"High-Yield-Anleihen bieten nicht nur höhere Coupons als Top-Staatsanleihen, sondern im aktuellen Umfeld wirtschaftlicher Belebung auch die Chance auf relativ hohe Kursgewinne. Dennoch sollte man auch die negativen Eigenschaften im Blickfeld haben, zum Beispiel die negative Konvexität. Was versteckt sich hinter diesem Begriff? Im Regelfall lassen sich die Chancen und das Risiko von Anleihen bei stark steigenden oder fallenden Zinsen (positiver oder negativer Zinsschock) mit der Duration (durchschnittliche Anleihenlaufzeit) gut abschätzen. Zudem hat die Nutzung der durchschnittlichen Anleihenlaufzeit den Vorteil, dass sie zu konservativen Ergebnissen führt: Kursrisiken werden über-, Kurschancen hingegen unterschätzt. Um die Auswirkungen von Zinsschocks genauer abzuschätzen, kann man zusätzlich die Konvexität, also die Krümmung betrachten. Diese ist in der Regel positiv, weil der Kursgewinn von Anleihen bei einem negativen Zinsschock höher ist als der Kursverlust bei einem betragsmäßig identischen positiven Zinsschock. Dies wird in Abbildung 1 durch die Krümmung der Kurve deutlich. Der tatsächliche Kursverlauf (orange) ist bei jeglicher Zinsentwicklung besser als die Näherung anhand des Konzepts der durchschnittlichen Anleihenlaufzeit vermuten lässt (hellgrün).
Doch High-Yield-Anleihen drohen im andauernden Niedrigzinsumfeld – symbolisch gesprochen – aus der Kurve zu fliegen, denn bei ihnen kehrt sich der normalerweise positive Effekt der Konvexität oft ins Negative um. Der Grund dafür sind die für High-Yield-Anleihen typischen Kündigungsrechte des Emittenten. Somit steigt bei stark fallenden Zinsen die Wahrscheinlichkeit, dass der Emittent die Anleihe vorzeitig kündigt, um sich am Markt günstiger zu refinanzieren. Der Anleger hat damit ein schlechteres Chance-Risiko-Profil als bei Anleihen ohne Kündigungsoption. Wichtig ist dies, weil zurzeit 271 von 390 Anleihen (70%) des europäischen High-Yield-Universums vorzeitig kündbar sind und davon wiederum 226 (58%) auf Preisniveaus handeln, bei denen von einer vorzeitigen Kündigung ausgegangen werden muss (siehe Abbildung 2).
Ein extremes Beispiel für die Auswirkungen der negativen Konvexität wird in Abbildung 1 deutlich: So beträgt das Chance-Risiko-Profil des britischen Nahrungsmittelkonzerns Boparan gerade einmal 48%. Das bedeutet, dass der Kursgewinn bei einem negativen Zinsschock nicht einmal halb so groß ist wie der Kursverlust bei einem betragsmäßig identischen positiven Zinsschock. Abbildung 1 veranschaulicht die anders geformte Krümmung des Kursverlaufes der Boparan-Anleihe (dunkelgrün) im Kontrast zu jener der Bundesanleihe (orange) Im Gegensatz hierzu beträgt das Chance-Risiko-Profil einer deutschen Bundesanleihe 106%. Die Chance ist also größer als das Risiko, weshalb man in diesem Normalfall auch von positiver Konvexität spricht. Dadurch, dass die Boparan-Anleihe auf ihren dritten Kündigungstermin im Juli 2019 gepreist wird, ist ihre effektive durchschnittliche Laufzeit nur 2,0. Trotz ähnlicher Laufzeit beider Anleihen steht dies im krassen Gegensatz zur Duration der nicht vorzeitig kündbaren Bundesanleihe von 5,0. Aufgrund des größeren Hebels erklären sich somit die größeren absoluten Kursbewegungen der Bundesanleihe.
Zu guter Letzt wird das Chance-Risiko-Profil dahingehend getrübt, dass bei steigenden Zinsen und/oder Risikoprämien sich die durchschnittliche Laufzeit der Boparan-Anleihe erhöht, weil die Wahrscheinlichkeit einer günstigeren Refinanzierung für den Emittenten zu den vorzeitigen Kündigungsterminen abnimmt und die Anleihe zum Beispiel auf ihre Restlaufzeit im Jahr 2021 mit entsprechend längerer Duration handelt. Andererseits erscheint es manchen Investoren opportun, auch in solche Emittenten auf überschaubare Zeit zu investieren, die sie auf lange Sicht eher meiden würden. Gerade im aktuellen Zinsumfeld können 1,5% für ein Jahr sehr verlockend sein: Willkommen im Land der Short-Duration-Fonds. Diese unterschiedlichen Vor- und Nachteile veranschaulichen, warum für Investitionen in High-Yield-Anleihen sowohl auf Emittenten- als auch auf Anleihenebene eine ausführliche Analyse notwendig ist.
Doch was verheißt diese Problematik des europäischen High-Yield-Universums für die nächsten Wochen? Für einen kompletten Ausstieg aus der Assetklasse stehen aktuell noch zu viele Ampeln auf Grün: Trotz der historischen Tiefststände der Renditen sind die Risikoprämien noch höher als vor der Finanzmarktkrise, somit wäre hier noch Luft nach oben. Vor allem aber kündigen unsere makroökonomischen und marktechnischen Indikatoren noch keine Gefahren an. Zusammen genommen ergibt sich für uns das Bild, dass wir uns in der letzten Phase des aktuellen Zyklus befinden. Anders ausdrückt: Wir stufen High-Yield-Anleihen von »buy« auf »hold« herab."