Alles nur eine Blase am Rohstoffmarkt?

Patrick den Besten, Fondsmanager des ING (L) Invest Materials gibt eine Einschätzung zur Auswirkung der US-Rezession auf die Rohstoffmärkte. Er geht der Frage nach, ob die Rohstoffmärkte derzeit durch Spekulationen von Finanzinvestoren gefährdet sind, oder die Kurse durch eine Verknappung nach oben gedrückt werden. Markets | 15.04.2008 16:45 Uhr
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1. Herr den Besten, wagemutigere Investoren versuchen, Gewinne mitzunehmen, indem sie auf Investmentthemen wie Rohstoffe oder Emerging Markets setzen. Gold- und Silberwerte, aber auch Erdölaktien und Industriemetalltitel entwickeln sich außerordentlich positiv. Meinen Sie, dass diese Rally anhalten wird? Einige Analysten sind der Ansicht, dass Spekulationen im Rohstoffbereich zu einer Art Blase führen werden. Halten Sie das für eine realistische Möglichkeit?

Den Besten: Unsere Einschätzung von Industriemetallwerten ist vor dem Hintergrund der Verstädterung und der Infrastrukturtrends u. a. in den BRIC-Ländern nach wie vor positiv. Im Vergleich zu vergangenen Perioden macht uns auch der mögliche Dominoeffekt einer US-Rezession für die globale Nachfrage nach Metallen weniger Sorgen. So wirkte sich die Rezession von 2001 kaum auf das chinesische Wirtschaftswachstum aus. Da Schwellenländer wie China sich seit Anfang 2000 zu wichtigen Nachfragetreibern entwickelt haben, sind ihre Wachstumsraten jetzt von weitaus größerer Bedeutung für die weltwirtschaftliche Entwicklung.

Infolge der rapiden Konjunkturentwicklung in den Schwellenländern, vor allem China, hat sich der Schwerpunkt der Nachfrage von den Regionen mit niedrigen Wachstumsraten zu den wachstumsstarken Regionen verlagert. Auf China entfällt ein weitaus größerer Anteil der globalen Nachfrage als auf die USA. Infolgedessen reagieren die Rohstoffmärkte jetzt weniger empfindlich auf einen Konjunktureinbruch in den USA und beweisen damit einmal mehr ihre defensivere Ausrichtung. Noch ist keine Veränderung bei den langfristigen Trends abzusehen, die das Wachstum in den Schwellenländern antreiben (Infrastruktur, Verstädterung usw.).

Überdies wurde aufgrund der anhaltend niedrigen Rohstoffpreise in den 1980er und 1990er Jahren nicht genug in die Produktionskapazitäten investiert. Zusammen mit diesen Versäumnissen hat der sagenhafte Aufstieg der BRIC-Volkswirtschaften seit 2000 dazu geführt, dass gestiegene Nachfrage auf knappes Angebot trifft.

2. Gibt es am globalen Rohstoffmarkt Hinweise auf die Bildung einer Blase?

Den Besten: Der Höhenflug einiger Rohstoffe und Rohstoffaktien mag an die IT-Blase erinnern. Nach unserem Dafürhalten ist der Sektor jedoch noch nicht überbewertet, da die Nachfrage von langfristigen Trends wie Verstädterung und Infrastrukturentwicklung angetrieben wird. Auf der Angebotsseite herrscht nach wie vor ein Mangel an Fachkräften, Förderausrüstungen und Infrastruktur (Häfen und Schienenverkehr). Weitere Negativfaktoren, mit denen der Sektor zu kämpfen hat, sind der mangelnde Erfolg beim Auffinden neuer abbaubarer Vorkommen sowie ein Nachlassen der Qualität bei den abgebauten Ressourcen. Auch deshalb kann das Angebot nicht kurzfristig angepasst werden.

Bewertungsmäßig ist der Rohstoffsektor in einer weitaus besseren Position, als dies im IT-Bereich in den 1990er Jahren der Fall war. Die Bilanzen sind gesund und die Cashflows kräftig, und im Gegensatz zum IT-Sektor, der seinerzeit von Neuemissionen geradezu überschwemmt wurde, kaufen Bergbauunternehmen Aktien zurück und erhöhen die Dividenden. Insbesondere im Rohstoffsektor kann man einen Geldstrom in Rohstofffonds sowie verstärkte Hedgefonds-Aktivität beobachten. Vergleicht man die Entwicklung von Rohstoffen, die im Bildschirmhandel vor allem von Finanzinvestoren gehandelt werden, mit auf dem Parkett gehandelten Rohstoffen wie Eisenerz und Kohle, so zeigt sich eine weitgehende Parallelität, wenn auch die Kurssteigerungen beim Parketthandel ausgeprägter waren.

