So da wären wir nun. Inzwischen hat das Virus auch das letzte Kaff der zivilisierten Welt und auch die USA erreicht. Mit jedem Tag, der vergeht, akkumulieren sich Daten und mithin Erkenntnisse, jedenfalls für die Statistiker, hoffentlich auch für die Mediziner. Unter dem Strich scheint sich dabei eines herauszukristallisieren: Es werden in den (vermeintlichen) Demokratien westlicher Prägung ganz klar Entscheidungen getroffen, wieviel Mitglieder einer Bevölkerung zugunsten der Wirtschaftsleistung man zu opfern bereit ist. Natürlich ist diese Entscheidung von Demographie, Gesundheitssystem, Reserven und Akzeptanz in der Bevölkerung abhängig, aber im finalen Kondensat läuft´s wohl darauf hinaus.
Die Extremata reichen hier wohl von den USA - A fellow Republican, Texas Lieutenant Governor Dan Patrick, suggested vulnerable senior citizens may be willing to sacrifice their lives for the good of the economy. (Quelle: Bloomberg Evening Briefing 25/03/2020) – bis zu den eher sozial(istisch) geprägten Staaten Europas. Welcher Weg letztendlich der weniger schmerzhafte sein wird, werden künftige Generationen zu beurteilen haben. Natürlich spielt der Faktor Zeit eine ganz wesentliche Rolle, denn je später ein Staat in den epidemiologischen Zyklus einsteigt, umso größer ist die Chance, dass die Zeit bis zur Entwicklung eines Medikaments kurz genug ist, um davon profitieren zu können. Dass das Risiko, hier falsch zu liegen (mit dem derzeitigen Wissensstand eines Beobachters ;-)) oder sich nur um wenige Monate zu verkalkulieren, relativ hoch ist, versteht sich von selbst. Die Toleranz für Heldentot ist in Nationen, die regelmäßig mit in Särgen von irgendwo zurückfliegenden Soldaten, konfrontiert sind, möglicherweise höher als in weniger kriegerischen Ländern.
Ein weiterer, meiner Ansicht nach, auch nicht glücklicher Nebenaspekt der Geschichte ist, dass aus diversen Kinder- und Jugendzimmern immer häufiger ein, wenn bis dato noch unterschwelliges Junktim zu hören ist, dass man der älteren Generation jetzt zwar gerne hilft, aber dann auch erwartet, dass, wenn die Geschichte endlich vorbei ist, man auch radikaler an der Erhaltung der Zukunft der nächsten Generationen – Stichwort Klimawandel – arbeitet. Dass das natürlich gerade in zukünftigen Zeiten des wirtschaftlichen Nachholbedarfs konfliktär werden wird, scheint selbstredend. Den Gedanken in allen Schichten einer möglichen Radikalität weiter zu spinnen, kann wohl jeder selber..
Wir haben also ein Problem und viele Lösungsansätze, die wir im Sinne unterschiedlicher Szenarien und deren Auswirkungen im Zeitverlauf mit Eintrittswahrscheinlichkeiten versehen können, um uns zu positionieren. Und schon sind wir mitten auf den Märkten. :-) Diese tun sich ganz augenscheinlich ja momentan auch nicht ganz leicht, ihren Fair Value zu finden. Das nach verhältnismäßig langem Kopf in den Sand stecken, das Kind mit dem Bade ausgeleert wird, ist weder neu noch gscheit, passiert aber in atemberaubender Regelmäßigkeit immer wieder nach dem gleichen Muster. Auf die strategischen Entscheidungen folgen die taktischen, dann die Algorithmen und dann der Rest. Unterwegs werden früher oder später von verschiedensten Mitspielern Short Positionen aufgebaut, dann kommt man drauf, dass die Welt, auch wenn´s nicht gut ausschaut, doch auch diesmal nicht untergehen wird und die bisserl Mutigen fangen an hineinzugreifen, was dann, wenn´s mehre Mutige gibt, dazu führt, dass die Shorts gegrillt werden und ihre Positionen glatt stellen müssen und so weiter…. In den USA sind wir ungefähr dort jetzt.
Das Spiel kann sich je nach Nachrichtenlage, bei mittelfristig wahrscheinlich abnehmender Schwankungsbreite, mehrfach wiederholen bis sich tatsächlich abzuzeichnen beginnt, was am Ende übrigbleiben wird und wer die Kosten trägt. Tatsache ist, dass die verabschiedeten Stützungspakte der diversen Regierungen und Zentralbanken absolut schon recht beeindruckend waren, sie aber – was meiner Ansicht nach noch wichtiger ist – in einer für den Markt ganz klaren Sprache gesagt haben „What ever it takes….“. Wir glauben ihnen natürlich, weil wir ihnen glauben wollen, aber auch weil alle im selben Boot sitzen, also das relative Gefüge zueinander sich nur unwesentlich verändert. Es geht ja seit der GFC eigentlich nicht mehr um das absolute Wachstum der Geldmenge, sondern nur noch darum, nicht aus dem Druckereiverband auszuscheren. Spieltheorie schau runter… ;-)
Wie geht´s nun weiter? Schwer zu sagen! :-) Wahrscheinlich ist es nicht die Zeit, sich Überzeugungen zu leisten, sondern flexibel zu sein, sein Umfeld bestmöglich zu schützen und nicht zu vergessen, dass die Sonne auch morgen wieder aufgehen wird und die Herausforderungen mit denen wir uns vor Covid19 herumgeschlagen haben, dann immer noch da sein werden oder wie mein Großvater zu sagen pflegte: In jeder Pleite liegt eine Chance…
Alles Gute & Hände waschen nicht vergessen! :-)
Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH
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