Gröschls Mittwochskommentar: 28/2020

Der wöchentliche Blick auf die Märkte, (Geo-)Politik, Known Unknowns und andere wichtige Entwicklungen. Verfasst von e-fundresearch.com Gastautor Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH. Markets | 08.07.2020 11:58 Uhr
Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH / © interfoto
Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH / © interfoto
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Grundsätzlich stellen sich mir jeden Mittwoch dieselben zwei Fragen, unter deren Beantwortung, dann meistens der nachfolgende Text zustande kommt. Nämlich: Was ist passiert? Und was haben wir Neues erfahren/gelernt? Ganz blöd ist, wenn nichts passiert ist und wir auch nichts gelernt haben, wobei ersteres erfreulicherweise nur recht selten vorkommt. ;-) Nicht soo brüllend aus Sicht des Kommentators ist natürlich auch, wenn zwar viel passiert, aber – so wie derzeit – im Prinzip more of the same. Davon ausgehend, dass die meisten von uns mit dem Covid-Theater und den, vom Markt gänzlich ignorierten, Auswirkungen bereits (auch von mir ;-)) bis sozusagen Oberkante Unterkiefer gefüttert worden sind, steht das als Thema also nicht wirklich zur Verfügung.

Müssen wir uns also auf´s Gelernte konzentrieren. Das wiederum ist ja im Prinzip eine dankbare Aufgabe, ist es dabei doch so, dass - anders als bei fast allen anderen Dingen - der Grenznutzen beim Lernen kaum bis nicht abnimmt, sollte man meinen. Leider scheint das Startniveau zum einen und die Steilheit der Kurve zum anderen bei weiten Teilen unserer Mitmenschen derart niedrig bzw. flach zu sein, dass selbst lebenslanges Lernen nur sehr maßvoll ins Gewicht fällt... Es kann halt aber auch nicht jeder so schön und schlau sein, wie unsereiner. ;-)

Aber zurück in die Ernsthaftigkeit. Gelernt haben wir/ich in den vergangen Tagen insbesondere von der amerikanischen Notenbank. Zum Einen kursiert seit einiger Zeit eine Liste mit Emittenten (Corporates), deren Anleihen die Fed zu kaufen bereit ist; und da sind, für mich überraschend, durchaus einige Firmen aus Europa und Japan drauf. Zum anderen steht in einem offiziellen Statement der FED, das mir zugespielt ;-) wurde (Danke Bernhard!), sinngemäß zu lesen, dass die FED nur Kredite vergibt/Anleihen  von Unternehmen kauft, von denen sie überzeugt ist, dass diese sie auch werden zurückzahlen können. Ist eigentlich höchst logisch und im Sinne des ordentlichen  Kaufmanns, der ja abgesehen von Herrn Weidmann (wo das außer Frage steht! :-)) auch alle anderen ZentralbänkerInnen sein sollten, auch nicht anders zu erwarten.

Im Umkehrschluss heißt das allerdings, dass, was aktuell offensichtlich (noch) vom Markt eingepreist wird, nämlich dass die FED (und alle anderen großen Zentralbanken, westlicher Prägung) auch jene Unternehmen am Leben erhalten wird, die es eigentlich nicht verdient haben, einfach nicht stattfinden wird. Hier steht also irgendwann eine Re-Evaluierung seitens der Marktteilnehmer, insbesondere auch was den Loan-Markt anbetrifft, an und die wird mit großer Wahrscheinlichkeit mit sehr traurigen Kinderaugen enden. Grundsätzlich lässt sich dieses Bild natürlich auch auf alle Sektoren und Ebenen übertragen, die hüben wie drüben an irgendeinem Regierungstropf hängen. Am Ende des Tages/der Kurzarbeit/des Notfallfonds etc. muss immer eine wirtschaftliche Überlebensfähigkeit stehen und die ist wohl mancherorts nicht gegeben.

Das ist überhaupt einer der most risky points in der derzeitigen Rezession. Üblicherweise haben wirtschaftliche Zyklen die Eigenschaft sich langsam (in Zyklen ;-)) zu entwickeln und man kann bei sehendem Auge irgendwann erahnen, dass sich da was ändert und mithin auch die Auswirkungen zumindest ein bisserl antizipieren. Nur diesmal ging das leider nicht, weil uns einfach von jetzt auf gleich das Licht abgedreht wurde, aber gleich darauf das Notstromaggregat angesprungen ist, also viele nicht so richtig mitbekommen haben, dass das verdammte Kraftwerk in die Luft geflogen ist. Die wahren Auswirkungen sind mithin erst dann zu bemerken, wenn entweder der Diesel (für´s Aggregat :-)) ausgeht oder sich die Wolke über einem ausregnet. (Der Buchtipp zur Analogie: Black Out von Marc Elsberg, falls jemand in der Ferien-Quarantäne noch nichts zu lesen hat! :-))

Das wiederum erklärt wahrscheinlich auch einen Teil der Marktreaktion, weil hier Erwartungen gehandelt werden, die auf Annahmen fußen, die unter ganz anderen Prämissen entstanden sind. (Garbage inGarbage Out!) Abgesehen davon führt sich natürlich jedes Bewertungsmodell ad absurdum, wenn man zukünftige Ertragserwartungen versucht mit Null- oder Negativzinsen zu diskontieren. Da wäre wohl ganz dringend ein neuer Wirtschaftsnobelpreis fällig (© Albert :-)), wenn irgendjemandem dazu was Vernünftiges einfiele. Weil irgendwann wird’s fad, Unternehmensanteile von Firmen zu handeln, die noch nie einen Schilling verdient haben, aber trotzdem eine größere Kapitalisierung haben als Toyota...

Zum Abschluss noch ein zu tiefst ernsthafter Appell an alle Aufsichten rund um den Globus: Viele werden gelesen haben, dass sich vor ein paar Tagen ein junger Mann mit gerade mal zwanzig das Leben genommen hat, weil er aus Fadess Dinge gehandelt hat, die er offensichtlich nicht einmal am Rande verstanden hat und so zu glauben kam, dass er USD 750K in den Sand gesetzt hätte. Jeder/Jede Private/r kann heute online vollkommen ohne Beschränkung (außer ein paar weg-klickbare Disclaimer) fast jedes Instrument long und short handeln und dabei Risiken eingehen, die zu verstehen sie/er im Normalfall nicht im Stande ist. Hören wir doch auf die Industrie, die bis auf ganz wenige schwarze Schafe, aus integeren ProfessionistInnen besteht zu Tode zu regulieren und fangen endlich an, dort mit (Aus)Bildung und Befähigungsbeschränkungen diejenigen zu organisieren an, die es wirklich brauchen. Um ein Auto auf der Straße zu fahren braucht auch jeder einen Führerschein, egal ob er gelernter Fleischhauer oder Rennfahrer ist.

Noch Fragen? :-)

Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH

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