"Die chinesische Wirtschaftsleistung (BIP) liegt in 2018 bei über USD 14‘000 Mrd. Die Nettoexporte von China nach USA liegen bei „nur“ circa USD 320 Mrd. Diese Größenrelationen zeigen, dass die US-Strafzölle die Wirtschaftsentwicklung Chinas nicht nachhaltig beeinflussen werden können. Die Aktienmarktkorrektur der vergangenen Wochen scheint überzogen. Die Fundamentaldaten zeigen jedenfalls in eine andere Richtung.
Der chinesische Aktienmarkt (MSCI China) hat seit Beginn dieses Jahres um 14% und seit Anfang Juni um ca. 20% korrigiert. Ausschlaggebend für diese Entwicklung waren die folgenden Faktoren:
• Der wichtigste Grund ist der Handelskonflikt zwischen den USA und China.
• Zusätzlich belastet das „Fed Tightening“ und steigende Zinsen in den USA die Emerging Markets.
• Daneben haben die Abwertung des RMB gegenüber dem US-Dollar seit Juni…
• …und eine leichte Abschwächung des Wachstums in den ersten Quartalen nach einem überdurchschnittlich starken Wachstum im Jahr 2017 ebenfalls eine Rolle gespielt.
Der Markt hat übertrieben reagiert
Aus fundamentaler Sicht ist diese starke Marktreaktion nicht gerechtfertigt. Vielmehr hat sich der Markt, anders als in vergleichbaren Situationen, deutlicher von den Fundamentaldaten wegbewegt. Auch wenn das Verhalten der USA im Handelskonflikt den Markt kurzfristig weiter verunsichern kann, ist China auf dem jetzigen Niveau im historischen Vergleich und im Vergleich zu anderen Märkten tief bewertet.
Diese Einschätzung ist auf die folgenden Daten gestützt:
1. Der Handelskonflikt hat nur marginal Auswirkungen auf China; die negativen Folgen werden massiv überschätzt.
Die „schlechte Nachricht“ ist, dass es beim Handelskonflikt zwischen den USA und China nicht (nur) um Handelsthemen geht, sondern letztlich um geopolitische und geo-ökonomische Fragen; entsprechend schwierig kann deshalb eine Einigung sein. Als Investor sollte man sich deshalb den „Worst Case“ ansehen!
Die „gute Nachricht“ ist, dass China eine riesige Binnenwirtschaft ist, die Nettoexporte machen nur 3% des Bruttosozialprodukts aus.
Außerdem: Der Anteil der Exporte Chinas, die in die USA gehen, sinkt kontinuierlich; mittlerweile ist das Exportvolumen mit dem benachbarten asiatischen Raum mehr als zweimal so groß wie mit den USA.
Die negativsten Schätzungen von Ökonomen gehen von einem Rückgang des Wachstums in China von 0,5% aus (2018 liegt das reale Wirtschaftswachstum bei ca. 6,5%).
2. Die chinesische Regierung reagiert proaktiv auf die negativen Auswirkungen.
Die chinesische Regierung hat bereits im April begonnen, durch gezielte Maßnahmen die Wirtschaft zu stützen. Zentrale Maßnahmen sind:
- Steuersenkungen, um die Investitionskraft kleiner und mittlerer Unternehmen zu stärken.
- Versorgung des Marktes mit Liquidität durch die Senkung der Mindestreservesätze.
- Abwertung des RMB gegenüber dem US-Dollar.
- Lockerungen bei der Genehmigung von Infrastrukturinvestitionen.
- Anreize für Banken, die Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen zu steigern.
Wesentlich ist, dass anders als bei früheren Stützungsmaßnahmen nicht einfach Geld ins System gepumpt wird, sondern die Gelder für strukturelle Verbesserungen eingesetzt werden – statt zu Kapazitätserweiterungen werden die Unternehmen beispielsweise zu Investitionen in die Automatisierung ihrer Anlagen ermutigt.
Die chinesische Zentralbank hat wie bereits erwähnt vermutlich gezielt eine Abwertung des RMB gegenüber dem US Dollar von rund 5% herbeigeführt, was die Zölle zu einem wesentlichen Teil kompensiert.
Ökonomen erwarten ein Wirtschaftswachstum von real 6,5% in 2018 für China; manche erwarten für das zweite Halbjahr sogar eine leichte Beschleunigung des Wachstums bzw. haben ihre Wachstumsannahmen nach oben revidiert. Das nominale Wirtschaftswachstum wird in 2018 bei ca. 10% liegen, was ein äußerst attraktives Umfeld für Unternehmen bietet, die Gewinne weiter deutlich zu steigern.
3.Die Marktreaktion - negative Kursentwicklung trotz stimulierender Geld- und Fiskalpolitik - ist im historischen Vergleich atypisch:
- Verglichen damit, dass der Aktienmarkt in der Regel auf monetäre und fiskalische Lockerungen deutlich positiv reagiert hatte, ist die Entwicklung der letzten Monate sehr ungewöhnlich.
- Dass der Markt von fundamental gerechtfertigten Niveaus stark abgewichen ist, zeigt sich auch daran, dass die Unternehmen in einer äußerst robusten Verfassung sind: Im ersten Halbjahr 2018 sind die Gewinne im Vergleich zum Vorjahr um 23% gewachsen; für die Jahre 2019 und 2020 wird für den MSCI China ein Gewinnwachstum von 16% bzw. 14% erwartet; Strukturbereinigungen auf der Angebotsseite und das Investitionsverhalten der Unternehmen sorgen dafür, dass sich die Kapazitätsauslastungen schrittweise verbessern; gleichzeitig bauen die Unternehmen ihre Verschuldung ab und stärken ihre Bilanzen.
- Die leichte Wachstumsabschwächung, die in den letzten Quartalen zu sehen war, ist ausschließlich auf einen Rückgang der staatlichen Investitionen zurückzuführen, was grundsätzlich positiv ist und notfalls auch Spielraum zum Gegensteuern bietet. Die Regierung hat begonnen, diesen Spielraum vorsichtig zu nutzen, ohne die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.
In Summe ist zu erwarten, dass sich die extremen Risikoprämien im Markt normalisieren und der Markt zu durch die Fundamentaldaten gerechtfertigte Niveaus zurückfindet (Bewertungsniveaus derzeit rund eine Standardabweichung unter dem langjährigen Mittel).
Zusammenfassung
Auch wenn der Handelskrieg von US-Präsident Trump ganz klar das Sentiment und die Risikoprämie negativ beeinflusst, ist es doch wichtig, die fundamentalen Fakten zu beachten. Die gesamten chinesischen Nettoexporte in die USA von circa 300 Mrd. USD stehen einer gesamten Volkswirtschaftsleistung von China von 14.000 Mrd. USD im Jahr 2018 gegenüber. Es sind also nur etwas mehr als 2%, über die Trump hier einen direkten Einfluss ausüben kann.
Wir bei ASPOMA sind fokussiert auf chinesische Unternehmen, die ihre Güter und Dienstleistungen an chinesische Konsumenten verkaufen, den bei weitem größten und am stärksten wachsenden Teil der chinesischen Wirtschaft. Die Auswirkungen des Handelskonflikts auf das Gewinnwachstum dieser Unternehmen sollten gering ausfallen."
Dr. Harald Staudinger, Investmentexperte und Geschäftsführer, ASPOMA Asset Management
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