Österreich hinkt in der BAV drastisch hinterher
Österreich liegt im Bereich betriebliche Altersvorsorge im europäischen sowie internationalen Vergleich auf den hinteren Plätzen. Ein aktueller Mercer-Bericht zeigt, dass immer noch relativ wenige Unternehmen in Österreich eine betriebliche Altersversorgung für ihre MitarbeiterInnen anbieten. Derzeit haben nur 23 Prozent der österreichischen ArbeitnehmerInnen Anspruch auf eine Firmenpension.
Gesamtperformance der österreichischen Vorsorgekassen ausgezeichnet
Dabei muss die betriebliche Altersvorsorge als kostengünstiges und performancestarkes Vorsorgeinstrument, mit viel Potential verstanden werden. Die Gesamtperformance der österreichischen überbetrieblichen Pensionskassen lag im Jahr 2017 bei 6,34 Prozent. ExpertInnen bescheinigen dem Markt der betrieblichen Vorsorge außerdem ein hohes Wachstumspotential, da derzeit lediglich 5% des Alterseinkommens aus der BAV stammen.
Machen es die Deutschen besser?
Derzeit bieten noch immer mehr als 75% der über 300.000 KMU in Österreich keine betriebliche Altersvorsorge für ihre Mitarbeiter. Machen es die Deutschen besser als wir? Ist darum die Frage, die man sich angesichts des soeben in Deutschland beschlossenen „Betriebsrentenstärkungsgesetzes“ dringend stellen muss. „Während bei unseren Nachbarn proaktiv KMU und Kleinverdiener bei der Errichtung von Betrieblichen Vorsorgen unterstützt werden, herrscht in Österreich Stillstand,“ sieht Thomas Wondrak die Situation kritisch.
Barbara Bertolini, Initiatorin und Gründerin des Institutionellen Altersvorsorge- und Investorengipfels, welcher am 6. und 7. Juni bereits zum dritten Mal stattfindet, erläutert: „Dieses Thema wird auch beim kommenden Gipfeltreffen eingehend diskutiert – beispielsweise mit Dr. Judith Kerschbaumer von ver.di, Mag. Gerald Loacker von den NEOS, Dr. Josef Wöss von der Arbeiterkammer Wien, Christian Röhle von der Pensionskasse der Mitarbeiter der Hoechst Gruppe und auch mit Herrn Mag. Thomas Wondrak. Es wird eine äußerst kontroverse Diskussion werden“, verspricht Bertolini jetzt schon.
Das neue Deutsche „Betriebsrentenstärkungsgesetz“
Das Deutsche „Betriebsrentenstärkungsgesetz“ greift kritische Punkte im Zusammenhang mit der Betrieblichen Altersvorsorge auf und löst diese pragmatisch:
- Es ermöglicht ein Sozialpartnermodell mit reiner Beitragszusage und Opting-Out: Auf tarifvertraglicher Grundlage können so Betriebspensionen eingeführt werden.
- Ein Fördermodell für Geringverdiener entsteht: Im Einkommensteuergesetz wird ein neues steuerliches Fördermodell spezifisch für Geringverdiener eingeführt.
- Es kommt zur Erhöhung des steuerfreien Betrags bei der Entgeltumwandlung über Pensionskassen, Pensionsfonds und Direktversicherungen: Die Höchstbeträge für steuerfreie Zahlungen werden zu einer einheitlichen prozentualen Grenze zusammengefasst und angehoben.
- Der „Deutsche Rentenversicherung Bund“ wird zur objektiven Informationsquelle für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen.
Die Lösung unseres Nachbarn macht es vor
Wie in Österreich, hängt in Deutschland der Zugang zu betrieblicher Altersvorsorge sehr stark von der Größe eines Unternehmens ab. Je größer ein Unternehmen, umso hoher die Wahrscheinlichkeit einer zusätzlichen Absicherung durch eine BAV. „Für die Stärkung der zweiten Pensionssäule müssen auch in Österreich KMU Förderungen für die Errichtung von Betriebspensionen entstehen. Nachteile für Einzelunternehmer müssen endlich beseitigt werden,“ so Wondrak. Gerade für die Forcierung im Bereich der KMU ist der Kollektivvertrag weiterhin ein wesentliches Tool. In circa 50 kleineren Kollektivverträgen ist die BAV bereits enthalten. Die beiden Großen - Handel und Gewerbe - stehen allerdings noch aus. Es muss eine Lösung für die sofortige Anwendung der BAV in diesen und anderen Kollektivverträgen gefunden werden. Für die österreichischen KMU wäre außerdem ein BAV-Absetzbetrag ein essentielles Tool, dass die zweite Säule stärken würde.
