Pakistans Comeback als Emerging Market

Nach einer "Auszeit" von knapp einem Jahrzehnt kehrt Pakistan nun wieder in den weltweit wichtigsten Index für Schwellenländer-Aktien zurück. Welche Chancen ergeben sich daraus? Ein Gastkommentar von Oliver Bell, Portfoliomanager bei T. Rowe Price und Chairman des Investment Advisory Committee der Frontier Markets Equity Strategy und der Middle East & Africa Equity Strategy. Markets | 26.05.2017 15:26 Uhr
Oliver Bell, Portfoliomanager Frontier Markets Equities Strategy und Middle East & Africa Strategy, T. Rowe Price / ©  T. Rowe Price
Oliver Bell, Portfoliomanager Frontier Markets Equities Strategy und Middle East & Africa Strategy, T. Rowe Price / © T. Rowe Price
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"Im Fiskaljahr 2015/2016 konnte die Wirtschaft Pakistans um 4,7 Prozent wachsen. Diese Entwicklung wurde von einem starken Wachstum im Industrie- und Dienstleistungssektor angetrieben, trotz des negativen Einflusses der mageren Weizen- und Baumwollernte. Außerdem weist Pakistan seit Jahren eine der niedrigsten Inflations- und Zinsraten auf und auch die Währung zeigt sich relativ stabil. Ein entscheidender Faktor für nachhaltige Stabilität und Wachstum ist die innere Sicherheit des Landes, die durch militärische Operationen gegen militante Gruppe erhöht werden konnte. 

Demografische Kennzahlen untermauern den Aufwärtstrend 

Langfristig dürfte die Wirtschaft auch von den demografischen Kennzahlen gestützt werden. Mit rund 195 Millionen Einwohnern ist Pakistan auf Platz sechs der bevölkerungsreichsten Länder der Welt. Das Durchschnittsalter beläuft sich auf 23 Jahre. Gemäß einer Prognose der Vereinten Nationen wird die Erwerbsbevölkerung in den nächsten fünf Jahren jährlich um 2,7 Prozent wachsen, auch der Frauenanteil der Erwerbstätigen nimmt zu. 

Angesichts dieses Trends bieten auch die Konsumausgaben die Grundlage für eine attraktive, strukturelle Wachstumsgeschichte. Die gestiegene Nutzung von Mobiltelefonen und Internettechnologie befördern das Markenbewusstsein. Der pakistanische Verbraucher entwickelt eine Markenpräferenz, die den Konsum fördert. 

Trotzdem erscheinen Wolken am Himmel 

Bereits seit einigen Jahren ist Pakistan für Investoren interessant, zumal es sich stetig aus dem Umfeld der Frontier Markets herausbewegt hat. Dennoch bleiben politische und ökonomische Risiken bestehen, die nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Obwohl sich die Inflationsrate aktuell nah an der Talsohle bewegt, ist es unwahrscheinlich, dass sie dieses seit mehreren Jahrzehnten bestehende niedrige Niveau beibehält. Obwohl wir keinen Inflationsschock erwarten, könnten die Preise anziehen, was zu einer verschärften geldpolitischen Haltung führen könnte. 

Für das BIP-Wachstum wird erwartet, dass es in nächster Zeit das aktuelle Level hält. Langfristig gesehen ist es schwierig abzuschätzen, wie Pakistan ohne weitere signifikante wirtschaftliche und strukturelle Reformen das Niveau eines „asiatischen Tigers“ hinsichtlich des Wirtschaftswachstums erreichen kann. 

Unzuverlässige Elektrizitätsversorgung beeinträchtigt Textilindustrie 

Pakistan befindet sich noch am Anfang, was den Ausbau des Transports und der Energieinfrastruktur betrifft. Die getätigten Investments liegen hier unter der Hälfte des Durchschnittswertes, den Emerging Markets-Staaten für den Ausbau aufbringen. Das Land leidet seit mehreren Jahren unter der generell unzuverlässigen Elektrizitätsversorgung. Die Textilindustrie, ein wichtiger Exportsektor, ist besonders beeinträchtigt: In den letzten Jahren erreichten Textilfirmen durch die häufigen Stromausfälle das Maximum ihrer Profitabilität, obwohl die Kapizitäten nicht voll ausgeschöpft werden. Wenn Pakistan die Energieknappheit in den Griff bekommt, könnte das Land damit den Grundstein für eine regionale Produktionsstätte legen, die von den geringen Arbeitskosten profitiert und in der globalen Wirtschaft Bedeutung erlangt. 

