FMVÖ-Vizepräsident Dkfm. Josef Redl eröffnete den Abend mit einem Stimmungsbild der österreichischen Bankenlandschaft sieben Jahre nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers. Die drei Problemfälle am österreichischen Bankensektor seien in Abbaubanken verbannt, auf europäischer Ebene wurde die Bankenunion ins Leben gerufen und über weitere Schritte betreffend einer europäischen Finanzmarktunion werde bereits gesprochen. Weiters habe sich die Ertragslage der heimischen Banken wieder verbessert und nach umfangreichen Wertberichtungen sei eine gute Entwicklung erkennbar – auch weil notwendige Strukturbereinigungen in Angriff genommen wurden. Wie die diesjährige Recommender-Umfrage gezeigt habe, sei das Vertrauen in die Hausbank wieder zurückgekehrt, denn die Weiterempfehlungsbereitschaft der Kunden sei sogar stärker als vor der Krise. „Können sich die Banken nun wieder ihren Kernaufgaben widmen, oder ist die leicht positive Stimmungslage falsch?“, schloss Redl mit einer Frage ans Podium.
Zum Einstieg in die Diskussion erläuterte Univ. Prof. Dr. Ewald Nowotny, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank, die Auswirkungen der jüngsten Entscheidung der US-Notenbank Fed, das Zinsniveau unverändert auf seinem historischen Tief zu belassen. Die Entscheidung, die erste Zinserhöhung nach 10 Jahren wieder zu verschieben, sei sicher keine leichte gewesen. Allerdings sei es nicht darum gegangen, einmalig die Leitzinsen zu erhöhen, sondern den Beginn einer Zinsanstiegswelle zu setzen. „Wenn man diesen Schritt jetzt allerdings zu früh setzt, laufe man Gefahr, in einer unsicheren Situation einen langsamen Aufschwung zu bremsen. Dieses Risiko ist zu einem späteren Zeitpunkt sicherlich geringer“, erklärte Nowotny. Zwar hätte es rein auf die US-amerikanische Wirtschaft bezogen genug Gründe für eine Zinsanhebung gegeben, allerdings seien die eher trüben Aussichten der Weltwirtschaft und die große Unsicherheit betreffend der BRIC-Staaten in die Entscheidung der Fed eingeflossen. An diesem Punkt hakte Mag. Werner Muhm, Direktor der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, ein, indem er betonte, dass bekanntermaßen die Krise in den USA ihren Ausgang genommen habe – die Vereinigten Staaten seien aber auch besser aus der Krise herausgekommen: „Seit 2010 ist Amerika wieder auf dem Wachstumspfad, die Arbeitslosigkeit geht ständig zurück und man nähert sich einer Vollbeschäftigung. Im Vergleich mit den europäischen Zahlen haben die USA das besser gemacht“, folgerte Muhm.
Dr. Josef Taus, Vorstand der MTB Beteiligungen AG, blickte auf die erstaunliche ökonomische Entwicklung Österreichs in den letzten 60 Jahren zurück, in denen man den Aufstieg zu den wohlhabendsten Staaten der Welt geschafft habe – jetzt trete man allerdings auf der Stelle. Den Grund dafür sehe er in den mangelnden Investitionen, ohne die es kein Wachstum geben könne. Dies liege einerseits darin, dass die Angst vor einer Rezession eine Rolle spiele. Der Hauptgrund sei aber, dass in Österreich eine andere Investitionskultur herrsche und es keinen Kapitalmarkt gäbe – wenn die österreichische Börse schließen würde, fiele das keinem auf. Außerdem würden Finanzierungen durch die strengen Basel-III-Vorgaben gehemmt. „Bei uns werden 66 % der Investitionen über Kredite finanziert, in den USA sind es lediglich 11 %. Der Kreditapparat in Österreich hat eine für die Realwirtschaft überdimensionierte Stellung, doch von dieser ist letztendlich auch das Wachstum abhängig“, betonte Taus. Das Finanzierungssystem hätte nach der Weltwirtschaftskrise umgestellt werden müssen, dies sei allerdings versäumt worden. Man müsse sich daher überlegen, wie man den Kreditapparat dazu bringen könne wieder normal zu agieren. Er sei nicht per se gegen Regulierungen, aber Investitionen und Finanzierungen müssten weiter ermöglicht werden.
