Keith Wade, Chefvolkswirt bei Schroders: "Wir halten den Zustand des Bankensystems nach wie vor für die dringlichste Gefahr. Ja, wir sind sogar überzeugt, dass Zeichen für Stabilität im Finanzbereich die Vorbedingung für wirtschaftliche Erholung sind. Erst wenn die Banken in der Lage sind, die Krediteinschränkungen zu lockern, werden sich die Maßnahmen der Zentralbanken und Regierungen rund um die Welt in Form von verstärkter Darlehens- und Kredittätigkeit auszahlen."
Weitere staatliche Eingriffe erforderlich
Insgesamt haben die Abschreibungen bisher die Summe von 1,2 Billionen US-Dollar erreicht. Hingegen wurde gerade einmal etwas über 1 Billion US-Dollar Kapital aufgebracht. Was noch mehr beunruhigt: Nach den letzten Schätzungen des IWF (Internationaler Währungsfonds) und der Bank of England werden sich die Abschreibungen letztendlich auf 3 Billionen US-Dollar belaufen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass angesichts dieses Ausmaßes weitere staatliche Eingriffe erforderlich sind – 2 Billionen US-Dollar an schlechten Nachrichten stehen uns also noch bevor …
Viel hängt davon ab, ob es der US-Regierung gelingt, die Banken zu rekapitalisieren. Belastungsprüfungen sollen in den kommenden Wochen durchgeführt werden, um die erforderliche Kapitalsumme zu ermitteln. Und in den darauffolgenden sechs Monaten werden die Banken dann versuchen, privates Kapital aufzubringen. "Wir halten einen durchschlagenden Erfolg dieser Vorgehensweise für wenig wahrscheinlich. Sie wird die Regierung zu schwierigen Entscheidungen zwingen in Bezug darauf, wie viel der Steuerzahler beizutragen hat und wer sich für die Hilfe qualifiziert. Die eine oder andere Form der Verstaatlichung ist unserer Ansicht nach das wahrscheinlichste Ergebnis", so Wade.
Wachsames Auge auf Europa
Wade: "Wir werden auch Europa wachsam beobachten. Hier hat Großbritannien mit seinen Maßnahmen, die Bilanzen der RBS und von Lloyds von giftigen Wertpapieren zu befreien, in gewisser Hinsicht die Nase vorn. Und wir halten Ausschau nach Beweisen dafür, dass auch die Banken auf dem europäischen Festland dieses Problem in ihren Bankensystemen angehen. Auch wenn Verbesserungen der Lage in Mittel- und Osteuropa mit Blick auf eine mögliche Erholung sicherlich hilfreich wären, sind wir nicht unbedingt von einer Erholung der weltweiten Märkte auf breiterer Ebene überzeugt."
"Es wird dauern, bis sich Beweise für eine Stabilisierung des Finanzsektors einstellen. Bis dahin konzentrieren wir uns weiter auf die Kreditzahlen für den Privathaushalts- und Unternehmensbereich sowie auf die Umfragen der US-amerikanischen, europäischen und britischen Notenbanken zu den Kreditvergabepraktiken der Banken", so Wade.
Zeichen der Erholung
Zeichen für eine Lockerung der Kreditbedingungen und ein Anziehen der Kreditvergabe dürften der wirtschaftlichen Erholung drei bis vier Monate vorausgehen und sich in verstärktem Privatkonsum, einem Anstieg der Auftragszahlen und einer Steigerung der Industrieproduktion niederschlagen. Zur Beobachtung der beiden letzteren Faktoren sind die Einkaufsmanagerindizes hilfreich. Auch die Industriegüterpreise dürften positiv auf steigende Auftragszahlen reagieren und signalisieren, dass die Unternehmen ihre unerwünschten Bestandsüberschüsse, die infolge des Nachfragerückgangs entstanden sind, losgeworden sind.
Wichtig sind natürlich auch Anzeichen dafür, dass sich der US-Immobilienmarkt seiner Talsohle nähert. Wade abschließend: "Wir rechnen jedoch damit, dass die Immobilienpreise auch nach der wirtschaftlichen Erholung weiter nach unten gehen. Da Preise dazu neigen, unter ihr langfristiges Gleichgewicht zu fallen, könnte sich diese Talfahrt auch bei einsetzender Verbesserung der Lage noch weiter fortsetzen. In diesem Bereich dienen uns stattdessen neue Bauprojekte und Verkäufe als Indikator für eine Verbesserung."