"Pensionskassen stehen weltweit unter Druck, und in vielen Ländern sind Reformen absehbar. Nicht nur die Alterung der Gesellschaft stellt eine grosse Herausforderung dar, auch die Höhe der Staatsschulden beeinträchtigt künftige Rentenzahlungen. Das geringe Wirtschaftswachstum mit tiefen Zinsen mindert zudem den Zinseszinseffekt von Anlagen. Ein Vergleich von Vorsorgeeinrichtungen verschiedener Länder ist anspruchsvoll, da sie unterschiedliche wirtschaftliche, kulturelle, soziale oder politische Hintergründe haben. Dennoch können einige grundsätzliche Aussagen gemacht werden.
Das Beratungsunternehmen Mercer zum Beispiel verfasst jährlich einen internationalen Vergleich der Vorsorgesysteme. Für 27 Länder – die 60% der Weltbevölkerung umfassen – wird anhand von 40 Indikatoren über die drei Kategorien Angemessenheit, Tragfähigkeit und Vollständigkeit ein Ranking erstellt.
Noten und Performance
Weltweit erhalten nur Dänemark und die Niederlande die Bestnote A. Australien, Singapur, Chile, Kanada, Schweden, Finnland und die Schweiz immerhin die Note B, was zwar gute Strukturen, aber auch Verbesserungspotenzial bedeutet. Am Tabellenende befinden sich Indien, Japan und Argentinien. Dänemark ist regelmässig auf dem ersten Platz, die Schweiz ist 2016 von Rang vier auf Rang sechs zurückgefallen. Grund dafür war vor allem der Rückgang der Nettoersatzrate, das heisst, die Nettorente ist im Verhältnis zum Lebenseinkommen gesunken, da viele Pensionskassen in den letzten Jahren ihre Umwandlungssätze gesenkt haben. Allgemein schneiden die skandinavischen Länder gut ab, weil sie im Einklang mit dem steigenden Lebensalter auch das Pensionierungsalter angehoben haben.
Und wie sieht es in Bezug auf die Performance aus? Gemäss Studien der OECD und der Internationalen Organisation der Pensionsüberwacher (IOPS) gibt es bestimmte Performancetreiber, die international wirken. Der wichtigste ist die Entwicklung der Aktien- und Obligationenmärkte, da mehr als drei Viertel aller Vorsorgegelder in diesen beiden Anlageklassen investiert sind. Im schlechten Anlagejahr 2015 erzielten Pensionsfonds in den OECD-Ländern eine reale Rendite von durchschnittlich 2,1%, im besseren 2014 waren es 6,1%.
Natürlich spielt auch die Anlagestrategie eine gewichtige Rolle. In der Schweiz waren 2015 durchschnittlich 30% der Pensionskassenvermögen in Aktien investiert, 33% in Anleihen, 5,3% in Cash und 18,7% in andere Anlageinstrumente. In Dänemark waren es 18% Aktien, 63% Anleihen, 0,3% Cash und 32% andere Anlagen. Daraus resultierte eine reale Nettorendite von 2,2% für die Schweiz und von 0,8% für Dänemark. 2014 betrugen diese Werte 7,2 respektive 16,6%. Die Anlagestrategie bestimmt also die Wertentwicklung, aber ein internationaler Renditevergleich ist wegen der jeweiligen Anlagevorschriften nur beschränkt sinnvoll. Ein gemeinsamer Faktor ist jedoch, dass Länder mit wenigen grossen Pensionskassen wegen Skaleneffekten performancemässig besser abschneiden als solche mit vielen kleinen Kassen.
Kosten verhindern Vermögensaufbau
Der Einfluss der Kosten der Pensionskassen auf die Entwicklung der Vorsorgevermögen ist markant. Ein Anstieg der Vermögensverwaltungskosten von 1% reduziert das über einen Zeitraum von 40 Jahren akkumulierte Vermögen um bis zu 20%. Ein Blick auf Europa zeigt, dass die Verwaltungskosten der Pensionskassen (administrative Kosten und Vermögensverwaltungskosten in % der Gesamtaktiva, OECD-Daten) höchst unterschiedlich ausfallen, wofür neben der Effizienz der Pensionskassen auch unterschiedliche Reportingverfahren und Gebührenstrukturen verantwortlich sind.
In der Schweiz sind diese Verwaltungskosten von 0,29% im Jahr 2005 auf 0,61% im Jahr 2015 gestiegen, was im westeuropäischen Vergleich hoch ist. Ein Grund für diesen Anstieg ist die vom Regulator seit 2013 geforderte Kostentransparenz (TER-OAK), und es werden heute mehr Kostenelemente ausgewiesen als früher. Die Kosten in skandinavischen Ländern sind besonders tief, unter anderem wegen dem hohen Anteil an passiven und somit kostengünstigen Anlageinstrumenten.
Einzelpersonen in die Pflicht nehmen
Zur Verbesserung des Pensionkassensystems empfehlen Mercer und IOPS der Schweiz Massnahmen wie die Erhöhung des Pensionsalters, den obligatorischen Bezug eines Teils der Pensionskassenguthabens als Rente, oder die volle Besteuerung von Bezügen. Schweizer Pensionskassen selbst können die regulatorischen Rahmenbedingungen nur indirekt beeinflussen, aber sie können die Kosten steuern. Vor dem erwähnten Einfluss der Kosten auf die individuellen Altersguthaben ist Kosten senken geradezu ein Muss. Konkret kann auf einfache Art und Weise viel Sparpotenzial ausgenutzt werden – notabene ohne die Anlagestrategie zu ändern –, indem Pensionskassen eine gesamtheitliche Kostenanalyse durchführen und mit ihren Banken und Vermögensverwaltern die Konditionen neu verhandeln.
In der Schweiz wurde in Sachen Transparenz und Ausweis der sichtbaren Kosten schon viel erreicht. Aber es gibt Länder, in denen das Interesse, die Kosten zu senken, ausgeprägter ist. In den Niederlanden zum Beispiel lädt der Regulator neuerdings gerne auch einzelne Stiftungsräte vor. Diese Einzelpersonen müssen dann aufzeigen, was sie konkret gemacht haben, um die Kosten ihrer Pensionskasse zu senken und dem Destinatär zu dienen."
Reto Tarreghetta, CEO, Novarca AG
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