Big Data im Asset Management

Javier Rodriguez-Alarcon, Head of EMEA Client Portfolio Management innerhalb der Quantitative Investment Strategies (QIS) Gruppe bei Goldman Sachs Asset Management, mit einem Kommentar über die Bedeutung von Big Data im Asset Management: Markets | 06.07.2017 12:32 Uhr
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"Die geburtenstarken Jahrgänge erreichen das Rentenalter und verstärken damit die demografischen Probleme in weiten Teilen der westlichen Welt. Um Produktivität und nachhaltiges Wirtschaftswachstum dennoch langfristig aufrecht zu erhalten, werden Technologien immer wichtiger. Weltweit greifen immer mehr Menschen auf digitale Technologien im Alltag zurück und erzeugen so automatisch immer größere Datenmengen. Allein in den letzten zwei Jahren wurden über 90 Prozent aller jemals generierten Daten erzeugt und dieser Trend dürfte sich weiter beschleunigen. Bis 2020 wird das weltweite Datenvolumen das 128-fache des im Jahr 2013 bestehenden Volumens erreichen. 

Dieses exponentielle Datenwachstum birgt enorme Herausforderungen, eröffnet aber gleichzeitig große Chancen. Ein Großteil der Daten hat wenig Informationsgehalt und dient bestenfalls der Unterhaltung. Das trifft unter anderem auf diverse Katzen-Videos auf YouTube zu, die für Anlageentscheidungen kaum interessant sein dürften. Doch genauso gibt es unzählige Informationen, die für Anleger höchst relevant sind. Sie liefern frühe und präzise Signale – etwa über die Wirtschaftsaktivität oder menschliche Präferenzen und Verhaltensmuster. Für Investoren eröffnen sich so neue Möglichkeiten: Um z.B. die künftige Entwicklung eines Unternehmens abzuschätzen, kann nunmehr neben einer menschlichen- auch eine algorithmenbasierte, Analyse angewandt werden. Wir haben das Zeitalter von „Big Data“ erreicht. Anleger sollten die Chance ergreifen, bei der Weiterentwicklung von Big Data zu „Smart Data“ eine führende Rolle einzunehmen. 

Datenrevolution im Asset Management 

Entscheidend für den Erfolg datenorientierter Anleger ist es, die Masse an unstrukturierten Daten so zu verarbeiten, dass daraus mehrwertige Erkenntnisse gewonnen werden können. Es ist wichtig, dass Anlagestrategien möglichst alle verfügbaren und relevanten Informationen berücksichtigen. Denn letztendlich geht es beim Investieren immer darum, einen Informations- und Analysevorsprung zu nutzen. Das aktive Vermögensmanagement zielt darauf ab, Investmentchancen aufzudecken, bevor der Markt sie erkennt und einpreist. Dabei verschaffen datengetriebene Modelle Anlegern einen wesentlichen Vorsprung und können ihren Erfolg maßgeblich beeinflussen. 

Ein Beispiel für diese moderne Datenverarbeitung ist die maschinelle Verarbeitung natürlicher Sprache, kurz NLP (natural language processing). NLP nutzt Computer, um große Textmengen aus diversen Quellen in mehrere Sprachen zu übersetzen und darin enthaltene unstrukturierte bzw. nicht leicht quantifizierbare Informationen zu analysieren. Das kann Unternehmen einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil verschaffen, z.B. dadurch, dass Entscheidungsträger in die Lage versetzt werden, große Datenmengen schneller, effektiver und mit weniger Ressourcenaufwand auszuwerten. Die Anwendung von NLP kann sich zudem förderlich auf die Beziehungen zwischen Unternehmen auswirken, indem Informationsasymmetrien aufgebrochen werden. Nicht zuletzt für kleineren Unternehmen oder Firmen aus seltener berücksichtigten Schwellenländern dürfte diese Technologie interessant sein. 

Auch das Verhalten von Webseitennutzern oder Kreditkartentransaktionen erzeugen große Datensätze, die im Anlageprozess einen Informationsvorsprung liefern können. Informationen über Kreditkartentransaktionen bieten möglicherweise wichtige Erkenntnisse über das künftige Umsatz- und Gewinnwachstum von Unternehmen. Besonders interessant können solche Indikationen im Konsumbereich und solchen Sektoren sein, in denen häufig Kreditkartennetzwerke für Transaktionen genutzt werden. So haben zum Beispiel die Kreditkartenprognosen für die US-Baumarktbranche zuletzt eine Korrelation von 70 Prozent zum tatsächlichen Umsatzwachstum gezeigt*. Die Analyse von Kreditkartentransaktionen wird zunehmend an Bedeutung gewinnen, da der Anteil der mit Karten getätigten Zahlungen steigen und die von großen Kreditkartenabwicklern bereitgestellten Daten immer umfangreicher und genauer werden. 

Neben dem Anlageprozess gibt es im Asset Management noch viele andere Bereiche, in denen bereits künstliche Intelligenz oder maschinelle Lerntechnologien angewandt werden. In Compliance-Abteilungen etwa könnten diese Technologien bei der Automatisierung von Prozessen helfen. Dies könnte sich positiv auf die Profitabilität auswirken. Abgesehen von der Kostenersparnis würde das operationelle Risiko sinken, da maschinelle Lerntechnologien für komplexe Aufgaben effektiver eingesetzt werden können. So lassen sich Verstöße wie etwa Marktmanipulationen durch nicht genehmigte Handelsaktivitäten schneller aufdecken. 

Wettbewerbsvorteil durch Portfoliomanager 

Nicht nur im Asset Management geht die heutige Informationsflut weit über das hinaus, was ein einzelner Mensch verarbeiten kann. Um verwertbare Erkenntnisse zu gewinnen, nutzen Portfoliomanager moderne Analyse- und Verarbeitungstechnologien. Da die Menge an unstrukturierten Daten exponentiell anwächst, sind wir der festen Überzeugung, dass datenbasierte Technologien allein nicht zu besseren Anlageentscheidungen führen können. Vielmehr ist es das menschliche Urteilsvermögen gepaart mit diesen Technologien, das die besten Ergebnisse hervorbringen wird. Im Mittelpunkt dieses Prozesses stehen nichtsdestotrotz die Daten selbst. Unternehmen werden nicht umhinkommen, ihre Datenqualitätsstandards stetig zu verbessern. Denn nur, wenn aussagekräftige Daten vorliegen, können neue Analysetechniken einen Mehrwert für Anleger schaffen. Demgegenüber werden ungenaue Daten die Vorteile des maschinellen Lernens schnell zunichtemachen. 

Fazit 

Künstliche Intelligenz kann menschliche Intelligenz in Entscheidungsprozessen also nicht ersetzen. Der menschliche Verstand wird auch in Zukunft weiterhin notwendig sein, um in technische Prozesse einzugreifen. Außerdem dürften sich menschliche Eigenschaften wie Urteilsvermögen und Erfahrung kaum durch Technologien ersetzen lassen. Informationen werden vor allem unter den Augen erfahrener Portfoliomanager ihr volles Potenzial entfalten. Damit werden sowohl Mensch als auch Maschine den Wandel der Finanzdienstleistungsbranche weiterhin entscheidend mitprägen."

Javier Rodriguez-Alarcon, Head of EMEA Client Portfolio Management innerhalb der Quantitative Investment Strategies (QIS) Gruppe bei Goldman Sachs Asset Management


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*GSAM. Per 31.12.2015. Diese Korrelationsziffer repräsentiert das vierteljährliche Umsatzwachstum der Baumarktbranche im Vorjahresvergleich für den Zeitraum 31.01.2008 bis 30.10.2015.

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