e-fundresearch.com: Frau Schlick, vor ziemlich genau einem Jahr haben wir uns in einem Interview über MiFID II und dessen potenzielle Auswirkungen unterhalten. Mittlerweile wird MiFID II seit neun Monaten aktiv im Markt angewendet. Welche Erkenntnisse ziehen Sie aus den bereits mehr als sechs Monaten „MiFID II Live“? Wo hat es die, in Ihren Augen, größten Überraschungen gegeben?
Anja Schlick: Große Überraschungen gab es nicht. Schließlich war MIFID II ja lange genug angekündigt. Die Verschiebung der Einführung um ein Jahr hat dann für den dringend benötigten Spielraum für die anstehenden Anpassungen gesorgt. Letztlich waren unsere Kunden dank der Unterstützung des Verbands unabhängiger Vermögensverwalter (VuV) durch dessen Präsenzseminare und unseres Informationsangebots in Form von Webinaren zum Start Anfang des Jahres gut vorbereitet. Insbesondere die Aktualisierung der bestehenden Verträge verlief reibungslos, nicht zuletzt, weil wir die Vermögensverwalter bereits im ersten Quartal 2017 auf die bevorstehenden Änderungen hingewiesen hatten. Im Wesentlichen ging es dabei um die Streichung von Provisionsklauseln. Viele Vermögensverwalter haben daher zumindest im Neugeschäft bereits im vergangenen Jahr auf die Annahme von Provisionen verzichtet. Schwierigkeiten bereitet dagegen, wie wir hören, bei Bestandskunden eine höhere Verwaltungsvergütung durchzusetzen, um den Wegfall von Provisionen zu kompensieren. Hier ist weiterhin Überzeugungsarbeit zu leisten.
e-fundresearch.com: Wie hat sich MiFID II bislang speziell auf das Segment der unabhängigen Vermögensverwalter ausgewirkt? Ist die „Umgewöhnung“ hier bereits vollständig abgeschlossen worden oder befinden sich viele Marktteilnehmer nach wie vor in einer schmerzhaften Lernphase?
Anja Schlick: Die Umstellung lässt sich ja nicht bewältigen, indem man einfach einen Schalter umlegt. Sie ist vielmehr ein Prozess, nicht nur wegen der genannten Herausforderung im Umgang mit Bestandskunden, sondern vor allem, weil viele Detailfragen noch nicht abschließend geklärt sind. Das betrifft etwa die Frage, was genau als unerlaubte Zuwendung zu gelten hat; hier besteht nach wie vor erhebliche Unsicherheit. Ein weiterer zentraler Unsicherheitsfaktor ist in der geforderten „Ex-ante-Kostentransparenz“ zu sehen. Darin zeigt sich bislang eine sehr heterogene Herangehensweise unterschiedlicher Akteure, die auf eine mangelnde Eindeutigkeit der Vorgaben des Regulators zurückzuführen ist. So werden teilweise unterschiedliche Betrachtungszeiträume und verschiedene Berechnungsmethoden für produkt-immanente Transaktionskosten herangezogen, die durchaus zu Wettbewerbsverzerrungen führen können. Allerdings hat die BaFin dieses Problem erkannt und Abhilfe in Form einer Konkretisierung versprochen. Auch im Meldewesen, dem wohl komplexesten Feld der MiFiD-II-Regelungen, gibt es noch etliches zu präzisieren und entsprechend anzupassen. Hier sind allerdings weniger die Vermögensverwalter, sondern in erster Linie wir als Service-Dienstleister gefordert.
e-fundresearch.com: Auch das Investmentsteuergesetz hat in den vergangenen Monaten für zusätzlichen administrativen Aufwand gesorgt: Wie gut waren unabhängige Vermögensverwalter hierauf vorbereitet? Welche konkreten Auswirkungen konnten Sie bislang beobachten?
Anja Schlick: Die Umsetzung des Investmentsteuergesetzes hat vor allem bei Kapitalverwaltungsgesellschaften und Verwahrstellen für eine Menge Arbeit gesorgt. Gemeinsam konnten wir aber frühzeitig unabhängige Vermögensverwalter recht gut auf das Thema vorbereiten. Auch das umfangreiche Angebot des VuV hat sich vielfach als hilfreich erwiesen, um adäquat auf die Neuregelung reagieren zu können. Selbst wenn das Thema für viele Vermögensverwalter kein Selbstläufer war und eine aktive Auseinandersetzung erfordert hat, sind zeitweise befürchtete Mittelabflüsse nach Wegfall des Steuerprivilegs weitenteils ausgeblieben. Eine Ausnahme mögen allenfalls die sogenannten Millionärsfonds sowie einige schnell gestrickte Dachfonds sein, die vor 2008 aufgelegt wurden, um die Abgeltungsteuer zu umgehen. Durch den Wegfall der Steuerfreiheit dürften sie für viele Investoren nun kaum noch interessant sein. Das wird den Wettbewerb um die besten Anlage-Lösungen für unterschiedliche Zielgruppen aber nur befördern.
e-fundresearch.com: Sind derzeit weitere Regulierungsinitiativen für den Fondsmarkt in der Diskussion? Wenn ja, welche?
