Alles neu macht das Virus. Oder doch nicht? Möglicherweise ist es Zeit, kurz innezuhalten und drüber nachzudenken, was eigentlich abseits von den akuten medizinischen Problematiken passiert und passieren wird. Persönlich sind mir zwischen all den Auskennern, Prognostikern und Zielgruppenkommunikatoren ein paar Dinge aufgefallen, die – zum Teil nicht sehr angenehme – Wahrheiten darstellen könnten, mit denen sich zu konfrontieren möglicherweise aus vielerlei Hinsicht nicht ganz unwichtig sein könnte. Also :-):
· Capitalism is working – wie es einer unserer Lieblings-US-Fondsmanager letzte Woche so treffend formuliert hat. Das gilt sicherlich für die USA. In Europa werden wir uns da ganz andere Diskussionen gefallen lassen müssen, die in die ganz andere Richtung gehen könnten. Vergemeinschaftung von Schulden, Verstaatlichung von Leitbetrieben, Vermögens- und Erbschaftssteuern sind da sicher nur die Spitze des ideologischen Eisbergs, dem wir da entgegensteuern. Das erklärt vielleicht auch, warum die US Aktienmärkte aktuell so stark outperformen…
· Der Arbeitsmarkt hat sich verändert, nicht nur durch die zum Teil völlig neuen Anforderungen an Automotivation, Selbständigkeit und Kommunikationsfähigkeiten weit ab von der Kaffeeküche, sondern vor allem dadurch, dass wir innerhalb weniger Wochen von einem Käufer zu einem Verkäufermarkt gekommen sind. Die Tage an denen Bewerberinnen und Bewerber, wenn sie überhaupt erschienen sind, zuerst ihre Wünsche geäußert haben bevor sie sich auf ein inhaltliches Gespräch eingelassen haben, scheinen gezählt. Eine bereits anekdotisch evidente Tatsache ist auch, dass sich Unternehmen aller Größen aktuell von all jenen trennen, die vielleicht nicht ganz oben auf der LieblingsmitarbeiterInnen Liste stehen, weil so einfach wird´s natürlich wahrscheinlich nie wieder…
· Das mit dem Klimawandel wird Covid-19 auf die Schnelle nicht lösen, aber es stellt natürlich eine immense Chance dar, da es aktuell ohnehin zu noch nie dagewesenen Kapitalreallokationen kommt. Die Regierenden dieser Welt hätten also nun eine einmalige Chance die Weichen so zustellen, dass wir ab nun zumindest in die richtige Richtung marschieren. Eine Innovationsprämie für die (deutsche Elektroauto)Industrie wäre da zum Beispiel eine Möglichkeit, wobei es derer natürlich unzählige gibt. Die Co2 Reduktion in der Atmosphäre dürfte eher eine langfristige Geschichte sein und sich durch vier Wochen Flugstopp nur bedingt beeinflussen lassen.
· Ein bisserl ein Problem werden wir mittelfristig wohl auch mit der Geldwertstabilität bekommen, weil rein marktwirtschaftlich betrachtet ein unbegrenzt vorhandenes Gut wohl schwerlich hoch zu bepreisen sein wird. Auch diese Erkenntnis könnte ein Grund für den starken Rebound der Aktienmärkte sein, weil wie das mit der Asset Price Inflation geht, haben wir in den Jahren seit der GFC ja schon gelernt. Tatsächlich ist mir aber wahrscheinlich ein inflationiertes Asset dann doch lieber, als ein Haufen buntbedruckten Papiers, wiewohl hier in Zeiten wie diesen eine mögliche intensionsfremde Verwertung auch Anhänger finden könnte. ;-). Das wiederum könnte natürlich auch eine Chance für dezentrale Digitalwährungen sein, fände man hier nur bald eine Konvention, die sich in traditionelle Fungibilitätsmaßstäbe übersetzen ließe. Leider scheint das ein bisserl gegen das Interesse der öffentlichen Schuldentilger zu gehen, fürcht ich.
Dass es natürlich eine Unzahl an weiteren zugewinnenden Erkenntnissen gibt, die ich, eh schon als Chefexperte ;-), in einer Mittwochsvormittagsrubrik nicht zu beleuchten vermag, ist selbstredend, zu tun bekommen wir tatsächlich mit den obigen vier Punkten jedenfalls genug und zwar leider alle. Die Ausprägungen werden unterschiedliche sein, dem einen geht´s wahrscheinlich mehr an die Butter, dem anderen mehr ans Brot, aber rudern werden wir wohl alle mehr müssen, um nicht vom Seemonster gefressen zu werden. :-)
In diesem Sinne: Glück auf, liebe Grüße & g´sund bleiben
Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH
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