Anleihekurse sinken
Seit Mittwoch, den 12. März, ist alles anders in der Anleihewelt: Innerhalb weniger Tage explodierten die Renditen bei Staatsanleihen. Gleichzeitig stürzten die Kurse deutscher, europäischer und amerikanischer Staatsanleihen ab.
Fast vier Prozentpunkte verlor die zehnjährige Bundesanleihe innerhalb von zehn Tagen. Ein tiefer Fall, der erst in der letzten März-Woche gebremst wurde.
Fallen die Kurse weiter?
Was ist da los? Anleihen sind doch so sicher wie das Amen in der Kirche. Oder doch nicht? Vier Prozentpunkte Minus sind für Anleihen ein mächtiger Brocken, bewegen sich die Papiere doch sonst recht gemächlich – Kursänderungen werden in hundertstel Prozent gemessen – so gennanten Basispunkten.
Während der Kursrutsch bei Fondsmanagern für gesteigerte Betriebsamkeit sorgt, zeigen Privatanleger erste Anzeichen von Panik: Fallen die Kurse weiter? Ist die Anleihe-Hausse zu Ende?
Neue Anleihen gehen weg wie warme Semmeln
Ein weiterer Kursverfall wäre eine Hiobsbotschaft für Anleger. Anleihen und Anleihefonds gelten als sicherer Hafen und wurden deshalb zu den Verkaufsschlagern der vergangenen Jahre. 113 Milliarden Euro haben deutsche Anleger in Rentenfonds hiesiger Fondsgesellschaften stecken.
Neuemissionen bei Anleihen sind inzwischen ähnlich stark überzeichnet wie Aktien-IPOs zu den Blütezeiten des Neuen Marktes – sogar Papiere mit 30 Jahren Laufzeit und mickrigen Zinsen gehen weg wie warme Semmeln.
Kurzer Krieg: Boom bei Aktien, Baisse bei Bonds
Genau deshalb scheint für viele Marktbeobachter ein Crash schon ausgemachte Sache zu sein. Flugs war vom "Platzen der Anleiheblase" die Rede oder vom "Bond-Crash".
Schuld an den Schlagzeilen hat auch der Irak-Konflikt oder genauer gesagt, die optimistische Erwartungshaltung der Investoren, was dessen Verlauf angeht: Kurzer Krieg, wenig Schaden, wieder anziehende Wirtschaft, Boom bei Aktien – so ungefähr lautet die Argumentation.
Zinsen bereits auf niedrigem Niveau
Die daraus folgende logische Konsequenz: Boomen die Aktien wieder, dann verabschieden sich die Anleger aus den Anleihen. Ohnehin werfen diese nach der langen Hausse nur noch spärlich Zinsen ab, sind daher uninteressant. Die Folge wäre ein dramatischer Kursverfall.
Anleihen aus Euroland lohnen weiter
Aber: So einfach liegen die Dinge nicht. Panik ist nicht angesagt. Wer jetzt seine Bonds verscherbelt, könnte sich später ärgern. Gerade Anleihen aus Euroland lohnen weiter.
Klar ist allerdings: Anleger müssen sich auf weniger einstellen. Die Zeiten müheloser Gewinne bei Staatsanleihen wie den deutschen Bundesanleihen oder den amerikanischen Treasuries gehen zu Ende. Leider.
Bill Gross: "Von zweistelligen Gewinnen pro Jahr müssen wir uns verabschieden"
So werden Aktienbesitzer bei einem Blick auf die Drei-Jahres-Bilanz der Staatsanleihefonds blass vor Neid. 30 Prozent Plus und mehr – bei den meisten Fonds kein Problem. Aber: "Aus, vorbei damit", sagt zum Beispiel Bill Gross, Chef der US-Investmentfirma Pimco. Und der muss es wissen.