Anja Schlick: Der Regulator kennt bekanntlich keine Atempause. Auf europäischer Ebene ist eine Nachfolge-Regulierung häufig schon längst im Gespräch, bevor die aktuelle Richtlinie auf nationaler Ebene umgesetzt ist – siehe beispielsweise das Ucits-Regime. Wir sind daher zu jeder Zeit angehalten, neue Regulierungsinitiativen zu beobachten, zu evaluieren und wo nötig kritisch zu begleiten. Aktuell ist etwa die gerade in Kraft getretene EU-Richtlinie für Geldmarktfonds zu nennen: Für die Vehikel gelten nunmehr EU-weit einheitliche, strengere Regeln, die insbesondere die Mindestliquidität und die Steuerung von Anteilsrückgaben betreffen. Bestehende Geldmarktfonds müssen dabei innerhalb einer Übergangsfrist bis zum 21. Januar 2019 einen Antrag auf Neuzulassung bei der jeweiligen Aufsichtsbehörde stellen. Außerdem ist noch im laufenden Jahr mit einem neuen Verwahrstellenrundschreiben der BaFin zu rechnen, das die Mindestanforderungen an das Depotgeschäft konkretisieren soll. Das Ergebnis bleibt abzuwarten, denn der Entwurf des kurz MaDepot genannten Schreibens aus dem April hat doch einige Fragen aufgeworfen. Und schließlich steht im Rahmen von Ucits VI mittelfristig die Einführung eines EU-Passes für Verwahrstellen zur Harmonisierung der Verwahraufgaben und Kontrollfunktionen an.
e-fundresearch.com: Welche anderen Themen und Trends abseits der Regulierung bewegen unabhängige Vermögensverwalter derzeit?
Anja Schlick: Wie alle Investoren beschäftigt sie das weiterhin schwierige Marktumfeld, allem voran das anhaltend niedrige Zinsniveau. Hinzu kommt die gewachsene Nervosität an den Aktienmärkten, die derzeit immer wieder von der eigensinnigen Politik Donald Trumps befeuert wird. Stets relevant ist das Thema Digitalisierung in all seinen Facetten: Online-Portale sorgen heute dafür, dass sich Produkte jederzeit komfortabel vergleichen lassen, Robo-Advisor positionieren sich als Konkurrenz zum klassischen Vermögensverwaltungs-Modell, und Kunden verlangen zunehmend anspruchsvoll aufbereitete Informationen und Zugriff auf alle Dienstleistungen rund um ihr Depot über unterschiedliche mobile Endgeräte. Mit einem monatlichen Investorenbrief ist es da nicht mehr getan. Dabei macht es der durch MiFID II hervorgerufene verschärfte Margendruck Vermögensverwaltern nicht unbedingt leichter, den gewachsenen Ansprüchen ihrer Kunden gerecht zu werden.
e-fundresearch.com: Wie können sich unabhängige Vermögensverwalter im aktuellen Umfeld differenzieren? Welche konzeptionellen, operativen und strategischen Vorteile sind gegenüber ihren Wettbewerbern im Bereich Großbanken und großen Fondsgesellschaften vorrangig zu erwähnen?
Anja Schlick: Viele unabhängige Vermögensverwalter überzeugen mit klaren Konzepten, erprobten Strategien, die sie unabhängig von Hausmeinungen oder Marketingstrategien umsetzen können, großer Erfahrung und einem erheblichen persönlichen Engagement. Sie sind es gewohnt, das Vermögen ihrer Kunden gerade auch in schwierigen Kapitalmarktphasen risikokontrolliert zu verwalten. Neben klassischen vermögensverwaltenden Ansätzen umfasst ihr Repertoire zudem häufig auch Lösungen abseits ausgetretener Investmentpfade, die auf ausgewiesenem Spezialwissen fußen. Punkten können sie zudem mit ihrem klaren Fokus auf individuelle Kundenbedürfnisse: Gerade in Zeiten der regulierungsbedingten zunehmenden Standardisierung der Anlageberatung großer Institute ist die individuelle Kundenbetreuung ein entscheidendes Plus. Insofern spielt MiFID II vielen unabhängigen Vermögensverwaltern durchaus in die Hände.