Infolge der Erholung am brasilianischen Aktienmarkt bei zeitgleicher Talfahrt chinesischer Papiere ergab sich eine etwas höhere Marktkapitalisierung im Hinblick auf Aktien, die ausländischen Investoren in Brasilien zur Verfügung stehen.
Was sind die Gründe für die beachtliche Performance des brasilianischen Aktienmarktes?
Fragt man Anleger, welches die beiden größten Schwellenmärkte sind, nennen sie höchstwahrscheinlich China und Indien. China ist der zweitgrößte Schwellenmarkt, aber Indien nur der sechstgrößte. Auf Brasilien entfallen derzeit 15,11 Prozent des MSCI Emerging Markets Index, gefolgt von Korea, Russland und Indien.
In der Tabelle sind die acht größten Schwellenmärkte im MSCI Emerging Markets Index dargestellt, der weit verbreiteten Benchmark für die Wertentwicklung von Schwellenländertiteln. Der Anteil von Brasilien am Index, aber auch der von China und Russland, ist in den letzten drei Jahren gestiegen. Im Gegenzug sank der Anteil von Korea, Taiwan und vor allem Südafrika.
Dies ist größtenteils auf die Outperformance der BRIC-Aktienmärkte (Brasilien, Russland, Indien, China) im Vergleich zu reiferen Märkten zurückzuführen. Nach BIP pro Kopf dürften Korea und Taiwan durchaus als entwickelte Märkte gelten. Morgan Stanley Capital International passt den Index allerdings nicht entsprechend an, weil noch ungelöste Probleme zwischen diesen Ländern und Nordkorea bzw. China bestehen. Südafrikas Wirtschaft ist nach unserem Dafürhalten entwickelt, das Land selbst ist indes noch in der Entwicklung begriffen. Entsprechend haben viele südafrikanische Unternehmen ihre Primärnotierung an die London Stock Exchange verlegt. So notiert das Bergbauunternehmen Anglo American nicht nur an der Londoner Börse (Primärnotierung), sondern hat auch seinen Firmensitz (neben Johannesburg) dorthin verlegt.
Brasilien überholt China
Letzte Woche hat Brasilien China als größten Aktienmarkt im MSCI EM Index überholt. Seit die Emerging Markets Ende Oktober 2007 ihren Höchststand erreichten, ist der MSCI China Index auf US-Dollar-Basis um 29 Prozent gefallen. Im gleichen Zeitraum stieg der MSCI Brazil Index um 0,6 Prozent auf US-Dollar-Basis. Diese Outperformance beruht allerdings zum Teil auf Bewertungsunterschieden. So wurden brasilianische Aktien mit einem KGV von 13 bis 14, chinesische Papiere dagegen mit KGVs von 30 bis 40 gehandelt.
Hinzu kommt die insgesamt für Brasilien günstige Stimmung. Allgemein besteht der Eindruck, dass eine Rezession in den USA dem bedeutenden Rohstoff-Exporteur Brasilien nicht viel anhaben kann, da nur 15 Prozent aller Exporte des Landes in die USA gehen. Über die letzten vier Jahre hat der brasilianische Aktienmarkt den chinesischen auf US-Dollar-Basis um 280 Prozentpunkte übertroffen.
Was also sind die Folgen von Brasiliens Aufstieg an die Spitze des Index?
Bei den Anlegern wird sich mit Sicherheit das Interesse an brasilianischen Titeln mehren. Im Ergebnis dürfte frisches Kapital in den brasilianischen Aktienmarkt fließen. Gerade Investoren, die den MSCI GEM Index oder den GEM Index als Vergleichsmaßstab für die Performance ihrer Portfolios heranziehen, könnten Brasiliens höhere Gewichtung im Index zum Anlass nehmen, um sich stärker in Brasilien zu positionieren. Das würde wiederum die Kurse in die Höhe treiben.
Roberto Lampl, Senior Investment Manager des ING (L) Invest Latin America Fonds, setzt nach wie vor auf den brasilianischen Aktienmarkt. Was die brasilianischen Konjunkturaussichten betrifft, ist er inzwischen allerdings etwas vorsichtiger und hat die Übergewichtung brasilianischer Titel auf eine nur leichte Übergewichtung heruntergefahren. Damit trägt er den möglichen Folgen einer US-Rezession für die lateinamerikanischen Volkswirtschaften und Aktienkurse Rechnung. Unter Umständen ist hier mit Ertragseinbußen zu rechnen.
Entwicklung bleibt positiv
Auf längere Sicht schätzt Lampl die weitere Entwicklung Brasiliens allerdings sehr positiv ein und empfiehlt seinen Kunden, vorübergehende Kursschwächen als günstige Kaufgelegenheiten zu nutzen.
Im ING (L) Invest Emerging Markets Equity ist Brasilien momentan untergewichtet. Laut Jan Wim Derks, Leiter des Global Emerging Markets Teams, nahm der Fonds nach der hervorragenden Performance der CVRD-Aktie teilweise Gewinne mit und verlagerte sein Engagement auf Russland, Indonesien und Peru, wo Derks ein größeres Gewinnpotenzial sieht.