"Ende des letzten Jahres vermuteten wir, dass die „Kreditkrise“, die im Sommer 2007 ihren Anfang genommen hatte, eine Phase des Übergangs darstellte, in der die Aktienmärkte in ein reiferes, mehrere Jahre andauerndes Stadium eintreten würden, das wir damals als die „Zeit der Reife“ betitelten. Wir waren davon überzeugt, dass Sorglosigkeit in diesem neuen Umfeld durch Umsicht ersetzt und Vernunft an die Stelle von Überschwänglichkeit treten würde und dass statt komplexer, undurchsichtiger Anlageklassen nunmehr solche bevorzugt würden, die sich durch Einfachheit und Transparenz auszeichnen und einen Strategievorteil bieten", so Patrick Mange, Leiter Anlagestrategie bei BNP Paribas AM.
2009: In welche Richtung tendieren die Märkte?
Mange weiter: "Aus diesem Grund war es logisch, mit einer höheren Volatilität an den Finanzmärkten zu rechnen (da dies das übliche Szenario ist, wenn Märkte derartige Veränderungen durchlaufen) und sich zur künftigen Entwicklung von Aktien, insbesondere wenn es sich um eine Prognose für ein ganzes Jahr handelt, zurückzuhalten. Die Ereignisse seit jenem Zeitpunkt entsprechen im Allgemeinen unseren Erwartungen, abgesehen davon, dass wir die Schwere und Dauer der Krise und aus diesem Grund auch die Konsequenzen für die Finanzmärkte und die Wirtschaft unterschätzt haben."
"Es versteht sich von selbst, dass es äußerst schwierig ist vorherzusagen, in welche Richtung sich die Märkte entwickeln werden. 2009 wird vermutlich kein Weg daran vorbeiführen, dass wir unsere Anlageempfehlungen häufig an neue qualitative und quantitative Daten anpassen müssen. Wir alle sind uns dessen bewusst, dass sich die Zusammensetzung eines Anlageportfolios ohne Weiteres innerhalb eines Jahres verändern kann. In den kommenden Monaten werden wir uns bei unseren Anlageempfehlungen jedoch weiterhin an den folgenden Annahmen und Szenarios orientieren", so Mange.
Noch ungelöschte Brandherde an den Finanzmärkten
Dank der enormen Anstrengungen, die von den Regierungen zahlreicher Länder und internationalen Institutionen zur Bekämpfung der Finanzmarktkrise auf unterschiedlichen Ebenen und unter Einsatz einer Vielzahl von Mitteln unternommen wurden, funktionieren die Kreditmärkte allmählich wieder normal und werden diese erste große Globalisierungskrise, die beinahe einen systemischen Zusammenbruch des globalen Finanzsystems verursacht hätte, gewiss überstehen. Doch auch wenn der Großteil der Brandherde an den Finanzmärkten mittlerweile unter Kontrolle ist, so sind sie noch nicht vollkommen gelöscht. Die zur Sanierung des Finanzsektors notwendige Versorgung mit frischem Kapital ist jedenfalls noch nicht vollkommen abgeschlossen, und die verbleibenden Risiken könnten die Kosten, die durch die Krise entstanden sind, weiter in die Höhe treiben.
Aus wirtschaftlicher Sicht haben die Brände an den Finanzmärkten leider bereits beträchtlichen Schaden angerichtet, da durch sie die Industrieländer und die ganze Welt in eine Rezession gerutscht ist. Sollten, wie zu vermuten steht, demnächst weitere Pläne zur Unterstützung und Stimulierung der Wirtschaftsaktivität umgesetzt werden, dann wäre die Rezession weniger heftig und von kürzerer Dauer. Sind die Brandherde erst einmal vollständig gelöscht, so wird es noch eine ganze Weile dauern, bis die überschüssige Liquidität wieder abnimmt, neue Schutzzonen in Form von Bilanzierungsvorschriften und Regulierungen eingerichtet werden und das Vertrauen der Verbraucher, Unternehmen und Anleger wieder hergestellt ist.
Mange: "Nach überstandener Rezession, womit unserer Meinung nach frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2009 zu rechnen ist, wird das Wachstum wieder sein langfristiges Potenzial erreichen, wenn auch nur schrittweise. Dies dürfte nicht wir vor Ende 2010 der Fall sein. Vor diesem Hintergrund rechnen wir zumindest für die nächsten Quartale mit einem weiteren Rückgang des Gewinnwachstums und anschließend mit einem allmählichen Wiederanstieg bis knapp unter die normale Wachstumstrendkurve, insbesondere in Zusammenhang mit einer strengeren Überwachung der Mittelverwendung und des Verschuldungsgrades, wenn „die Mutter aller Finanzkrisen seit dem Zweiten Weltkrieg“ erst einmal überwunden ist."
Wie Phönix aus der Asche...
Es wird nicht zur Aufgabe von Systemen der Freien Marktwirtschaft, sondern zu deren Verbesserung kommen. Das Modell der freien Marktwirtschaft, oder genauer gesagt das ordoliberale Modell, das auch der Verfasser dieses Textes vertritt, basiert in der Tat auf Regeln; Anarchie und Diktatur werden gleichermaßen verachtet. Es wird versucht, rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um einem Missbrauch durch den privaten Sektor sowie einer übertriebenen Einmischung seitens der Regierung vorzubeugen, zwei der Hauptursachen der aktuellen Finanzkrise. Das Modell toleriert ein bestimmtes Maß an Regulierung vor, jedoch keine Überregulierung. Diese Haltung teilen wohl momentan auch führende Regierungsbeamte.
Aus diesem Grund ist es äußerst wahrscheinlich, dass sich das Modell der freien Marktwirtschaft – das einzige Modell, das sich in der Realität behaupten konnte – wie der mythische Vogel Phönix aus der Asche erheben wird. Zu Beginn wird es zwar noch äußerst wackelig auf den Beinen sein und erst nach und nach an Stabilität gewinnen, letzten Endes wird es sich aber als ausgereifter, beständiger und stärker als je zuvor herausstellen, was sowohl für die Finanzmärkte als auch für die Anleger zweifellos eine bedeutende Verbesserung darstellen wird. Bis es soweit ist, d. h. wahrscheinlich nicht vor Mitte der zweiten Hälfte des kommenden Jahres, verfügen Aktien und risikoreiche Anlageklassen im Allgemeinen bestenfalls über ein eingeschränktes Aufwärtspotenzial, wohingegen sichere Anlagen bereits jetzt sehr schwache Gewinnaussichten besitzen.
Das gesamte Editorial von Patrick Mange, Leiter Anlagestrategie bei BNP Paribas AM, entnehmen Sie bitte dem PDF - zum Download im Info-Center.