Zum einen sei es angebracht, bei der Konzeption von Produkten weniger in geografischen Dimensionen und mehr in globalen Themen zu denken. „Wenn wir über globale Anlagen sprechen, denken wir an die USA, Europa, Japan, die Schwellenländer usw. Ich glaube aber, dass diese traditionell geografisch definierten Anlageformen zukünftig immer stärker an Bedeutung verlieren werden“, sagt Colin Moore, der als globaler Chief Investment Officer die weltweite Anlagestrategie bei Columbia Threadneedle verantwortet, im anschließend präsentierten Interview. „Wir müssen eher in horizontalen Anlagethemen denken als in vertikalen Zeitzonen.“ Ein gutes Beispiel dafür sei das Thema Infrastruktur. Noch gebe es sehr wenige Anlageprodukte auf solche horizontalen Themen. „Ich denke aber, dass dieser Bereich recht schnell wachsen wird“, sagt Moore.
Zum anderen sollten bei der Produktentwicklung Lösungen, die beständigere Renditen bieten, Columbia Threadneedle zufolge im Fokus stehen. Denn rein rechnerisch sei der Zinseszinseffekt einer beständigeren Rendite von Vorteil gegenüber dem Zinseszinseffekt bei stärker schwankenden Wertentwicklungen. Außerdem könnten beständigere Renditen dazu beitragen, das Verhaltensmuster von Anlegern, billig zu verkaufen und teuer einzukaufen, zu durchbrechen – mit möglichen positiven Folgen für die langfristige Wertentwicklung. „Unsere Research-Ergebnisse zeigen, dass der Unterschied zwischen aktiv oder passiv die Kunden etwa 60 bis 80 Basispunkte pro Jahr kosten kann. Das Verhaltensmuster, billig zu verkaufen und teuer einzukaufen, kostet die Anleger dagegen bis zu 200 Basispunkte pro Jahr“, sagt Moore. „Indem wir Strategien mit einer beständigeren Rendite anbieten, werden die Anleger sich in Zeiten hoher Volatilität weniger zu Panikreaktionen hinreißen lassen, was sich sehr positiv auf ihren langfristigen Erfolg auswirken kann.“
Lesen Sie nachfolgend das vollständige Interview mit Colin Moore:
Wie beurteilen Sie die Aussichten für die Finanzmärkte?
Colin Moore: Der allgemeine Ausblick für die Finanzmärkte wird durch zwei wichtige Themen bestimmt: Das eine ist die hohe Bewertung der Aktien, das andere die Entwicklung der Zinssätze. Nach den amerikanischen Präsidentschaftswahlen kam es zu einem deutlichen Kursanstieg an den US-Aktienmärkten, denn es wurde davon ausgegangen, dass die Politik der neuen Regierung das Wachstum rasch ankurbeln würde. Mittlerweile sind die Märkte jedoch skeptisch geworden, ob die geplanten Maßnahmen umgesetzt werden können, und noch fraglicher erscheint es, ob sie schnell umgesetzt werden können. Im Fixed-Income-Bereich rührt die Unsicherheit aus der Möglichkeit, dass die Zinsen nicht zwangsläufig so schnell wie erwartet erhöht werden, falls die geplante Wachstumspolitik der US-Regierung nicht realisiert wird. Diese Fragen sind allerdings vor dem Hintergrund zu sehen, dass wir sowohl in den USA als auch weltweit gute Wachstumstrends haben.
Was bedeuten voraussichtliche Zinserhöhungen für die Anlage in festverzinslichen Wertpapieren?
Colin Moore: Es besteht größtenteils Einigkeit darüber, dass die Zinsen steigen werden, da das Zinsniveau historisch gesehen außerordentlich niedrig ist. Die Frage ist vielmehr, wie schnell sie steigen werden. Wenn man von einem recht schnellen Zinsanstieg ausgeht, sieht es für einige der traditionellen Anlagestrategien in festverzinslichen Wertpapieren nicht besonders gut aus, da die Renditen in diesem Bereich stark von den Zinssätzen abhängig sind. Die Anleger wenden sich daher vermehrt flexiblen Fixed-Income-Strategien zu, die weniger von Zinsänderungen abhängig sind. Für Anleger, die von einer langsameren Zinserhöhung ausgehen, gibt es durch die Ausnutzung der sogenannten Credit Spreads andere Möglichkeiten, Renditen zu erzielen. Der Credit Spread ist der Risikoaufschlag einer Unternehmensanleihe gegenüber einer US-Staatsanleihe. Ist diese Differenz attraktiv, kann damit dem Effekt langsam steigender Zinssätze gegengesteuert werden. Diese Credit Spreads haben sich jedoch in den letzten Monaten recht stark verengt, daher bieten sie momentan keinen großen Puffer.