Man kann also wirklich nicht von einer Blase sprechen. Alles deutet darauf hin, dass auf der Angebotsseite an den Rohstoffmärkten echte Knappheit herrscht. Es ist dieser Faktor, der die Kurse nach oben drückt, und nicht etwa die Spekulationen von Finanzinvestoren.

3. Wie wird der Markt sich Ihrer Meinung nach weiterentwickeln?

Den Besten: Wir sind äußerst optimistisch, was die langfristigen Perspektiven des Bergbausektors betrifft. Das macht sich auch bei der Positionierung unserer globalen Rohstofffonds bemerkbar, denn wir vertrauen darauf, dass die Verstädterungs- und Infrastrukturtrends weiter anhalten werden.

4.Welche Rohstoffe würden Sie übergewichten? Warum? Welche Rohstoffe würden Sie untergewichten? Warum?

Den Besten: Innerhalb unserer Fonds konzentrieren wir uns auf Bergbauaktien für Rohstoffe, bei denen China eine Netto-Short-Position aufweist und die in engem Zusammenhang zu den Verstädterungs- und Infrastrukturtrends stehen. Dabei behalten wir auch die Branchenstruktur und die Disziplin der einzelnen Akteure im Auge. Daraus ergibt sich unsere positive Haltung gegenüber Aktien in den Bereichen Kupfer, Eisenerz und Kohle. Obwohl Kupfer im Bildschirmhandel gehandelt wird und daher empfindlicher auf Veränderungen in der Marktstimmung reagiert, erscheint uns die Angebotssituation weiterhin sehr gespannt. Projekte werden aufgeschoben und die Bestände bewegen sich immer noch auf sehr niedrigem Niveau.

Auch Edelmetalle schätzen wir positiv ein, hier vor allem Platin. Der Platinpreis wird durch eine sehr konzentrierte Angebotsseite (vor allem Südafrika) gestützt. Angesichts der aktuellen Probleme Südafrikas im Energiebereich erwarten wir wiederholte Versorgungsengpässe. Die starke Nachfrage wird indes anhalten, angefeuert von einem Anstieg umweltfreundlicher Technologien wie Autokatalysatoren mit jährlichen Wachstumsraten von nahezu 10 Prozent. Beide Faktoren stützen den Platinpreis. Bei Nickel, Zink und Aluminium sind wir hingegen weniger optimistisch, da positive Faktoren auf der Angebotsseite weniger offensichtlich sind und die aktuellen Bestandshöhen wenig Impulse beisteuern.

5. Die globalen Aktienmärkte sind derzeit lustlos. Insgesamt bleibt man hier hinter den Trends zurück. Das Weltwirtschaftswachstum wird sich wahrscheinlich vor allem im Rohstoffbereich abspielen bzw. sich auf Rohstoff produzierende Länder wie Indien, China, Osteuropa, Brasilien, Argentinien und Mexiko stützen. Meinen Sie denn, dass diese Länder die Weltkonjunktur wirklich in Gang halten können?

Den Besten: Der Entkoppelung der Schwellenländervolkswirtschaften zu einem Zeitpunkt, an dem die USA kurz vor einer Rezession stehen (bzw. bereits in eine Rezession eingetreten sind), ist ein völlig neues Phänomen. Die aufstrebenden Industrieländer erfüllen heutzutage die wichtige Funktion eines Stabilisators im Weltwirtschaftsgefüge. Dank der hohen Rohstoffpreise konnten viele dieser Länder massive Handelsbilanzüberschüsse anhäufen. Diese Überschüsse können zur Konsolidierung ihrer eigenen Binnenwirtschaften eingesetzt werden (z. B. durch Infrastrukturausgaben), wenn die traditionellen Industrieländer in eine langsamere Gangart schalten.

Sollte die US-Rezession sich jedoch verschärfen bzw. in andere Regionen ausweiten (wobei Japan und Großbritannien die wahrscheinlichsten Kandidaten sind), wird sich zeigen, wie tragfähig der Entkoppelungstrend tatsächlich ist. Seit 2000 entfallen rund 90 Prozent der Zunahme des weltweiten Kupferverbrauchs allein auf China. China ist jetzt der größte Sojabohnenimporteur der Welt. Die weitere Entwicklung der Schwellenländeraktienmärkte und der stärker konjunkturabhängigen Sektoren bleibt also noch abzuwarten. Auf längere Sicht werden die neuen Industrieländer eine weitaus wichtigere Rolle auf der Weltwirtschaftsbühne spielen. Der deflationäre Effekt der Emerging Markets wird indes allmählich schwinden. Steigende Inputkosten (Löhne) und der Aufwärtsdruck auf die Rohstoffpreise könnten sich an den entwickelten Märkten als inflationstreibend bemerkbar machen.

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