Der wohl bekannteste Kopf unter den Anleihe-Investoren gilt auch als deren klügster. "Von zweistelligen Gewinnen pro Jahr müssen wir uns verabschieden", so Gross. "In Zukunft werden wir vor allem bei US-Bonds kleinere Brötchen backen, ich erwarte vier bis fünf Prozent Rendite pro Jahr."
Der Spielraum für weitere Zinssenkungen in den USA wird knapp
Renditesteigernde Kursgewinne hält Gross nicht für wahrscheinlich. Der Grund für Gross’ wenig optimistische Sicht der Dinge sind die extrem tiefen Zinsen – vor allem in den USA. Hier hat die Notenbank Fed den Leitzins auf 1,25 Prozent gedrückt.
Der Spielraum für weitere Zinssenkungen wird knapp. Aber genau das ist der Treibstoff für steigende Anleihepreise. Denn gehen die Zinsen nach unten, werden alte Anleihen mit höherem Zinskupon attraktiver als neue Anleihen mit geringerem Kupon. Ergo legen die Alt-Anleihen im Kurs zu. Und umgekehrt gilt: Steigen die Leitzinsen, fallen die Anleihenkurse.
Anleihecrashs bereits 1994 und 1999
Auf steigende Leitzinsen kam es im vergangenen Jahrzehnt schon zwei Mal zu einem Anleihecrash. Anlegern wurde damals die Illusion vom vermeintlich sicheren Investment grausamst geraubt.
Crash Nummer 1 ereignete sich 1994 als Reaktion auf eine erste Zinserhöhung der US-Notenbank nach einer langen Phase tiefer Zinsen. Nummer 2 fand 1999 statt, als in den Industriestaaten die Inflation anzog und Zinserhöhungen drohten.
30-jährige Papiere mussten 35 Prozent Verlust verkraften
1994 waren die Kursverluste besonders verheerend. Insgesamt wurden in den USA und Europa die Zinsen um bis zu drei Prozentpunkte angehoben, worauf die Rentenindizes, wie beispielsweise der JP-Morgan-Index für deutsche Staatsanleihen, eine Art Anleihe-DAX, um zehn Prozentpunkte absackte. Das war aber nur der Durchschnittswert.
Je länger die Laufzeit der Papiere, desto schlimmer fiel der Crash aus. Fünfjährige Papiere verloren 13 Prozent, zehnjährige Anleihen gingen um 21 Prozent in die Knie. Wer gar auf 30-jährige Papiere setzte, wurde besonders hart bestraft und musste 35 Prozent Verlust verkraften – Dimensionen, die man eigentlich nur von verlustreichen Aktienjahren gewohnt ist.
Scott Mather: "In Europa gehen wir von weiteren Senkungen aus"
Für Anleger heißt es also, gewappnet zu sein. Allerdings ist von den Crash-Auslösern der Jahre 1994 und 1999 bisher noch wenig zu sehen.
Im Gegenteil: "In Europa gehen wir nicht von Zinserhöhungen, sondern von weiteren Senkungen aus", sagt Scott Mather, Manager des DIT-Euro Bond Total Return.
Das ist ein Fonds, dessen Basisinvestments europäische Staatsanleihen sind, der aber frei genug ist, je nach Marktlage auch in andere Anleiheklassen zu investieren. Unternehmensanleihen beispielsweise.
In Europa ist von Wirtschaftswachstum keine Spur
"Natürlich haben wir kurzfristig Unsicherheit und Volatilität, aber mittelfristig hat Europa immer noch mit strukturellen Problemen zu tun. Von Wirtschaftswachstum keine Spur. Und so lange hat die EZB keinen Grund, die Zinsen anzuheben", so Mather.
Auch von Seiten der Inflation droht derzeit noch keine Gefahr. Noch nicht. Allerdings dürfte sie dank der expansiven Geldpolitik in den kommenden Jahren wieder in Fahrt kommen.