Gehen die Anleger vor dem Hintergrund dieses anhaltenden historischen Zinstiefs ungewollte Risiken ein, um Erträge zu erzielen?
Colin Moore: So ist es. Die Jagd nach Erträgen ist eines der großen Themen des Marktes geworden, das ich tatsächlich schon seit einigen Jahren mit Sorge verfolge. Der Aufpreis, den die Anleger für eine höhere laufende Rendite oder für höhere laufende Erträge zu zahlen bereit sind, ist sowohl im Aktien- als auch im Rentenbereich ein wenig besorgniserregend. Die Beziehung zwischen einem höheren Risiko und einer höheren Rendite scheint ja auf der Hand zu liegen. Was die Erträge angeht, ist dieser Zusammenhang wohl nicht ganz so offensichtlich: Anscheinend sind sich die Anleger nicht bewusst, dass sie höhere laufende Erträge nur deshalb erzielen, weil sie ein höheres Risiko eingehen. Aus den Rückmeldungen, die wir von Beratern und Anlegern erhalten, wird klar, dass es tatsächlich die Beständigkeit der Erträge ist, die hauptsächlich für langfristige Zufriedenheit sorgt, nicht die Höhe der laufenden Erträge. Wenn ich heute eine attraktive hohe Rendite erhalte, die aber morgen schon gefährdet sein kann, ist das keine so gute Idee. Weit wichtiger ist es, heute eine angemessene Rendite zu erzielen, die sich auch unter veränderten Bedingungen und Märkten halten lässt.
Welche Trends sehen Sie bei globalen Anlagen?
Colin Moore: Wenn wir über globale Anlagen sprechen, denken wir an die USA, Europa, Japan, die Schwellenländer usw. Ich glaube aber, dass diese traditionell geografisch definierten Anlageformen zukünftig immer stärker an Bedeutung verlieren werden. Wir müssen eher in horizontalen Anlagethemen denken als in vertikalen Zeitzonen. Außerdem müssen wir mehr globale, nachhaltige und längerfristige Wachstumschancen in diesem Rahmen entwickeln und uns nicht von den traditionellen geopolitischen Beschränkungen einengen lassen. Infrastruktur ist ein gutes Beispiel. Infrastruktur ist zwar ein globales Thema, aber die meisten Anlageprodukte, die Privatanlegern für Infrastrukturanlagen zur Verfügung stehen, sind überwiegend um geografische Beschränkungen herum strukturiert. So haben wir einen britischen Aktienfonds oder einen US-Aktienfonds oder einen japanischen Aktienfonds oder entsprechende Rentenfonds. Anlageprodukte, die auf horizontalen Themen basieren, gibt es immer noch sehr wenig. Ich denke aber, dass dieser Bereich recht schnell wachsen wird.
Warum stellt Infrastruktur eine nachhaltige, längerfristige Anlagechance dar?
Colin Moore: Es ist interessant, wie viel über die USamerikanische oder die europäische Wirtschaft geschrieben wird und wie darüber diskutiert wird, ob die Wirtschaft nun um 2,4 % oder um 2,5 % wachsen wird. Das sind relativ kleine Unterschiede. Was die Infrastruktur angeht, besteht jedoch durchaus die Möglichkeit, dass die jährliche Wachstumsrate im nächsten Jahrzehnt oder darüber hinaus bei mindestens 6 % liegen wird. Tatsächlich fällt mir kein einziges Land ein, das nicht in irgendeiner Weise seine Infrastruktur verbessern muss. Wichtig ist auch, dass sich der Charakter der Infrastruktur verändert und sich dadurch vielfältigere Möglichkeiten für die Anleger ergeben. Die Mobilfunkund Internetinfrastruktur verbindet die Menschen genauso wie physische Verbindungen, wie etwa Straßen oder Brücken. Ein Beispiel: Als ich kürzlich auf den Philippinen war, sah ich, wie man versucht, die Bevölkerung an das Finanzdienstleistungssystem anzubinden, nämlich nicht über den Aufbau Tausender neuer Bankfilialen, sondern durch die Einrichtung virtueller Banken über Funknetze.
