Mit der Androhung von Importzöllen hält US-Präsident Donald Trump die Welt seit geraumer Zeit in Atem. Doch während er teilweise mit sich reden ließ und die EU-Staaten aber auch Länder wie Mexiko, Kanada, Brasilien oder Südkorea zumindest vorläufig von den Maßnahmen ausgenommen sind, scheinen Trump die Importe aus China ein ganz besonderer Dorn im Auge zu sein. Ende März kündigte die US-Regierung zunächst an, eine Vielzahl von chinesischen Produkten im Ausmaß von bis zu 60 Milliarden US-Dollar Handelsvolumen mit einem Strafzoll von 25 Prozent zu belegen. Vergangene Woche teilte Trump mit, dass er die Erhebung weiterer Zölle gegen chinesische Produkte im Wert von etwa 100 Milliarden Dollar prüfen lässt, was einer Verdreifachung der ursprünglich angedachten Maßnahmen entsprechen würde. „Dieses erneute Vorpreschen Trumps nach einer kurzen Phase der Entspannung lässt einen Handelskrieg näher rücken“, kommentiert Christian Nemeth, Chief Investment Officer und Vorstandsmitglied der Zürcher Kantonalbank Österreich AG.
US-Handelsbilanz leidet unter China
Hinter der harten Gangart der USA steckt jedenfalls mehr als eine Laune ihres exzentrischen Präsidenten. Denn das US-Handelsbilanzdefizit befindet sich auf dem höchsten Stand seit der Finanzkrise und das liegt zu einem Gutteil an China. 2017 exportierte das Reich der Mitte Waren im Wert von über 500 Milliarden US-Dollar nach Amerika – rund vier Mal so viel, wie in die andere Richtung floss. „Damit ‚verdanken’ die USA die Hälfte ihres Handelsbilanzdefizits allein China“, hält Nemeth fest. Auch im zukunftsträchtigen Hightech-Bereich sind die Zahlen für Amerika alarmierend. In den vergangenen Jahren wuchs das Handelsbilanzdefizit mit China in diesem Segment beträchtlich und betrug 2017 etwa 135 Milliarden US-Dollar. „Dazu muss man schon sagen, dass sich China bislang über Markenrechte und geistiges Eigentum hinwegsetzt. Zudem ist der chinesische Markt für westliche Unternehmen immer noch wenig zugänglich. Diese Faktoren spielen der Volksrepublik in die Karten“, argumentiert der Experte der Zürcher Kantonalbank Österreich AG. Einen weiteren Handelsnachteil für die USA sieht Nemeth darin, dass die Zolltarife in den USA generell klar niedriger als in China, aber auch als jene in der EU, sind.
Strafzölle: China weiß sich zu wehren
Die neu angekündigten Zölle betreffen in erster Linie Maschinen und Elektrogeräte, die von den USA aus China importiert werden. Das Reich der Mitte hat jedoch eine Antwort parat und drohte seinerseits mit Strafzöllen auf 196 US-Produkte mit einem Warenwert von rund 50 Milliarden US-Dollar. „Darunter sind wichtige Kategorien wie Autos, Sojabohnen oder chemische Produkte. China ist offenbar gewillt, auch da Strafzölle zu erheben, wo es den USA weh tut“, sagt Nemeth. Auf den neuerlichen Vorstoß Trumps vergangene Woche reagierte Peking mit scharfer Kritik und stellte in den Raum, unter Umständen ebenfalls weitere Gegenmaßnahmen durchzuführen. „Auch wenn sich die Situation zuletzt zugespitzt hat, bleibt noch genügend Zeit für Verhandlungen, zumal die Strafzölle wohl frühestens im Juni in Kraft treten werden“, so Nemeth.
Scharfe Rhetorik sorgt für Kursschwankungen an den Aktienmärkten
An den Aktienmärkten ging der hin und her wogende Handelsstreit zwischen den USA und China jedenfalls nicht spurlos vorüber. Die Verunsicherung hatte eine volatile Kursentwicklung zur Folge. Die Hoffnung auf eine Verhandlungslösung ließ die wichtigsten Börsenindizes nach Ostern zwar zulegen, vergangenen Freitag verpasste Trump mit seiner neuen 100 Milliarden schweren Zoll-Drohung den Märkten aber einen weiteren Dämpfer. Die europäischen Märkte hielten sich besser als die US-Börsen. „Auch wenn es in nächster Zeit wohl ein Auf und Ab an den Börsen geben wird, erachten wir es als nicht zielführend, den Aktien den Rücken zu kehren. Dafür sind die Fundamentaldaten zu solide. Ohne offenen Ausbruch eines Handelskriegs wird die Weltwirtschaft ihr robustes Wachstum fortsetzen“, ist Nemeth überzeugt.