Honorare sind „gut“, Provisionen sind „böse“. Müsste man die Meinung und den Zugang der europäischen Politik, der Aufsicht und der Konsumentenschützer zur Regulierung der Finanzberatung vereinfacht zusammenfassen, würde die Maxime so oder so ähnlich lauten. Eine eindeutige Fehleinschätzung, wie beispielsweise ein kurzer Blick nach Großbritannien beweist. Das auf der Insel im Jahr 2013 eingeführte „Retail Distribution Regime“, eine Art Blaupause für MiFID II, hat unter anderem zu einer signifikanten Verteuerung von Beratungsdienstleistungen, und somit dazu geführt, dass nur mehr wohlhabende Menschen Finanzberatung in Anspruch nehmen können. Ein ähnlicher „Advice Gap“ zeichnet sich nunmehr auch hierzulande ab.
Regulierungsflut führt zu sozialer Exklusion
Die Befürchtung, dass MiFID II den Konsumenten mehr schaden als nützen wird, wird laut einer im ersten Halbjahr 2017 durchgeführten Mitglieder-Umfrage des Österreichischen Verbands Financial Planners auch von der heimischen Berater-Elite geteilt. 64 Prozent der insgesamt 401 Umfrageteilnehmer, allesamt zertifizierte CFP- oder DFB-Experten, gaben an, dass die neuen oder verschärften Normen im Finanzbereich den Konsumenten ihrer Meinung nach kaum oder gar nicht zu Gute kommen werden. „Dieses Ergebnis ist für uns wenig überraschend“, kommentiert der Vorstandsvorsitzende des Österreichischen Verbands Financial Planners, Prof. Otto Lucius, und ergänzt: „Die Berater stehen täglich in Kontakt mit ihren Kunden und haben so wie wir die Befürchtung, dass die Umsetzung von MiFID II bereits mittelfristig zu einer Art der sozialen Exklusion führen wird.“
Konsequenzen sind schon jetzt zu spüren
Die Auswirkungen der im MiFID-Regime vorgesehenen und aus Großbritannien übernommenen Trennung zwischen unabhängiger Beratung – einhergehend mit einem absoluten Provisionsverbot – und abhängiger Beratung, in deren Rahmen Provisionen unter bestimmten Umständen erlaubt bleiben, sind bereits jetzt augenscheinlich. Überdies hat die ESMA die ursprünglich nur für Produktanbieter vorgesehenen Regelungen zur Produktprüfung und Zielmarktbestimmung auch auf die Vertreiber der Produkte ausgeweitet. Somit haben auch die österreichischen Banken und Finanzdienstleister schon damit begonnen, die im Zuge der abhängigen Beratung angebotene Produktpalette aufgrund von Haftungsproblemen drastisch einzuschränken.
Bestmögliche Finanzberatung wird verunmöglicht
„Im Endeffekt bedeutet das für all jene, die sich keine unabhängige Honorarberatung leisten können, dass sie zukünftig mit vorgefertigten Produktbündeln abgespeist werden“, kritisiert Lucius. Dabei hätte sich jede Beratung, jede angebotene finanzielle Lösung, jede Finanzplanung zuallererst an den Bedürfnissen, Wünschen und Zielen des Kunden zu orientieren. „Der Österreichische Verband Financial Planners ist, bei allen gesetzlichen Regelungen, mehr denn je überzeugt, dass die bestmögliche Qualifizierung von Beratern, die Selbstverpflichtung zu ethischem Handeln und damit einhergehend die Zertifizierung von Finanzexperten der beste Konsumentenschutz sind“, so der Vorstandsvorsitzende abschließend.