Warum glauben Sie, dass die Beständigkeit der Erträge oder Renditen am stärksten zur langfristigen Zufriedenheit beiträgt?
Colin Moore: Es ist eine Tatsache, dass Anleger versuchen, die spektakulärsten Renditen des Vorjahres erneut zu erreichen. Unser Research zeigt aber deutlich, dass diese Strategie sehr schlecht gewählt ist. In der Finanzbranche wird häufig im Haftungsausschluss erklärt, dass die Wertentwicklung in der Vergangenheit kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung darstellt. Dieser Satz ist tatsächlich sehr richtig, dennoch scheint ihm niemand Beachtung zu schenken. Ganz egal, ob Sie Geld für die Ausbildung Ihrer Kinder oder Ihre eigene Altersvorsorge sparen wollen, der wichtigste Faktor ist die Beständigkeit der Rendite. Es ist weitaus besser, kontinuierlich 6 % zu erzielen, als plus 10 % in einem Jahr, minus 2 % im folgenden Jahr und dann wieder plus 4 %. Rein rechnerisch ist der Zinseszinseffekt einer beständigeren Rendite von Vorteil. Was vielleicht noch wichtiger ist, es gibt auch einen Verhaltensvorteil. Anleger, die höhere Renditen anstreben, sind in der Regel die Ersten, die verkaufen, wenn diese Anlage eine schwierige Phase durchläuft.
Haben beständige Anlagerenditen einen quantifizierbaren Nutzen?
Colin Moore: Die für aktive Anlagestrategien im Vergleich zu passiven Strategien anfallenden Gebühren werden gerade heiß diskutiert. Unsere Research-Ergebnisse zeigen, dass der Unterschied zwischen aktiv oder passiv die Kunden etwa 60 bis 80 Basispunkte pro Jahr kosten kann. Das Verhaltensmuster, billig zu verkaufen und teuer einzukaufen, kostet die Anleger dagegen bis zu 200 Basispunkte pro Jahr. Wenn wir dieses Verhaltensmuster jedoch durchbrechen können, indem wir Strategien mit einer beständigeren Rendite anbieten, werden die Anleger sich in Zeiten hoher Volatilität weniger zu Panikreaktionen hinreißen lassen, was sich sehr positiv auf ihren langfristigen Erfolg auswirken kann. Daher dürfte es sich lohnen, auf Beständigkeit statt auf kurzfristige, spektakuläre Renditen zu setzen.
Wird es durch die schnelle Abfolge von Wahlen und geopolitischen Ereignissen schwieriger, beständige Erträge zu erzielen?
Colin Moore: Die Asset-Management-Branche ist insgesamt schnell dabei, externe Faktoren verantwortlich zu machen. Entweder ist der Brexit schuld oder die Wahlen in den USA oder sonst ein Ereignis. Unser Verständnis der geopolitischen Entwicklungen ist wichtig, da es uns letztlich dabei hilft, unsere Anlageentscheidung zu begründen, wenn wir beständigere Renditen anstreben. Man könnte annehmen, dass dies eine andere Kompetenz erfordert als die Anlagekompetenz, man muss aber verstehen, welche Bandbreite der Ergebnisse möglich ist. Was wird zum Beispiel bei der nächsten großen Wahl passieren? Setzt man darauf, dass der Außenseiter gewinnt, kann man mit dieser Spekulation eventuell eine beträchtliche Überrendite erzielen. Allerdings setzt man eine ganze Menge Kapital auf ein Ereignis mit geringer Wahrscheinlichkeit und das ist in der Regel keine gute Entscheidung. Wir streben an, mit der höchsten Wahrscheinlichkeit eine angemessene Rendite über einen längeren Zeitraum zu erzielen. Wenn ein Anleger sich also ein bestimmtes Ziel für seine Altersvorsorge oder für die Ausbildung seiner Kinder gesetzt hat, ist sein Erfolg mit dieser Strategie am wahrscheinlichsten.