e-fundresearch.com: Wie beurteilen Sie die Entwicklung der honorarbasierten Finanz- und Anlageberatung in Österreich vor dem Hintergrund der teilweise in Europa geltenden Provisionsverbote. Welche zukünftigen Trends erwarten Sie in Europa?
Professor Lucius: Grundsätzlich ist die honorarbasierte Finanzberatung der Idealfall. Denn sie garantiert die weitestgehend interessenkonfliktfreie Beratung von Kunden. Allerdings muss man zwei Aspekte im Auge behalten: 1) Selbst Kunden, die sich ein Honorar leisten können, wollen freiwillig keines zahlen. 2) Der Großteil der Bevölkerung kann sich Honorare nicht leisten, wäre damit also von jeder Beratung ausgeschlossen. Daher werden wir noch länger mit der provisionsbasierten Beratung leben.
e-fundresearch.com: Der Anleger und die höchstmögliche Qualität in der Finanzberatung steht im Mittelpunkt aller regulatorischen Entwicklungen. Welche Faktoren sind aus Ihrer Sicht für die Sicherstellung eines hohen Qualitätsstandards entscheidend und wie kann die Einhaltung dieser Standards am effizientesten kontrolliert werden?
Professor Lucius: Zum einen eine umfassende und qualitativ hochstehende Ausbildung, verbunden mit verpflichtender Weiterbildung, zum anderen zusätzliche ethische Verpflichtungen, deren Verletzung Sanktionen vorsieht, die bis zu einem Berufsverbot reichen können. Die Überwachung auch noch einer Aufsicht aufzubürden, hieße die Aufsicht überfrachten. Daher sind selbstregulierende Berufsverbände mit Schiedsgericht das geeignete Forum (etwa der Österreichische Verband Financial Planners).
e-fundresearch.com: Ist die provisionsgestützte Finanz- und Anlageberatung in Deutschland und Österreich ein Auslaufmodell oder gibt es Bereiche, wo diese längerfristig ein sinnvolles Modell darstellt?
Professor Lucius: Seit kurzem gibt es eine politische Einigung, dass MiFID II kein generelles Provisionsverbot bringen wird. Es steht den Mitgliedstaaten allerdings frei, strenger als MiFID II zu sein. Noch einmal: Ich sehe die Provisionsberatung in den nächsten Jahren nicht als Auslaufmodell. Allerdings muss eines absolut sichergestellt sein: Der Kunde muss immer - auch bei Versicherungsprodukten - über die genaue Höhe der Provisionszahlungen informiert werden. Wüssten Kunden, dass sie bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung mindestens zwei Jahresprämien verlieren, dass also um diesen Betrag weniger investiert wird, würden viele sehr unruhig werden. Dagegen sind die (viel gescholtenen) Ausgabeaufschläge der Fonds eine Kleinigkeit.
e-fundresearch.com: In einzelnen Ländern in Europa – beispielsweise Italien – wird von Marktteilnehmern aus der Asset Management Industrie zumeist nicht davon ausgegangen, dass Provisionsverbote umsetzbar wären. Wie bewerten Sie solche möglichen Entwicklungen vor dem Hintergrund eines fairen und harmonisierten Wettbewerbsumfeldes in Europa?
Professor Lucius: Noch einmal: Wenn Beratung zwar kostenlos, aber qualitativ hochwertig erfolgt, und keine Interessenkonflikte im Spiel sind, ist gegen Provisionszahlungen bei voller Offenlegung nichts einzuwenden. Man sollte doch auch beim britischen Modell genau hinsehen. Dort sind ja Provisionen nicht generell verboten - jeder restricted adviser darf heute noch Provisionen verlangen. Nur der sog. independent adviser, der also mehr als drei Produktanbieter serviciert, muss auf Honorarbasis beraten. Niemand hat mir bis heute erklären können, wo hier der Kundenvorteil liegt, und wieso das keine Wettbewerbsverzerrung darstellt.
e-fundresearch.com: Welche Erfahrungen und Erkenntnisse gibt es im Bereich der honorarbasierten Finanz-und Anlageberatung in Österreich – speziell im Bereich Investmentfonds?
Professor Lucius: Offen gestanden fast keine. Der Grund ist, dass provisionsfreie Produkte auf breiter Basis fehlen.
e-fundresearch.com: Welche Schritte sind aus Ihrer Sicht von regulatorischer Seite in Österreich zu setzen um bestmögliche Qualität in der Kundenberatung bieten zu können?
Professor Lucius: Die MiFID II sieht vor, dass Mitgliedstaaten festschreiben, welche Kenntnisse und Kompetenzen Berater in Hinkunft aufweisen müssen. Und da die europäische Kaiptalmarktaufsichtsbehörde dazu Guidelines herausgeben soll, werden diese auch von der FMA befolgt werden. Am einfachsten wäre es, ein weltweit bewährtes System wie das des CFP® zu übernehmen - das funktioniert in 24 Ländern mit mehr als 153.000 CFP-Zertifikatsträgern. Die Aufsicht muss dieses Modell nur anerkennen.
e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch!
Über den Experten
Prof.(FH) Mag. Otto Lucius, CFP®, EFA®, Vorstandsvorsitzender, Österreichischer Verband Financial Planners. Weitere Informationen finden Sie unter www.cfp.at