Die EZB hat ihr Pulver noch nicht verschossen
Die Europäische Zentralbank EZB hat auch im Gegensatz zur Fed ihr Pulver noch nicht verschossen. Der Leitzins liegt bei 2,75 Prozent, das sind 1,5 Prozentpunkte mehr als in den USA.
Mather geht davon aus, dass mindestens noch ein Jahr überdurchschnittliche Renditen beim DIT-Fonds drin sind. Bisher hat der Fonds seit Auflegung vor rund einem Jahr zehn Prozent zugelegt.
Alternativen: Unternehmensanleihen und Emerging Market Bonds
Aber dennoch sind Alternativen zu Staatsanleihen gefragt. Über kurz oder lang wird man sich nach Papieren mit mehr Zinsen und besseren Kurs-Chancen umsehen müssen. Und die Alternativen heißen Unternehmensanleihen und hochverzinsliche Anleihen aus Schwellenländern.
Corporate Bonds: Zwei Prozentpunkte mehr Rendite als Staatsanleihen
"Unternehmensanleihen boten in der Vergangenheit durchschnittlich einen Prozentpunkt mehr Rendite als vergleichbare Staatsanleihen. Derzeit sind es sogar zwei Prozentpunkte mehr", sagt Alexander Mertz, Fondsmanager bei der Union Invest für Unternehmensanleihen.
Alexander Mertz: "Corporate Bonds profitieren von der Schuldenreduzierung"
Gute Beispiele für europäische Unternehmensbonds sind die Anleihen der France Telecom und der Deutschen Telekom. "Bei den Unternehmen geht es um Schuldenreduzierung. Davon profitieren die Anleihen. Denn die Rückzahlung der Schulden verringert das Risiko eines Zahlungsausfalls und führt bei den Anleihen zu Kurssteigerungen", erklärt Mertz.
Die Zeit nach einer Rezession ist für Firmenbonds besonders ertragreich
Gerade die Zeiten nach einer Rezession sind für Unternehmensanleihen besonders ertragreich. So litten Anfang der 90er-Jahre die USA unter Rezession, Kreditverknappung und Risikoscheu der Anleger. Als die Konjunktur zulegte, stiegen die Unternehmensanleihen kräftig: 1991 um 40 Prozent, 1992 und 1993 um jeweils 17 Prozent.
Lawrence Mutkin: Anfang der 90er lief der Hochzinsmarkt besser als US-Aktien
"Interessanterweise hat der Hochzinsmarkt von Ende 1990, als wir uns mitten in der Rezession befanden, bis Anfang 1995, also während der gesamten Erholungsphase im Schnitt sieben Prozentpunkte pro Jahr besser abgeschnitten als der US-Aktienmarkt", erklärt Laurence Mutkin, Fondsmanager bei Threadneedle.
Mario Valensinse: "Einige Emerging Markets reduzieren ihe Staatsschulden"
Was für Unternehmensanleihen gilt, gilt auch für viele Anleihen aus Schwellenländern. "Einige Emerging Markets nutzen ihre verbesserten wirtschaftlichen Aussichten, um die Staatsverschuldung zu reduzieren", erklärt Marino Valensinse von Baring Asset Management.
"So profitiert Mexiko von der gestiegenen Industrieproduktion – ein positiver Trend zur Verbesserung der Bonität." Und bessere Bonität führt bekanntlich zu Kursgewinnen.
Keine Verkaufspanik – besser Anpassungen im Depot
Die Alternativen sind klar – für Anleger wie für die Profis. Was also zu Betriebsamkeit bei DIT und Co führt, sollte keinesfalls zu Panik bei Privatanlegern ausarten. Allenfalls zu Anpassungen im Depot.
Neben Euro-Staatsanleihen dürfen höherverzinsliche Papiere nicht mehr fehlen. Und wer das Risiko direkter Investitionen in einzelne Papiere scheut, ist mit Investmentfonds wunderbar bedient. Auch wenn die Anleihenwelt seit dem 12. März nicht mehr die selbe ist.