Die bereits siebte I-CV-Bankenstudie (Veröffentlichung im Juni 2013), bei der wir die Bonität internationaler Banken einer umfassenden Analyse inklusive Stresstest unterzogen, gibt wieder interessante Einblicke in die aktuellen Finanzprofile von weltweit 66 Banken. Die Kreditqualität der einzelnen Institute wird durch das im Markt als unabhängige Zweitmeinung bewährte I-CV Rating ausgedrückt.
Zur Beurteilung der Kreditqualität von Banken wenden wir ein selbst entwickeltes Vier-Phasen-Modell an. Die erste Phase besteht aus der Fundamentalanalyse, die über 30 verschiedene Bewertungsfaktoren umfasst. Im Anschluss unterziehen wir die Bankbilanzen einem Stresstest, der diesen Namen verdient hat, und untersuchen sie nach möglichen Auswirkungen von regulatorischen Eingriffen. In einer dritten Phase werden die Ergebnisse aus der Fundamentalanalyse und dem Stresstest zu einem Stand-alone-Rating konsolidiert. Und in der letzten Phase setzen wir die Resultate in selektive Relative Value-Vorschläge für unsere Kunden um.
Ratingtrend weist leicht nach oben
Das Ergebnis der umfangreichen Untersuchungen weist in der Breite bei I-CV einen leicht nach oben tendierenden Ratingtrend auf. Diese Entwicklung ist primär getrieben durch die bessere Bonität bei US-Banken sowie bei europäischen Banken in AAA-Staaten (Norwegen, Schweden und die Schweiz zum Beispiel). Doch darf dieser Durchschnittswert keinesfalls darüber hinwegtäuschen, dass sich vor allem in Europa und in den Emerging Markets ein heterogenes Bild präsentiert. Generell öffnet sich die Schere zwischen bonitätsstarken und -schwachen Banken weiter und zwischen den einzelnen Banken bestehen unverändert markante Unterschiede. Dabei bleibt der europäische Kontinent das Sorgenkind aus Bonitätssicht.
Neben dem wirtschaftlichen Umfeld sind es vor allem die Ausweitung der Bilanzen, die Höhe und Qualität des Eigenkapitals sowie die geplanten Regeln zum „Bail-In“ bisher erstrangiger Gläubiger, die die künftige Kreditwürdigkeit der Banken maßgeblich beeinflussen. Diese vier Brennpunkte stellen für uns die akuten Risikoherde in der Bankenlandschaft dar. So hat sich beispielsweise die 'too big to fail' Problematik seit Ausbruch der Krise aufgrund der großzügigen Refinanzierung durch die Zentralbanken eher noch verschärft. Die strukturelle Nachrangigkeit der ungesicherten Gläubiger nimmt somit schleichend zu, während die notwendige Strukturbereinigung im europäischen Bankensystem weiter aufgeschoben wird. Die Eigenkapitalratios haben auf Druck des Regulators (Basel III) zwar deutlich zugenommen. Doch betrachtet man die zugrundeliegende Qualität des Eigenkapitals, weisen viele Institute substanzielle Schwächen auf.
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Hoher Kapitalbedarf in Europa
Auf Basis differenzierter Analysen und Stresstests schätzen wir für die untersuchten Banken den kumulativen Bedarf an frischem Kapital auf 1‘028 Milliarden Euro. Der Löwenanteil entfällt auf Europa mit 776 Milliarden Euro, gefolgt von den BRIC-Staaten und der Türkei mit 303 Milliarden Euro und Australien mit 22 Milliarden Euro. Nordamerika und der Nahe Osten sowie Singapur und die AAA-Staaten Europas zeigen sich in guter Verfassung und haben keinen zusätzlichen Bedarf. Zu den Gewinnern unserer Bankenstudie zählen mit dem Rating AA- die Svenska Handelsbank und die Royal Bank of Canada, während die Bank of Ireland mit BB und die spanische Banco Popular mit BB- die niedrigsten Einstufungen aufweisen.
Banken mit Kapitalüberschüssen verfügen über eine gute Ausgangslage, dank ihrer soliden Bonität und Solvabilität im Wettbewerb um Kunden und Märkte dauerhaft Vorteile zu gewinnen und externe Schocks besser zu verkraften. Zudem sind sie in der Lage, strengere aufsichtsrechtliche Anforderungen wie etwa Basel III leichter zu implementieren. Dagegen steht den Verlierern aufgrund ihrer schwachen Kapitalbasis unter Umständen eine Erosion der Kundenbasis ins Haus. Weiter besteht gerade für die unbesicherten Gläubiger das latente Risiko einer (Teil-) Verstaatlichung oder einer Restrukturierung der Schulden – die Stichworte lauten Haircut oder Bail-in. Hinzu kommen eine Verwässerung der Altaktionäre durch den hohen Kapitalbedarf und Schwierigkeiten bei der Erfüllung der regulatorischen Vorgaben.
Fazit für Industrienationen und Schwellenländer
Aus fundamentaler Sicht sind die Banken in den Schwellenländern weiterhin in einem guten Zustand. Es zeigen sich jedoch bereits erste Anzeichen, dass der Gipfel überschritten wurde. Die Gefahren in Form von Überhitzungstendenzen und Blasen sind im Vormarsch. Brasilien zeigt erste Anzeichen einer solchen Überhitzung, während die Situation in der Türkei noch weniger fortgeschritten ist. Das Fazit bezüglich der Industrienationen lautet: Durch entschlossene Eingriffe wurde das System in den USA rehabilitiert. Die aktuelle Politik seitens der EZB führt unseres Erachtens jedoch nicht zu einer Gesundung, sondern in eine höhere Abhängigkeit vieler Banken. Ebenso hat die Interdependenz zwischen den Staaten und Banken durch die hohen Bestände an Staatsanleihen und -krediten deutlich zugenommen.
Die angestrebte europäische Bankenunion macht nur langsam Fortschritte und birgt erhebliche regulatorische Risiken für Banken und Bondinvestoren. Aktionäre und Gläubiger werden in neuen Rettungs-Paradigmen die Hauptlast der Sanierung überschuldeter Banken und Staaten tragen müssen. "Bail-in Risiko bei Banken und Umschuldungsmaßnahmen von Staaten sind die neue Realität für Bondinvestoren – sie erzwingt eine grundlegende Revision der Bonität dieser Gläubiger und verlangt angesichts struktureller Nachrangigkeit nach einer besseren Risikoanalyse und deutlich höheren Risikoprämien. Eine nachhaltige Verbesserung des Bankensystems kann nur durch eine Reduktion der Interdependenzen zwischen Banken und Staaten erfolgen.
Christian Fischer ist seit 2009 Partner der Independent Credit View AG (I-CV). Der ausgewiesene Betriebsökonom hat im Jahre 2008 das MAS Corporate Finance erfolgreich abgeschlossen und ist Hauptautor der Bankenstudie. I-CV berät seit zehn Jahren institutionelle Investoren bei Anlagen in Kreditinstrumente und dies konsequent nach dem Investor-Pay Ansatz. Die Analysen der Experten mündet in einem I-CV Rating und einer Relative Value Empfehlung.