Nicht, dass sich die Fassungslosigkeit von letzter Woche deutlich verringert hätte, man könnte sogar meinen, sie hätte sich globalisiert. (Pan-europäisiert ist, glaub ich, kein Wort oder? ;-)) Wer gestern mit einem Auge/Ohr die Debatte im britischen Unterhaus verfolgt hat, die ja, wie alle Sitzungen des britischen Parlaments, für einen Zentraleuropäer per se schon einen gewissen Unterhaltungswert hatte, könnte den Eindruck bekommen haben, dass sogar der letzte Hinterbänkler einer gewissen Verzweiflung anheimgefallen ist. Denke, der hier schon des Öfteren bemühte Goethe´sche Zauberlehrling, apropos Geister die ich rief, könnte zur neuen britischen Hymne avancieren.
Was in diesem Zusammenhang auch interessant ist, ist, dass der Finanzmarkt, die Gemeinschaft der Volkswirte und alles andere, an das wir so glauben, die Wahrscheinlichkeit für einen harten Brexit bis dato relativ gering eingestuft haben. Nun hatte ich Anfang der Woche die Gelegenheit die Außenministerin eines europäischen Kleinstaates und den Ex-Präsidenten eines nicht wesentlich größeren Nachbarstaates zu hören und da hat die Angelegenheit vollkommen anders geklungen. Tatsächlich wurde expressis verbis gewarnt, man möge sich durchaus auf ein vertragsloses Ende vorbereiten.
Natürlich spricht das Ergebnis der gestern abgestimmten Amendements dagegen, aber, um aus der gleichen, obigen Veranstaltung zu zitieren „ The EU is good at kicking the can down the road..“, aber einstimmige Entscheidungen unter den 27 Hinterbleibenden zu treffen und das noch dazu unter Zeitdruck in einem wirklich nicht kooperativen Spiel, ist die Stärke des Vereins nicht. Dadurch, dass sich die aktuelle Problematik von denen der Vergangenheit unterscheidet, indem sie durch jeden Tag, den man überlebt hat (siehe Finanzkrise, Griechenlandkrise etc), nicht der Lösung (Stichwort: muddling through), sondern der Katastrophe näher kommt, kann das Ganze durchaus noch vollkommen ins Auge gehen…
Ein wenig untergegangen in dem ganzen Inselchaos ist auch, dass Merkel und Macron letzte Woche in Aachen nicht nur den 1953 zwischen Adenauer und de Gaulle geschlossenen deutsch-französischen Freundschaftsvertrag erneuert haben, sondern, wenn ich das richtig interpretiere, ein ganz deutliches Signal (auch wenn´s keiner mitbekommen hat ;-)), zur Schaffung einer Kernunion gesetzt haben. So wichtig und richtig eine tiefer gehende inner-europäische Integration auch ist, darf man das Ganze wahrscheinlich auch als Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Visegrad Staaten verstehen. Na hoffentlich entscheidet sich Österreich dereinst für die richtige Seite…. :-)
Was tut sich sonst noch auf der Welt? Ein Thema, dass in den letzten Wochen ein bisserl aus den Köpfen verschwunden ist, ist die Inflation. Nun, dass könnte sich eventuell rächen. Zum einen mehren sich die Stimmen, dass der Zusammenhang zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit (bzw. die Inversion desselben), ie die Philippskurve, so tot nicht ist und zum anderen könnte, wenn die Verhandlungen zwischen den USA und China scheitern, was nicht unwahrscheinlich wirkt, das auch einen recht deutlichen inflationären Impuls liefern. Wird doch ein nicht unwesentlicher Teil der schwer bis nicht substituierbaren Importe in die USA mit einem Schlag um 25% teurer… Wenn dann zur steigenden Inflation noch eine schwächelnde Wirtschaft dazu kommt, dann gefiele uns das wohl gar nicht. Ich glaub das dazugehörige Schlagwort nennt man wohl Stagflation…
Nächsten Mittwoch hat die Kassandra Urlaub, wer trotzdem nicht auf eine wöchentliche Portion Pessimismus verzichten will, kann mir ja schreiben oder mich anrufen! :-)
Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH
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