Die Folgen der Überregulierung
Dr. Franz Gasselsberger, Vorstandsvorsitzender der Oberbank AG, entgegnete, dass der unbefriedigende österreichische Kapitalmarkt zwar ein Problem sei, dieses sei aber nicht von heute auf morgen zu lösen und stelle derzeit auch nicht das größte Problem dar. Banken seien sehr wohl bereit, Kredite zu vergeben, allerdings seien wenig Nachfrage und Investitionstätigkeit da, wie auch Statistiken und Umfragen beweisen würden. Mittelfristig entwickle sich das Regulierungsthema zu einem Problem, und er befürchte nach Basel III weitere Eigenkapitalvorschriften für Banken, die zu zusätzlichen Kapitalpuffern führen würden. „Das alles entwickelt sich zu einem Regulierungstsunami, der die Banken derzeit enorm beschäftigt und belastet. Die Frage, ob dieses überdimensionierte Eigenkapital notwendig oder sinnvoll sei, wird allerdings nicht gestellt. Das lässt den Banken nicht viele Alternativen“, schloss Gasselsberger. Ein differenziertes Bild zeichnete Willibald Cernko, Vorstandsvorsitzender, UniCredit Bank Austria AG. Es sei wahr, dass Unternehmensfinanzierungen in Europa anders aufgestellt seien als in den USA. In Österreich habe man es aber trotz schwacher Profitabilität geschafft, Eigenkapitalpölster aufzubauen und deutliche Verbesserungen zu erreichen. Während es 2014 in Gesamteuropa ein negatives Kreditwachstum gegeben habe, sei dieses in Österreich sogar leicht positiv ausgefallen und es wurden 84 % aller beantragten Kredite auch zugesagt. „Wenn Banken wichtig sind und zum Wachstum beitragen sollen, dann müssen diese auch entsprechende Möglichkeiten haben und dürfen nicht so stark durch die hohe Bankensteuer belastet werden. Man darf sich einer Diskussion darüber, was Banken leisten können, nicht verweigern“, so Cernko.
Nowotny betonte, dass die Schwere der heutigen Krise, die mit dem US-amerikanischen Immobilienmarkt begonnen habe, ein Resultat der zu starken Deregulierung durch die US-Notenbank sei. Allerdings gäbe es aktuell das Phänomen bzw. die Gefahr der Überregulierung durch ein unkoordiniertes Vorgehen der einzelnen Regulierungsinstanzen. Die Vorgangsweisen der EZB, G20 und europäische Notenbanken seien einzeln gesehen vielleicht berechtigt, kumuliert komme es allerdings zu Problemen. Eine „Impact Study“ über die Auswirkungen auf die Wirtschaft sei daher notwendig. In Österreich könne man sich nicht von der Situation lösen, weil die Vorgaben international seien und wir immer noch unter den geforderten Größenordnungen liegen würden – wobei die Großbanken niedrigere Eigenkapitalquoten hätten als die kleinen. Als Notenbanker sei man an einer stark kapitalisierten Bankenlandschaft in Österreich interessiert, neue zusätzliche Belastungen für Banken müssten aber unbedingt kumuliert betrachtet werden. Auch Taus betonte, dass er die derzeitige Regulierung übertrieben sehe. Österreich hätte überall mitgemacht, ohne die spezielle österreichische Situation der hohen Kreditfinanzierung, die in Europa bei 30 bis 32 % liege, zu berücksichtigen. Hauptfrage sei aber ohnehin, wie man die österreichische Wirtschaft wieder in Schwung bekomme. Dies könne nur durch Vollbeschäftigung und Investitionen in die Bildung der Gesamtbevölkerung passieren.
Licht am Ende des Tunnels?
Muhm stellte die Frage in den Raum, wie das Wirtschaftswunder Österreich ohne entsprechenden Kapitalmarkt möglich gewesen wäre. Aus seiner Sicht sei Kreditfinanzierung weniger volatil und nachhaltiger, Europa lasse sich aber zu sehr die angloamerikanischen Spielregeln aufzwingen, die auf den Kapitalmarkt ausgerichtet seien. Die Niedrigzinssituation sei für ihn dramatisch und es sei auch im internationalen Kontext fraglich, ob das Volksbankenkonzept auf Dauer tragbar sei, nachdem die Volksbank AG dreimal von der Republik aufgefangen werden musste. Selbst zur Zeit der Staatsförderung sei im Osten noch zugekauft und expandiert worden und hierzulande hätte man auch das Thema der gespaltenen Aufsicht zwischen FMA und Nationalbank. Licht am Ende des Tunnels könne er für die österreichischen Banken daher noch nicht erkennen: „Der Bankensektor möchte die Bankenabgabe reduzieren bzw. abschaffen, das Thema aber rein darauf zu reduzieren ist zu wenig – was tun die Banken selbst?“. Immerhin habe die öffentliche Hand 10 Mrd. € für die Bankenrettung ausgegeben. Cernko entgegnete, dass Banken nicht umhinkommen werden sich neu aufzustellen, perfekten Service und kompetente Beratung zu liefern sowie die digitalen Marktplätze kompetent zu besetzen. Man habe sich als Bank Austria Investitionen in der Höhe von 100 Mio. € nicht verschlossen, um den Anforderungen der Kunden an die Multikanalbank gerecht zu werden. Allerdings sei Österreich kein Land, wo man gutes Geschäft machen könne – einerseits durch die Überbesetzung des Marktes, anderseits wegen niedriger Margen und nicht zufriedenstellender Profitabilität. Für Gasselsberger gehe der Konsolidierungsprozess viel zu langsam voran, es müsste viel mehr passieren. Er betonte, dass nicht die Kosten das Problem für die Banken gewesen wären, sondern weil sie das Risiko nicht im Griff gehabt hatten. Banken könnten daher nicht ausschließlich kostenseitig saniert werden. Die jetzigen Niedrigzinsen seien langfristig ein Problem, weil man diese nicht in den negativen Bereich absenken könne. Der Ausweg aus der derzeitigen prekären Lage könne aber nur auf internationaler Ebene gefunden werden – leider sei es aber zu keiner Zinsanhebung durch die Fed gekommen.