Die European Financial Planning Association, der auch der Österreichische Verband Financial Planners seit dem Jahr 2009 angehört, hat im März und April eine Umfrage unter ihren Mitgliedern – allesamt zertifizierte Finanzberater, die mindestens eine der drei EFPA-Zertifizierungen, EIP, EFA oder EFP besitzen – durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Befragung weisen dabei teils große internationale Unterschiede auf. Ein Trend, der jedoch europaweit auf dem Vormarsch ist, ist jener hin zur ganzheitlichen Beratung.
Heimische Berater haben 3,83 Themen im Angebot
Die österreichischen Finanzexperten beraten ihre Kunden im Schnitt zu 3,83 Themen, beziehungsweise Produktkategorien. Damit liegen sie zwar im europäischen Durchschnitt, jedoch weit hinter ihren deutschen oder tschechischen Pendants, die Beratung zu jeweils 4,59, beziehungsweise 4,34 Themen anbieten. „Während die heimischen Finanzberater sehr stark auf die drei Klassiker Investments, Versicherungen und Hypotheken setzen, hinken sie beispielsweise beim Thema Nachfolgeplanung weit hinterher“, erläutert Professor Otto Lucius, Vorstandsmitglied im Verband Financial Planners. Beratung zu diesem wichtigen Themenkomplex wird hierzulande lediglich von 48 Prozent der Befragten angeboten. In Frankreich und Großbritannien liegen die Werte mit 89 und 88 Prozent hingegen weitaus höher. „Der Verband hat vor, hier stärker unterstützend einzugreifen und die Kompetenz in Sachen Nachfolgeberatung zu stärken“, legt Otto Lucius dar.
Österreicher keine Experten für „eh alles“
Was eine sehr detaillierte Expertise in allen Gebieten der Finanzberatung betrifft, haben die Österreicher die Grenzen der ganzheitlichen Beratung und ihrer eigenen Kompetenzen jedoch erkannt, und das viel stärker als die Befragten in allen anderen Ländern. 72 Prozent der heimischen Berater gaben an, es sei unmöglich, tiefgreifende Kenntnisse in wirklich allen Gebieten aufweisen zu können. Im europäischen Durchschnitt waren nur 45 Prozent der Befragten dieser Meinung. „Die österreichischen Berater haben hier einen sehr realistischen Zugang und ziehen zunehmend Dritte als externe Spezialisten hinzu“, so Lucius.
Millennials: begehrt als Klienten und Kollegen
Wie die EFPA-Umfrage eindrucksvoll zeigt, haben die europäischen Finanzberater Millennials als interessante Zielgruppe identifiziert. Die Angehörigen der sogenannten „Generation Y“ sind mittlerweile sowohl als Kunden, als auch als Kollegen begehrt. Insgesamt gaben 43 Prozent der Befragten an, dass ihr Arbeitgeber Anstrengungen unternimmt, um Millennials mit dem Thema Finanzberatung in Berührung zu bringen. Österreich liegt hier mit 41 Prozent nahe dem Durchschnitt. Während diese Anstrengungen auf Kundenseite vor allem auf Programmen zur besseren Finanzbildung und einem speziell für die junge Generation gestalteten Produktangebot beruhen, dominieren hinsichtlich der Rekrutierung von Millennials eigens strukturierte Trainingsprogramme und Praktika. „Das Durchschnittsalter der in den Unternehmen der Befragten beschäftigten Finanzberater liegt übrigens europaweit, genauso wie auch in Österreich, bei 47 Jahren“, kommentiert Professor Lucius. Die Stärken von Finanzberatern, die selbst der Generation der Millennials angehören, sehen die Befragten speziell im besseren Verständnis für gleichaltrige Kunden sowie im besseren Umgang mit neuen Technologien und Sozialen Netzwerken. Die Kehrseite der Medaille: Millennial-Berater hätten laut den Umfrageteilnehmern weniger Erfahrung im Umgang mit Kunden und deren Emotionen.
Kein Robo-Hype in Sicht
Die Frage, ob ihre Gesellschaft oder ihr Arbeitgeber aktuell in Erwägung ziehen würde, einen Robo Advisor zu entwickeln, beantworteten international lediglich 32, in Österreich gar nur 22 Prozent der Finanzberater mit Ja. Gesellschaften, die sich momentan mit diesem Gedanken beschäftigen, würden darüber hinaus mehrheitlich auf sogenannte Assisted Robo Advisors, also Systeme, die gemeinsam mit einem Berater aus Fleisch und Blut zum Einsatz kommen und diesen unterstützen, setzen. Trotz dieser geringen Prozentsätze ist man sich – zumindest europaweit – einig, dass die Einbeziehung von digitalen Technologien in die Beratungsbeziehungen einen Mehrwert bringen wird. In Österreich sind lediglich drei Viertel der Berater dieser Meinung. Der, gemeinsam mit Polen, niedrigste Wert in ganz Europa.