US-Präsident George W. Bush drängt auf eine schnelle Entscheidung. Die Türkei soll der Stationierung von 80000 Soldaten und der Nutzung der Flughäfen durch US-Kampfbomber zustimmen. Bush braucht das Land am Bosporus als Aufmarschgebiet gegen den Irak. Doch Tayyap Erdogan, der neue starke Mann der Türkei, zögert mit seiner Zusage. Verständlicherweise.
Irak-Krieg stößt bei Türken auf Widerstand
Erdogan fürchtet um die wirtschaftliche Erholung des Landes. Schon der erste Golfkrieg gegen den Nachbarn Irak brachte der Türkei einen Schaden von 20 Milliarden Dollar wegen ausgefallener Öllieferungen. Zudem ist der Widerstand in der Bevölkerung gegen den Krieg groß. Ein Ja könnte das Land einer innenpolitischen Zerreißprobe aussetzen – mit all den negativen Folgen für die Konjunktur.
Die Partnerschaft der Türkei mit den USA ist aber wichtig
Aber: Die türkische Regierung darf es sich auch nicht leisten, die Amerikaner zu verprellen. Der Einfluss der USA auf den Internationalen Währungsfonds (IWF) ist groß. Erdogans Sorge: Bei einem Veto Ankaras behindert Washington die aktuellen Gespräche der Türkei mit dem IWF. Verhandelt wird ein 16-Milliarden-Dollar-Kreditprogramm. Auf das Geld kann Erdogan schwerlich verzichten. Die Mittel werden nicht nur für den Umbau der Wirtschaft dringend benötigt. Sie erleichtern auch die Kreditmöglichkeiten bei privaten Banken.
Der Irak-Konflikt belastet Türkei-Fonds
Der näher rückende Irak- Krieg und das Entscheidungsdilemma der türkischen Regierung belasten den Aktienmarkt erheblich. Der ISE 100, Leitindex der Istanbuler Börse, büßte in den vergangenen vier Wochen mehr als 25 Prozent ein. Entsprechend verloren auch die beiden reinrassigen Türkei-Fonds, der Türkei 75 Plus und der ESPA Stock Istanbul.
Langfristig zählen die Fundamentaldaten
"Die weitere Entwicklung der türkischen Börse hängt von der Dauer und dem Ausgang des Krieges ab", sagt Markus Ross von der Vermögensverwaltung Ceros, die den Türkei 75 Plus berät. "Erreichen die USA ihre Ziele schnell und bleibt der Mittlere Osten dabei politisch stabil, werden sich die Investoren wieder an den Fundamentaldaten der türkischen Volkswirtschaft orientieren."
Die türkische Wirtschaft wächst um fünf Prozent
Und die sind glänzend. Ökonomen rechneten schon für 2002 mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von fünf Prozent. In derselben Größenordnung dürfte die Konjunktur auch in diesem Jahr wachsen. Zum Vergleich: 2001 war sie noch um zehn Prozent geschrumpft. Erleichterung auch an der Inflationsfront. Die Rate sank von 80 Prozent im Jahr 2001 auf aktuell 35 Prozent. Tendenz weiter fallend.
"Der türkische Aktienmarkt kann sich dieses Jahr verdoppeln oder sogar verdreifachen"
"Der türkische Aktienmarkt hat nach dem Ende des Irak-Konflikts durchaus Potenzial, sich in diesem Jahr zu verdoppeln oder sogar zu verdreifachen", meint Ross. Optimistisch stimmt ihn vor allem die absolute Mehrheit Erdogans und seiner Gerechtigkeitspartei. "Das hilft der Regierung, Privatisierungen und Subventionsabbau voranzutreiben. Auch die Sanierung des Haushalts kommt voran."
"Kaufen, wenn die Kanonen donnern"
Angesichts der damit verbundenen guten Perspektiven für türkische Unternehmen werden risikobereite Anleger wohl investiert bleiben. Denn der alte Börsenspruch "Kaufen, wenn die Kanonen donnern" könnte sich erneut als Erfolg versprechend erweisen. Und Erdogan wird wohl nicht umhinkommen, die USA zu unterstützen. Aber dafür dürfte er sie kräftig zur Kasse bitten.
Türkei-Fonds:
Fonds (WKN):Wertentwicklung in 2002
Türkei 75 Plus (989402): -34,8 %
ESPA Stock Istanbul (694674): -36,5 %
Index: Wertentwicklung in 2002
Istanbul National 100: -44,9 Prozent
Währung: Veränderung gegen den Euro in 2002
Türkische Lire: - 26,3 %
Quelle Daten: Finanzen Investmentfonds, Daten per 30.12.2002