Einen Grund zum Optimismus liefert der China/Pakistan Economic Corridor (CPEC), ein 46 Milliarden US-Dollar schwerer Infrastrukturplan, der etwa 16 Prozent des pakistanischen BIPs entspricht. Das von China geführte Programm umfasst Projekte für den Straßenausbau, Kohlekraftwerke, Windenergieparks und Wasserkraftanlagen. Das Projekt verfolgt das Ziel, der Energieknappheit entgegenzusteuern sowie die Industrialisierung und Maßnahmen zur Arbeitsplatzbeschaffung zu fördern. 

Politische Entwicklungen sollten beobachtet werden 

Ein Blick auf die Politik Pakistans lässt trotz guter Fortschritte das Risiko wahrscheinlich steigen. Die parlamentarischen Wahlen in 2018 führen zu zunehmenden Staatsausgaben. Nun gilt es zu beobachten, ob die Regierung populistische, prozyklische Maßnahmen plant im Hinblick auf Ausgaben, das Schuldenprofil und aggressiven Zinssenkungen, die eigentlich nicht angebrecht erscheinen. 

Hinsichtlich der politischen Verhältnisse des Landes und der Rolle von Primierminister Nawaz Sharif gibt es Fragezeichen. Die Oppositionsparteien haben einige Fälle vor den Obersten Gerichtshof des Landes gebracht, die zu einer Amtsenthebung Sharifs führen sollen. Sharif habe demnach angeblich falsche Angaben zur Herkunft des Vermögens von nahen Familienmitgliedern gemacht, was im Zuge der „Panama Papers“-Affäre aufgeflogen sei. 

Selbst wenn Sharif nächstes Jahr die Wahl verliert und eine andere Regierung an die Macht kommt, scheint der politische Rahmen jedoch recht eng festgelegt zu sein. Es herrscht ein allgemeiner politischer Konsens vor, dass Pakistan von den Maßnahmen der CPEC und dem nationalen Aktionsplan profitiert, der Extremismus, Terrorismus und Korruption innerhalb von Pakistan den Kampf angesagt hat. 

Insgesamt kann Pakistan trotz der drohenden Risiken jüngst Erfolge aufweisen und einen Beweis für die Fortschritte als Frontier Market liefern. In zunehmenden Maße scheinen asiatische Frontier Markets zuverlässige Quellen für qualitative Unternehmen mit attraktiven Bewertungen zu sein. Pakistan steht nun die Rückkehr in den MSCI Emerging Markets Index bevor. Darüberhinaus haben auch weitere Frontier Markets langfristig das Potenzial, den Status des Emerging Marktes zu erreichen. 

Eine besonders interessante Branche ist der Bankensektor. Obwohl Pakistan im Vergleich zu anderen Entwicklungsländern das Land ist, in dem der Bankenbereich am geringsten ausgebaut ist, birgt er Wachstumspotenzial. Der Aufschwung im Kreditzyklus, positive gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen und vorteilhafte demographische Kennzahlen sind dabei unterstützende Faktoren. Die folgenden Daten verdeutlichen dieses Potenzial: Gerade einmal zwölf Prozent der Bevölkerung sind Bankkunden. Als eine vom Bargeld getriebene Wirtschaft weist Pakistan im Vergleich zu den anderen Entwicklungsländern einen der niedrigsten Werte für Sparkonten und Kredite auf. Beispielsweise bilden Privatkredite 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – in Emerging und Frontier Marktes liegt dieser Wert typischerweise bei mehr als 30 Prozent. In einigen Fällen kann er auch deutlich höher sein. In Vietnam zum Beispiel liegt er bei 110 Prozent und in China, Südafrika und Thailand bei 150 Prozent. Die geringe Nutzung der Bankdienstleistung dürfte für eine attraktive, mittelfristig ausgerichtete Wachstumsgeschichte sprechen. 

Pakistans Banken konnten auch von dem vielversprechenden Geschäftsklima. Eine Phase des Schuldenabbaus, die fast fünf Jahre bis zum Sommer 2014 andauerte, konnte beendet werden. Zudem konnte das Kreditwachstum zweistellige Werte erzielen. Grund dafür war das starke Profitwachstum und die verbesserten Margen, die das Interesse von Unternehmen an Fremdkapital ansteigen ließen. Daher bietet der Bankensektor erhebliches Wachstumspotenzial. Konsumentenkredite und Hypotheken repräsentieren ein Prozent des BIPs, wohingegen Hypotheken selbst sogar nur 0,2 Prozent des BIPs ausmachen."

Oliver Bell, Portfoliomanager bei T. Rowe Price und Chairman des Investment Advisory Committee der Frontier Markets Equity Strategy und der Middle East & Africa Equity Strategy


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