Eigentlich sieht es doch insgesamt gut aus: Der DAX hat die Marke von 11.000 Punkten gerade wieder übersprungen und notiert damit nur noch 10 Prozent unter seinem Jahreshoch. Die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland erreicht Höchststände seit der Wiedervereinigung. Einkaufsmanager- und Geschäftsklimaindizes notieren allesamt auf hohen Niveaus. Doch viele Marktteilnehmer sind noch immer irritiert ob der Kursrückgänge, die sich im Spätsommer ereigneten. Der DAX verlor im August bis zu 25 Prozent seines Werts. Wurden hier künftige Entwicklungen bereits eingepreist, die sich erst in naher Zukunft realwirtschaftlich niederschlagen werden? Die Erkenntnisse der drei jüngsten Krisen der Vergangenheit könnten bei der Ausrichtung und Bewertung aktueller Investmentstrategien möglicherweise helfen.
Gesetzmäßigkeiten wirtschaftlicher Rezessionen
Betrachtet man die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte, so erkennt man seit dem großen Crash 1987 folgende Abschwungbewegungen: In den Phasen des Platzens der Dotcom-Blase 2001/2002 und der Finanzmarktkrise 2008/2009 wurden für einzelne Quartale negative Wachstumsraten zwischen minus 1 Prozent und minus 3 Prozent ausgewiesen, nachdem die Wirtschaft in den Vorjahren zeitweise mit mehr als 1 Prozent pro Quartal gewachsen war.
Entsprechend reagierten die Aktienmärkte mit heftigen Kursverlusten. In der Eurokrise 2012/2013 schrumpfte die Wirtschaft um maximal 0,5 Prozent pro Quartal, nach Wachstumsraten von mehr als 1 Prozent pro Quartal im Jahr 2011. Der DAX nahm die Entwicklung im Sommer 2011 mit einem Verlust von fast 30 Prozent vorweg, und in den kommenden 12 Monaten einen sogenannten „volatilen Seitwärts-Trend“ auf.
Viele Marktexperten rechnen, ausgehend von China, mit einer Rezession. Tatsächlich dürfte China in diesem und im kommenden Jahr die schwächste konjunkturelle Dynamik seit mehr als zwei Jahrzehnten verzeichnen. Auch andere Schwellenländer vermögen nicht das weltweite Wachstum anzukurbeln. Dies spüren die Industrieländer auf der Nachfrageseite. Tatsächlich wuchs die deutsche Wirtschaft seit der Eurokrise nur noch mit Wachstumsraten von unter 1 Prozent. In den letzten beiden Quartalen sogar nur um 0,3 Prozent beziehungsweise 0,4 Prozent. Dies erfüllt – nota bene – nicht die Kriterien einer technischen Rezession. Allerdings ist ein Abrutschen in eine technische Rezession schon bei einem leichten Rückgang der Wachstumsraten möglich.
Rohstoffpreise und Zinspolitik stützen Wirtschaft
Es stellt sich die Frage, ob mit den erheblichen Kursrückgängen des DAX im August bereits eine wirtschaftliche Abschwächung oder gar eine milde Rezession eingepreist sind. Selbst im Falle eines Stagnationsszenarios könnten Absatzmengen, Margen und Gewinne der produzierenden Unternehmen damit konstant bleiben. Unterstützt werden die Margen der Unternehmen auch von den aktuell extrem niedrigen Rohstoffpreisen. Wir gehen deshalb davon aus, dass mit den oben skizzierten Kursverlusten bereits eine Relativierung der KGV-Levels eingepreist wurde. Zusätzlich Unterstützung erhalten sowohl die Wirtschaft als auch die europäischen Aktienmärkte von der anhaltenden Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank in Verbindung mit dem bestehenden Anleihenkaufprogramm. Diese Geldpolitik („die niedrigsten Zinsen der vergangenen 5000 Jahre“, so der Chefvolkswirt der Bank of England) könnte einen etwaigen weiteren Kursrückgang zusätzlich dämpfen.
Internationale Einordnung
Zur internationalen Entwicklung der aktuellen Geschehnisse ist ein Blick nach Japan hilfreich. Mit einem moderat negativen Wachstum (von jeweils minus 0,2 Prozent) im zweiten und dritten Quartal dieses Jahres erfüllt Japan die technische Definition einer Rezession. Japan, das seit geraumer Zeit - mit einer ebenfalls sehr expansiven Geldpolitik durch die Bank of Japan - der anhaltenden Deflation zu entkommen versucht, war zuvor bereits in den Jahren 2011, 2013 und 2014 in eine technische Rezession gefallen. Es fällt dabei auf, dass Asiens bedeutendster Aktienindex, der Nikkei 225, mehr als die Hälfte seines Kursgewinnes der letzten fünf Jahre in 2012, also dem einzigen rezessionslosen Jahr, verbuchte. In den Rezessionsjahren entwickelte sich der Index dagegen jeweils seitwärts bis leicht positiv, wobei es immer wieder zu temporären Rückgängen mit Volatilitätsspitzen kam.
Ausblick: Konsequenzen für Anleger in Deutschland
Was bedeutet diese ungewöhnliche Konstellation für die Anleger? Am besten lässt sich die gegenwärtige Situation als „trendlose volatile Phase“ bezeichnen. Diese Phasen gehen meist mit Volatilitäten deutlich oberhalb der historischen Durchschnitte einher. Die Anleger sollten von einem längeren Anhalten dieses aktuellen Umfelds ausgehen. Investoren sollten sich also nach Anlagekonzepten umschauen, die mit (relativ) starken Schwankungsbreiten bei fundamental kaum begründeten Kursentwicklungen zurechtkommen. Hier können Investment-Strategien jenseits klassischer long-only-Ansätze, etwa Volatilitätsstrategien, interessant sein, bei denen der Anleger von Schwankungen profitieren und diese in attraktive Prämien und Renditen umwandeln kann.
Thomas Altmann, Senior Portfoliomanager und Partner, QC Partners
Natascha Suwald, Portfoliomanagerin, QC Partners
Gastkommentare werden von anerkannten Experten verfasst, deren Meinungen nicht mit jener der e-fundresearch.com Redaktion übereinstimmen müssen.