„Welche Form der Haushaltskonsolidierung sollen wir wählen? Diese Frage stellten sich bereits die Franzosen vor der Wahl Hollande’s, diese Frage beschäftigt die Griechen aktuell und diese Frage wird sich auch in Italien, wo 2013 die nächsten Wahlen anstehen, stellen müssen. Die Märkte haben sich aber bisher kaum damit beschäftigt“, erklärt William De Vijlder, CIO für Strategie und Partnerschaften bei BNP Paribas IP und Professor an der Universität in Gent.
Die 10 Gebote des IMF
Der BNP Paribas IP Experte verweist auf die 2010 publizierten Gebote des IMF. Diese besagen:
1. Du sollst eine glaubwürdige mittelfristige Finanzplanung haben - mit einem transparenten Konsolidierungsplan oder einem auf vier bis fünf Jahre angelegten Konsolidierungsplan, das für Berechenbarkeit sorgt.
Während De Vijlder hier vor allem die Betonung auf „glaubwürdig und mittelfristig“ legt, sieht er einen wichtigen Aspekt darin, den Konsolidierungsplan „langsam“ und „schrittweise“ umzusetzen, so wie es das zweite IMF Gebot aussagt:
2. Du sollst es mit der Konsolidierung zu Beginn nicht übertreiben, es sei denn, die Finanzierungslücke zwingt dich dazu.
„Europa geht nach diesem schrittweisen Plan vor und versucht ein drastisches Sparprogramm zu umgehen, denn dies könnte die Konjunkturerholung gefährden. Wichtig ist es, dass eine politische Zustimmung zu den späteren Konsolidierungsmaßnahmen sofort eingeholt wird, denn dies erhöht die Glaubwürdigkeit von Sparmaßnahmen enorm“, erklärt De Vijlder.
OECD-Doktrin
„Die OECD hat vergleichbare Doktrinen wie das IMF entworfen um Konsolidierung zu erreichen. Warum ist diese so wichtig? Wenn wir die Haushaltskonsolidierung zu aggressiv angehen, ist die Gefahr groß, dass die Wirtschaft in eine Rezession schlittert und das würde jede Anstrengung neutralisieren“, gibt der BNPP IP Experte zu denken. „Das ist genau was wir in Griechenland gesehen haben und was wir auch in Spanien noch sehen werden.“
De Vijlder zeigt anhand von drei großen Volkswirtschaften auf welche Formen von Maßnahmen bereits getroffen wurden und welche Konsequenzen diese mit sich brachten:
Beispiel Japan
Obwohl Japan eine Gesamtverschuldung von über 200 Prozent seines BIP aufweist, sehe man keinerlei Disziplin am Markt. Innovative geldpolitische Maßnahmen, Leistungsbilanz-Überschüsse, eine de facto strukturelle Deflation und die Alterung der Bevölkerung würden trotz steigender Schulden für niedrige Anleihenrenditen sorgen.
Beispiel USA
Trotz eines hohen Haushaltsdefizits sehe man keinerlei Beschränkungen in den USA. Warum? Die sehr niedrigen Anleihenrenditen zeigen, was innovative geldpolitische Maßnahmen, Risikoaversion und der Wunsch der Anleger nach sicheren Häfen bewirken können. Weiters zeige sich ein zwar langsames aber stetiges Wachstum des US Marktes.
Beispiel Großbritannien
In Großbritannien haben Austeritätsprogramme und Quantitative Easing zu fallenden Renditen trotz hoher Defizite, steigender Schulden und einer schwachen Währung geführt. „Die Wirtschaft geht praktisch ins Nichts. Man erkennt ein starkes „Gürtel enger schnallen“ und eine aggressive Geldpolitik“, bringt es der Experte auf den Punkt.
Perspektiven für den Euro-Raum
Für De Vijlder hat die Krise in Europa drei Gesichter: „Arbeitslosigkeit“, „unsolide Staatsfinanzen“ und „Leistungsbilanzdefizite“. Weiters identifiziert er drei Aspekte: „Glaubwürdigkeit“, „Umsetzung“ und „Entschlossenheit“. Alle drei Punkte in diesen beiden Zyklen würden einander bedingen. Ist die Entschlossenheit nicht stark genug, dann leidet die Glaubwürdigkeit und die Umsetzung kann nicht funktionieren. Es müssen Taten folgen, die die Entschlossenheit zeigen, damit die Glaubwürdigkeit wieder aufrecht erhalten werden kann und die Umsetzung beginnen kann.
Mögliche Maßnahmen
Als mögliche politische Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaftsräume nennt der BNPP IP Experte einen dritten Dreijahrestender (LTRO 3), der vor allem wieder Liquidität in die Märkte bringen würde. Weiters wären Zinssenkungen, zusätzliche Sekundärmarktgeschäfte der EZB oder Rekapitalisierungen der Banken mit EFSF und ESM Mittel denkbar. Nicht zu vergessen sei bei all diesen Möglichkeiten, wie eben auch einer europäischen Bankenaufsicht oder Emission von Eurobonds, dass diese Umsetzung sehr viel Zeit beanspruchen würde. Dabei stellt sich vor allem für De Vijlder die Frage „wer wird die Disziplin forcieren?“. Seiner Meinung nach müssen Garantien abgegeben werden und dies bedeutet in jedem Fall, dass die involvierten Länder ihre Souveränität aufgeben müssten.
„Wir müssen darauf achten, dass wir uns nicht in einem Wettrennen gegen die Zeit verlieren“, so William De Vijlder. Das globale Bild würde nach wie vor mit dunklen Wolken verhangen sein - so wäre eine harte Landung China’s noch nicht ausgeschlossen, das Wachstum in den USA wäre zu langsam und die Bank of England würde ein weiteres Quantitative Easing benötigen.
Asset-Allokation
Derzeit untergewichtet De Vijlder Aktien und bevorzugt Emerging Market Aktien. Es gibt eine neutrale Gewichtung im Anleihenbereich trotz niedriger Renditen der sogenannten ‚sicheren Häfen‘. „Wir bleiben vorsichtig aufgrund der globalen Verlangsamung“, so De Vijder.
Absolut gesehen seien Aktien weder teuer noch billig, im Vergleich zu Renten seien sie aber aufgrund der Risikoaversion billig. Die Gewinnmargen wären sehr hoch. „Die Kapitalmarktrenditen sind unserer Ansicht nach zurzeit niedrig. Umso sinnvoller ist es, nach höher rentierlichen Papieren Ausschau zu halten und Verlustrisiken zu begrenzen“, so der BNPP IP Experte. Er favorisiert vor allem das Alphapotenzial aktiver Strategien.