Was hat sich eigentlich geändert seit der Finanzkrise? Da sind natürlich die Augenfälligkeiten, wie das Verschwinden der Renditen insbesondere in Europa, ein bisserl mehr formale Sicherheit bei den Banken und eventuell auch bei vielen Instrumenten, die wir so handeln – wobei sich über beides sicherlich trefflich streiten ließe – wesentlich mehr Automatisierung und generell scheint jetzt alles transparenter und billiger zu sein. Wobei Schein und Sein möglicherweise ein bisserl weiter auseinander liegt, als das einige wahrhaben wollen. Kurzum der Finanzsektor gibt Grund zur Hoffnung, dass wir nicht wieder der Auslöser für die nächste große Krise sein werden. Nun darf ich hier eine Wahrheit verkünden, mitspielen werden wir sicher… :-)
Aber eigentlich wollte ich auf was ganz anderes hinaus! Was sich nämlich auch massiv geändert hat, wobei sich das in den letzten drei (?) Jahren gefühlsmäßig noch verstärkt hat, ist, dass wir unsere Tage hauptsächlich mit Warten verbringen. Gut, dass Regulatoren, Risikomanager und diverse Abfrager von administrativen Aufträgen immer schauen, dass es nicht fad wird beim Warten bzw. das nicht irgendwer Zeit zum Nachdenken hat, weil da könnt er ja auf Ideen kommen… ;-) Gewartet wird auf exogene Inputs bzw. darauf, dass sich der Nebel etwas hebt, aber es passiert nichts….
Am dichtesten ist der Nebel aktuell auf den britischen Inseln. Gewohntes Wetter also. Dass die Situation aber auch noch wenige Tage vor dem eigentlich vor zwei Jahren(!) festgelegten Austrittstermin so ist, wie sie ist, deutet doch auf eine neue Qualität des Chaos hin. Warten heißt es im Prinzip auch bei allem was die USA und DJ Trump angeht. Die Geschichte ist hier mit der europäisch/britischen insoweit vergleichbar, dass auf großartige Ankündigungen tolle Gipfeltreffen stattfinden, die dann mit weniger eindeutigen Ergebnissen zu Ende gehen, um dann wieder in aller Ruhe, jedenfalls bar jeder Konsequenz, zum Vor-Aufregungs-Status zurückzukehren. Das gilt insbesondere für Nordkorea, könnte aber auch auf die US-Chinesischen Handelsgespräche anwendbar sein.
Die eine oder der andere wird jetzt - natürlich zu recht - sagen, dass, wenn man einfach wartet, natürlich so man investiert ist, wenigstens keine Fehlentscheidungen trifft. War absolut richtig in den letzten Jahren. Relativ deutlich lässt sich das auch an der Performance vieler aktiver Strategien ablesen. Also keine Entscheidungen mehr, weiter warten und den billigsten ETF kaufen? Könnte eine Fehlkalkulation sein, augenfällig beim ETF, wenn der Bid Ask Spread hoch genug ist ;-), aber auch sonst. Das Problem dabei: das Fehlen von Dingen, die man am Weg verliert oder liegen lässt, merkt man gewöhnlich erst dann, wenn man sie wieder braucht, leider weiß man dann meistens nicht mehr wo oder wann sie verloren gegangen sind. Das gilt insbesondere natürlich für Wissen und Kompetenz.
Könnte natürlich auch sein, dass durch das immer stärker werdende Mitspielen von Algorithmen der Markt völlig entemotionalisiert wird und wir vollkommen vergebens auf irgendwelche Entwicklung außerhalb der mehr oder weniger harten Unternehmens- und Wirtschaftsdaten warten. Mal sehen wie die durchschnittliche KI auf den nächsten Schwarzen Schwan reagiert?! Gar nicht? Naja wenn er schwarz genug ist? Persönlich glaube ich, wobei da sicher die Hoffnung das ist, was auch diesmal zuletzt (hoffentlich ;-)) stirbt, dass wir solange emotionale Menschen emotionale Entscheidungen treffen, sei es als Wähler oder als Gewählter, wir nicht ganz in Lethargie verfallen sollten und wie der schlafende Hund ein Augerl halb offen halten sollten, weil´s vielleicht irgendwann doch wieder zählt wenn man unpopuläre Entscheidungen unter Unsicherheit zu treffen bereit ist. So gesehen, könnte sich Herr Trump als Retter einer ganzen Generation von Asset Managern erweisen… Naja, vielleicht doch besser nicht! :-)
Kurzfristig bleibt uns allerdings nur weiter zu warten, was passiert…. :-)
Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH
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