e-fundresearch: Herr Bosomworth, wie schätzen Sie die aktuelle Lage in Europa ein?
Andrew Bosomworth: Wir leben heute in einer Phase von Stabilität. Genauer genommen handelt es sich um eine Phase erkaufter Stabilität – und zwar von der EZB.
e-fundresearch: Wie wird es Ihrer Meinung nach weitergehen?
Andrew Bosomworth: Vor allem eine Frage muss unausweichlich beantwortet werden: Kann sich die Währungsunion auf Dauer ohne zentrale Fiskalpolitik halten? Ich bin der Meinung, dass das nicht geht. Dazu sind die EU-Mitgliedsstaaten einfach zu wenig homogen.
e-fundresearch: Welche Alternativen gibt es?
Andrew Bosomworth: Ich glaube, dass wir auf eine Wegkreuzung zusteuern, bei der es in eine Richtung in eine kleinere, weniger aufwendige Währungsunion geht, in die andere zu einer politischen Union.
e-fundresearch: Für welchen Weg würden Sie sich entscheiden?
Andrew Bosomworth: Ich persönlich bin für eine politische Union. Das wäre für alle Beteiligten das Beste.
e-fundresearch: Leicht wird das allerdings nicht.
Andrew Bosomworth: Das Stimmt. Voraussetzungen für eine politische Union sind Vertragsänderungen und Volksabstimmungen, was natürlich ein riskanter, am Ende aber notwendiger Weg ist. Ich bin jedenfalls optimistisch, dass das zu schaffen ist. Europa hat so viel politisches Kapital in den Einigungsprozess investiert, dass es schade und unverantwortlich wäre nicht weiterzumachen.
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e-fundresearch: Die EU-Skepsis hat zuletzt vor allem unter kleineren Unternehmen zugenommen. Worauf führen Sie diese Entwicklung zurück?
Andrew Bosomworth: Es ist tatsächlich interessant, dass etwa familiengeführte und kleinere Unternehmen in Deutschland eine andere Meinung zur Europapolitik haben als große DAX-Konzerne, die sehr pro-europäisch eingestellt sind. Diese Diskrepanz liegt vermutlich am Agency-Problem. In Großunternehmen sind die Führungskräfte in der Regel Angestellte. Kleinere Unternehmen sind oft seit Generationen im Besitz einer Familie. Da ihre Existenz davon abhängt, haben Sie auch einen langfristigen Blick.
e-fundresearch: Was wird also passieren?
Andrew Bosomworth: Die Euro-Skepsis wird in einer demokratischen Gesellschaft die Politik zunehmend beeinflussen. Ich halte es allerdings für wahrscheinlich, dass am Ende des Tages ein Konsens gefunden wird.
e-fundresearch: Anderes Thema: Welche Anlagestrategie empfehlen Sie im aktuellen Umfeld?
Andrew Bosomworth: Ich habe vor allem eine zentrale Botschaft: Anleger müssen in Zukunft ihre Renditeerwartungen herunterschrauben – und zwar in allen Assetklassen. Das ist auf das – über mehrere Zyklen hinaus – zu erwartende nominelle Wirtschaftswachstum zurückzuführen. Auf lange Sicht sind die Renditen immer noch an das Wirtschaftswachstum gekoppelt.
e-fundresearch: Heißt das, dass man jetzt besonders vorsichtig sein sollte?
Andrew Bosomworth: Ja, da sich die Kurse, getrieben von der hyperaktiven Geldpolitik, vom nominellen Wirtschaftswachstum abgekoppelt haben. Seit Ende 2008 sind globale Anleihen und Aktien um +40 % gestiegen, das globale BIP allerdings nur um +20 %. Wir erleben wahrlich ein Paradoxon: In den Industrienationen befinden sich die Zinsen im Keller, die Aktienkurse hingegen im Himmel.
e-fundresearch: Abgesehen von geringeren Renditeerwartungen, wie sollen Anleger in Zukunft vorgehen?
Andrew Bosomworth: Mehr denn je, ist es wichtig langfristig zu denken. Gleichzeitig sollten sie genau auf die Kosten schauen. Denn diese drücken zunehmend auf die Gesamtrendite. Weiters sollte man sich mit der Benchmark und den Anlagerichtlinien eines Produkts auseinandersetzen. Gefragt sind flexible Anlagerichtlininen, die mitunter auch Benchmarks völlig weglassen.
e-fundresearch: Benchmarks völlig weglassen?
Andrew Bosomworth: Man sollte sich jedenfalls nicht an eine Benchmark koppeln, die sich in der Vergangenheit gut behauptet hat, in der Gegenwart aber nicht die Beste ist, wie es bei globalen oft der Fall ist. Gerade im Anleihenbereich führt nämlich die Gewichtung nach Marktkapitalisierung oft dazu, dass wachstumsschwache, hochverschuldete Staaten eine höhere Gewichtung erfahren als aufstrebende Länder mit besserer Verschuldungsdynamik und insgesamt weniger Verschuldung.
e-fundresearch: Welche Assetklassen haben Sie auf der Rechnung?
Andrew Bosomworth: Wenn man langfristig denkt, wird Realvermögen eine größere Rolle spielen. Nachdem wir in den letzten 40 Jahren eine Deinflationspolitik erlebt haben, steigt jetzt nämlich wieder das langfristige Inflationsrisiko. Konkret meine ich damit sowohl finanzielles, wie inflationsgeschützte Anleihen und Finanzkontrakte auf Rohstoffe, als auch physisches Realvermögen, wie Immobilien und Rohstoffe.
e-fundresearch: Was erwarten Sie im Aktienbereich?
Andrew Bosomworth: Historisch betrachtet, werden Aktien mit einer Prämie von 4 % gegenüber Bonds gehandelt. Das sollte auch in Zukunft so bleiben. Anleger sollten sich allerdings auf Unternehmen mit einem globalen Geschäftsmodell konzentrieren, die vor allem in den Emerging Markets präsent sind. Wichtige Kriterien sind darüber hinaus eine geringe Verschuldung und hohe Dividendenausschüttungen. Diese Unternehmen sollten sich über den Zyklus hinaus gut behaupten.
e-fundresearch: Vielen Dank!