere unter der rückläufigen Binnennachfrage.
Sollten die aktuellen Unsicherheiten mit Interimsregierung, Änderungen bezüglich des Bundeswirtschaftsgesetzes (Federal Business Act) usw. anhalten, können Anleger in diesem Jahr wohl kaum mit positiven Gewinnkorrekturen bei thailändischen Aktien rechnen. Eine verhaltene Marktperformance wäre die Folge.
Trotz der Maßnahme der Regierung, 30 Prozent des von ausländischen Anlegern am thailändischen Markt investierten Kapitals zinsfrei einzufrieren, wird 2007 mit weiterem Kapitalzustrom aus dem Ausland gerechnet. Hat sich diese Erwartung bislang erfüllt?
Kwek: Vergangenen Dezember erließ die Bank von Thailand (BoT) Kapitalkontrollen für ausländische Investoren mit dem Ziel, Spekulationen am Devisenmarkt Einhalt zu gebieten. Das löste eine heftige Verkaufswelle am thailändischen Aktienmarkt (SET) aus, in deren Verlauf die Börse an nur einem Tag um fast 15 Prozent abstürzte. In dem Versuch, das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen, ruderte die BoT in den Folgetagen zum Teil zurück, um privaten Investitionen nicht das Wasser abzugraben. Zur Verunsicherung beigetragen hat auch der am 28. Februar erfolgte Rücktritt des Finanzministers Pridiyathorn Devakula.
Auslöser waren unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten mit der Interimsregierung. Was zunächst wie ein Schock wirkte, wurde wegen Devakulas harter Haltung im Hinblick auf Kapitalkontrollen im weiteren Verlauf von Anlegern begrüßt. Noch am selben Tag kletterte der SET um fast 1 Prozent nach oben. Seit Jahresbeginn (bis Ende Februar 2007) jedenfalls fällt die Bilanz für den Handel ausländischer Anleger am thailändischen Aktienmarkt mit rund 28 Mrd. US$ (auf Baht-Basis) positiv aus. Offenbar setzen Investoren aus dem Ausland auch weiter auf eine positive Entwicklung der politischen Lage und der Gesamtwirtschaft Thailands.
Zu denken gibt auch die hohe Inflation. Hängt die vor allem mit den stark gestiegenen Rohstoffpreisen zusammen?
Kwek: Zum Teil ja. Im letzten Jahr wurde die Inflation durch die hohen Ölpreise angefacht, denn Thailand gehört zu den Nettoölimporteuren. Auch die hohen Lebensmittelpreise als Folge der Überschwemmungen hatten hieran Anteil. In der zweiten Jahreshälfte gaben die Ölpreise von ihrem Hoch bei 79 US$ je Barrel im Juli 2006 nach. Das sorgte für Entspannung bei den Preisen und ermöglichte es der Bank von Thailand, die Zinszügel zu lockern. Anlässlich der Sitzung des geldpolitischen Ausschusses (MPC) am 28. Februar senkte die Zentralbank ihren Leitzins um 25 Basispunkte auf 4,5 Prozent. Den Beschluss begründete sie mit Bedenken wegen des anhaltenden Rückgangs im Verbrauch und bei den Investitionen. Zudem machte die BoT deutlich, dass sie auch bei wieder zunehmendem Inflationsdruck an ihren Zinslockerungen festhalten will. Das würde den Abstand zu den Zinsen in den USA weiter vergrößern und damit der Aufwertung der Landeswährung einen Riegel vorschieben.
Welche Industriezweige haben derzeit die besten Wachstumsaussichten?
Kwek: Thailand hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte im Verarbeitenden Sektor erzielt. So hat man sich ein gutes Stück entlang der Wertschöpfungskette nach oben gearbeitet. Früher stellte man vor allem Textilien, Fußbekleidung, Möbel, Spielzeug und Plastikprodukte her. Heute kommen immer mehr hoch technisierte Produkte wie Festplattenlaufwerke, sonstige Computerteile und elektronische Geräte aus Thailand. Attraktiv sind aber auch die Autobranche sowie der medizinische Tourismus, die beide erhebliches Wachstumspotenzial beinhalten.
In den letzten Jahren haben sich Thailands Autobauer an die Spitze in der Region Asien-Pazifik gesetzt. Vorteilhafte Handelsabkommen wie das ASEAN- Freihandelsabkommen, AFTA, staatliche Förderung über Steuererleichterungen und die Entwicklung einer Reihe von unterschiedlichen lokalen Zulieferern sind nur einige der Gründe für den großen Erfolg Thailands auf diesem Gebiet. In den letzten zehn Jahren ist der Export thailändischer Autos und Autoteile von 6 Mrd.
Baht im Jahr 1996 auf 294 Mrd. Baht (7,7 Mrd. US$) im Jahr 2005 nach oben geschnellt (Quelle: CLSA). Diesen Trend haben sich diverse globale Autobauer zunutze gemacht. Neben Toyota, Honda, Mitsubishi und Isuzu haben auch Nissan und General Motors Standorte und Produktionsanlagen in Thailand eröffnet.
Zu den jüngeren Phänomenen gehört der medizinische Tourismus. Viele Patienten aus den USA und dem Nahen Osten nutzen die erstklassigen Gesundheitseinrichtungen im Land, deren Zahl ständig steigt. Sie bieten intensive und traditionell teure Behandlungsmethoden, speziell im Bereich Herzerkrankungen, plastische Chirurgie und Augenlaserbehandlung, zu konkurrenzlos günstigen Preisen. Ihren Marktanteil bauen sie stetig aus, denn sie stehen im Ruf, guten Service gepaart mit modernster Technologie zu extrem niedrigen Preisen zu bieten.
Wie schätzen Sie Thailands Position im Vergleich mit den übrigen ASEAN-Ländern ein?
Kwek: Im letzten Jahr wurde Thailands Wirtschaft durch diverse politische und wirtschaftliche Ereignisse ausgebremst,darunter hohe Ölpreise, Überschwemmungen, der Militärputsch, drakonische Kapitalkontrollen, die Änderung des Bundeswirtschaftsgesetzes, Bombenanschläge an Silvester usw. Das belastete die Performance am Markt und schürte die Verunsicherung der Anleger mit Blick auf Thailands Zukunft. Gleichwohl bleibt Thailand ein attraktives Ziel für ausländische Investoren. Dafür sorgen die reichlich vorhandenen natürlichen Ressourcen, gut ausgebildete Fachkräfte, ein wachstumsstarkes Verarbeitendes Gewerbe und der Boom im Tourismus. Auch Januar und Februar ist deshalb mehr Geld nach Thailand hinein- als hinausgeflossen.
Gelingt es Thailand, das Ruder herumzureißen, dann ist vielleicht schon in der zweiten Jahreshälfte 2007 eine Erholung der Wirtschaft möglich. Die für Oktober geplanten Wahlen sind jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung. Im Vergleich mit seinen Nachbarn aus der ASEAN-Region hat Thailand daher ganz klar Potenzial für positive Überraschungen. In diesem Jahr dürfte sich der Export erneut als Wachstumsmotor erweisen. Positive Impulse sind auch von der steigenden Binnennachfrage zu erwarten, stimuliert durch vorteilhafte haushaltspolitische Maßnahmen. Sicher gibt es auch Risiken wie eine mögliche globale Abschwächung oder wieder ansteigende Ölpreise. Mit nachlassender Inflation und beschleunigtem Wachstum scheint sich Thailand derzeit aber mit Blick auf 2007 an einem günstigen Punkt seiner konjunkturellen Entwicklung zu befinden.