Bekanntlich hat alles, bis auf die sprichwörtliche, g´füllte Haut, ein Ende, so auch meine urlaubsbedingte Absenz. Komm ich also wieder ins Bureau unter der Annahme, dass die Welt sich zumindest ein bisserl schneller gedreht haben müsste, weil den einen oder anderen Newsfeed erwischt man ja sogar weit ab von allen Tagesroutinen, aber siehe da, es ist zwar viel passiert, aber geschehen ist gar nichts. Handelskrieg mit China, Handelskrieg mit Europa, dann doch nicht, weil Deal mit Junker, Nord Korea macht - was für eine Überraschung ;-) - genau dort weiter, wo es offensichtlich eh nicht aufgehört hat, Iran Sanktionen, harter Brexit und so weiter und so fort…
Den Markt kratzt das alles anscheinend überhaupt nicht mehr, wobei man fairerweise festhalten muss, dass das nicht erst in den letzten zwei Wochen so war und, dass tatsächlich passiert, wirklich noch nichts ist. Hier mag man bei der Evaluierung der politischen Risiken durchaus richtig liegen, da Trump eventuell wirklich unter die Kategorie Hunde fällt, die dann doch nicht beißen, aber wirtschaftlich wird ein Handelskrieg mit China Auswirkungen haben. Ähnliches gilt für den Brexit, so er denn kommt. Die Hoffnung stirbt hier offensichtlich zuletzt…. Das ist im Übrigen ein Phänomen, dass sich in der letzten Zeit immer sichtbarer in die Marktperzeption eingeschlichen hat. Angefangen haben wir, wie an dieser Stelle dereinst diskutiert, damit, dass wir vom Forecast zum Nowcast übergegangen sind. Inzwischen ist es so, dass wir überhaupt nur mehr ex post auf Ereignisse reagieren.
Natürlich sind Prognosen immer mit großen Unsicherheiten behaftet, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen ;-), aber ist es nicht, neben der Kapital(re)allokation die ureigenste Aufgabe der Finanzmarktteilnehmer, zukünftige Entwicklungen zu prognostizieren, mit Wahrscheinlichkeiten zu versehen und sich danach zu positionieren? Klar verliert man nach zehn Jahren Zentralbankmanipulation die Lust, aber ganz aufgeben? Ich sage nein! :-) Weil ansonsten, könnten wir unsere Tätigkeit wegen sportlicher Wertlosigkeit wohl gleich einstellen und alles irgendwelchen KIs überlassen.
Apropos sportliche Wertlosigkeit: Noch so eine, in meinen Augen nicht unproblematische, Entwicklung ist in den letzten Tagen hervorgekommen. Fidelity hat doch tatsächlich einen Fonds zum Null-Tariff aufgelegt. Wenn das kein reiner Marketingschmäh ist, was natürlich sein kann, dann sind wir dem Vor-Krisen-Strukturierungswahnsinn damit wieder ein Stückerl näher gekommen, weil – and you can trust me on that :-) – umsonst macht die Finanzindustrie gar nichts. Es liegt der Schluss also nahe, dass hier eine Reihe von versteckten Fee-Generatoren eingesetzt wird, damit am Ende doch noch ein bisserl was überbleibt, wobei die Verleihung von Wertpapieren aus dem Bestand nur der augenfälligste Weg ist. Die Milchmädchenrechnung (ist das eigentlich noch politisch korrekt einsetzbar das Milchmädchen? ;-)) ist hier die, dass wohl je schlechter die Bonität dessen ist, dem ich ein Papierl leihe, desto mehr Leihgebühr wird er wohl zahlen müssen. Na dann hoffen wir mal, dass wir immer alles fristgerecht zurückbekommen und uns keiner Pleite geht von den Ausleihenden… (Wertpapierleihe ist natürlich nichts neues und zum Profit-Enhancement, wenn´s vernünftig gemacht wird, grundsätzlich ein probates Mittel!)
Zum Abschluss noch ein anektotisches Evidentium, dass sich der Zyklus seinem Ende zu neigen könnte: Private Equity ist wiedermal in aller Munde. Hat natürlich viele Vorteile für den Verkäufer: Illiquidität, lange Lock-Up Perioden, unter Umständen eine Nachschusspflicht nach drei, fünf, etc Jahren und natürlich kein Mark-to-Market. Bitte mich da jetzt nicht falsch zu verstehen, natürlich gibt es Opportunitäten abseits der regulierten, liquiden Finanzmärkte, aber plötzlich so viele? Landet unlängst zB ein Fonds auf meinem Tisch, der in Kraftwerke in Japan investiert und dafür Geld sucht. Natürlich hauptsächlich Kohle, also alte Technologie; bevor der Fonds Anteile der Kraftwerke (49%) von den Betreibern erwerben kann, werden diese in SPVs ausgelagert (also runter von der Bilanz) und dann gemeinsam betrieben. Lock Up Periode: zehn Jahre; erwartet Internal Rate of Return: 8-10%; Exitstrategie: aus dem dann zehn Jahre älteren Kraftwerk, keine erkennbare. Noch Fragen? ;-) Irgendwer wird da sicher dran verdienen, aber der Endinvestor wahrscheinlich eher nicht, fürcht ich… Drum halten wir es mit Schiller: Drum prüfe wer sich ewig bindet…. Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang! :-)
Und aus!
Die nächsten beiden Mittwochsmails dürften Feiertags- und Reise bedingt wahrscheinlich schon jeweils am Dienstag erscheinen.
Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH
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