Es braucht auch bei uns eine Informationsoffensive sowohl bei Arbeitgebern, als auch Arbeitnehmern. Jeder sollte effizient und einfach über seine Möglichkeiten und die Vorteile durch eine Betriebliche Vorsorge informiert werden. Drüber hinaus muss es, wie auch im deutschen Modell, neue Anreize für Kleinverdiener geben. Außer dem vagen Plan einer allgemeinen „Förderung“ der Betrieblichen Altersvorsorge im Regierungsprogramm, ist derzeit nichts davon auf der Agenda der Bundesregierung ersichtlich – die Reformbestreben im Bereich der Betrieblichen Altersvorsorge sind zum Stillstand gekommen.
Anstehende EU-Richtlinien müssen konsequent implementiert werden
Zu diesem allgemeinen Reformstillstand kommen zwei wichtige EU-Richtlinien, deren Umsetzung in Österreich stark in Verzug sind. Einerseits die IORP II-Richtlinie, zur grenzüberschreitende Zulassung von Pensionskassen in Europa. Umgesetzt muss diese bis Anfang 2019 werden – eine Gesetzesvorlage wurde soeben erst in Begutachtung geschickt. Hinzu kommt die sogenannte „Portabilitätsrichtlinie“, die die Freizügigkeit der ArbeitnehmerInnen im Zusammenhang mit betrieblichen Pensionen verbessern soll. Die Frist zur Umsetzung ist am 21.05.2018 – also in wenigen Tagen. Wir hinken drastisch hinterher und sind, in diesem sehr wichtigen Bereich, von einer Übererfüllung von Vorschriften weit entfernt. „Von Goldplating kann hier keine Rede sein!“ fasst Thomas Wondrak die Umsetzungsmoral im BAV-Bereich kritisch zusammen.
Ergänzungen zur ersten Säule sollten gerade jetzt hoch im Kurs stehen
Es wird, vor dem Hintergrund des absoluten Stillstands in der Weiterentwicklung der Betrieblichen Altersvorsorge, immer relevanter einen öffentlichen Dialog anzustoßen. Um die Potenziale und Möglichkeiten der zweiten Säule voll ausschöpfen zu können, bedarf es eines ganzheitlichen und qualitätsvollen Verständnisses der Thematik. Es geht darum, eine sowohl für die Arbeitergeber- als auch Arbeitnehmerseite attraktive und nachhaltige Lösung für eine sichere Vorsorge im Alter zu finden.
Die Reform der gesetzlichen Sozialversicherungsträger wäre die Gelegenheit
Wir befinden uns derzeit mitten in einer Reformdiskussion rund um die gesetzliche Sozialversicherung. Dabei geht es aber nahezu ausschließlich um die erste Säule unseres Pensionssystems, welche derzeit über 90% unserer Pensionszahlungen zu tragen hat. Es wird klar: Durch die Erhöhung der Durchrechnungszeiträume, wird die Höhe der staatlichen Pensionen weiter sinken. Experten gehen von 40% niedrigeren Pensionen aus. Betroffen davon sind alle Jahrgänge ab 1968. Also der Hauptteil der arbeitenden Bevölkerung in Österreich. „Eine Ergänzung zur ersten Säule des Pensionssystems sollte also eigentlich hoch im Kurs stehen – eine Debatte über die Verbesserung der zweiten Säule findet aber derzeit nicht statt,“ stellt Thomas Wondrak fest.
Pensionssystem muss langfristig stabil auf drei Säulen ruhen
„Es braucht rasch eine sachliche und ganzheitliche Analyse des österreichischen Pensionssystems und die konsequente Umsetzung einer Strategie, die die Notwendigkeit einer staatlichen Vorsorge beachtet und gleichzeitig die betriebliche Vorsorge stärkt,“ so Wondrak. „Das wäre eigentlich der klare Auftrag an die Bundesregierung – denn unser Pensionssystem muss langfristig stabil auf allen drei Säulen ruhen können.“
Veranstaltungstipp:
6 und 7. Juni 2018: Institutioneller Altersvorsorge- und Investorengipfel 2018 in Wien
Institutionelle Investoren bzw. Vertreter von Pensionskassen mit einem verwalteten Vermögen von über 600 Milliarden Euro aus Deutschland, der Schweiz und aus Österreich treffen sich bei diesem jährlichen Entrevue.
Unterstützt wird das Spitzentreffen von Golding Capital Partners (Hubertus Theile-Ochel), Wellington (Isaak Better), AviaRent (Dan-David Golla), Robeco (Ingo Ahrens), Union Investment (Sandra Hofer), Allianz Global Investors (Ernst Riegel), Pimco Deutschland (Alexander Hartl) und Mainfirst (Marco Seminerio).