EM Credit: Verkanntes Potenzial

Unternehmensanleihen aus den Schwellenländern treten immer mehr aus dem Schatten der EM-Staatsanleihen. Das Emissionsvolumen für Unternehmensanleihen ist über die Jahre deutlich gewachsen, zudem sind sie eine echte Alternative im anhaltenden Niedrigzinsumfeld und unsicheren Zeiten, wie Lisa Turk und Stéphane Mayor, Fondsmanager des EdR Fund Emerging Credit, im Interview berichten. Markets | 24.11.2020 20:00 Uhr
Stéphane Mayor & Lisa Turk, Fondsmanager des EdR Fund Emerging Credit / © Edmond de Rothschild Asset Management
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Warum sollten Anleger in Unternehmensanleihen aus den Emerging Markets investieren?

LISA TURK: Die EM-Rentenmärkte haben sich in den letzten zehn Jahren deutlich gewandelt. Früher dominierten Staatsanleihen, inzwischen hat sich jedoch vieles verändert. Unternehmensanleihen nehmen inzwischen eine Sonderstellung ein, und dieser Markt ist hochgradig diversifiziert. Wir sehen heute Emissionen mit einem Volumen von über einer Milliarde US-Dollar, außerdem ist das Emissionsvolumen insgesamt über die letzten Jahre deutlich gewachsen. 

Emerging Market Debt ist heute eine eigenständige Asset-Klasse, die sowohl in privaten wie auch institutionellen Portfolios ihren Platz hat. Unternehmensanleihen aus den Schwellenländern zeichnen sich durch ihr attraktives Risiko-Rendite-Profil aus. Anleger finden hier Unternehmen jeder Größe und jeder Kreditqualität wie auch aus jedem Sektor und jeder Region der Welt. Außerdem können Anleger in Unternehmen investieren, die nicht an den Aktienmärkten gehandelt werden, denn viele Unternehmen geben zunächst Anleihen aus, bevor sie einen Börsengang in Erwägung ziehen.

Wodurch zeichnet sich ihre erfolgreiche Emerging-Market-Credit-Strategie aus?

STÉPHANE MAYOR: Erfahrung ist entscheidend. Emerging Market Credit ist für die meisten Anleger noch eine relativ neue Asset-Klasse. Der erste anerkannte Index wurde erst im Jahr 2000 entwickelt. Wir analysieren den Markt bereits seit den Neunzigerjahren. Mit der Zeit sehen wir, dass sich Unternehmensanleihen aus den Schwellenländern zunehmend auch zu einer Mainstream-Anlageklasse fortentwickelt haben. Früher bestand der Markt aus wenigen Namen wie Petrobras aus Brasilien, America Movil aus Mexiko oder Gazprom aus Russland. Im Jahr 2019 erreichte das Bruttoemissionsvolumen der Unternehmen ein Allzeithoch mit 489 Milliarden US-Dollar1, das entspricht fast dem Dreifachen der Staatsanleihe-Emissionen. Auch in diesem Jahr sollten die Emissionsvolumina auf einem vergleichbaren Level sein. Verschiedene EM-Unternehmen operieren auch in einem sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen Umfeld. Wer neue Chancen richtig einschätzen kann, kann einfacher die Unternehmen identifizieren, die für die Zukunft der Schwellenländer entscheidend sein werden. Meine langjährige Erfahrung hilft sehr häufig bei Anlageentscheidungen.

Was sollten Anleger berücksichtigen, die in dieser Anlageklasse investieren wollen? 

LISA TURK: Investoren müssen sich möglichen politischen oder Liquiditätsrisiken bewusst sein, die sich auf Engagements in Schwellenländern auswirken können. Doch sollte man auch klar hervorheben, dass einiges für Unternehmensanleihen in den Schwellenländern spricht: Erstens wird erwartet, dass die Ausfallrate von Unternehmen in den Schwellenländern im Jahr 2020 3,5%2 erreichen wird, gegenüber 6,5% bei US-Unternehmen, was auf eine verbesserte Kreditwürdigkeit in den Schwellenländern hindeutet. Zweitens ist in einem unsicheren Umfeld die Auswahl an Unternehmen mit geringer Verschuldung, entsprechender Liquidität und einer klaren Unternehmensführung unter anderem eine Möglichkeit, Krisen zu überstehen und so in Unternehmen mit einem erheblichen Aufholpotenzial zu investieren. Außerdem sehen die Zuflüsse in Unternehmensanleihen aus den Schwellenländern aus technischer Sicht nach wie vor sehr gut aus. Da das Niedrigzinsumfeld in den entwickelten Märkten voraussichtlich über einen längeren Zeitraum anhalten wird, könnten die Anleger kurz- bis mittelfristig nach höherverzinslichen Wertpapieren suchen, was die Zuflüsse in Unternehmensanleihen aus den Schwellenländern weiter unterstützen dürfte. 

Warum wird die Anlageklasse Emerging Market Credit weiterhin für Investoren interessant bleiben?

STÉPHANE MAYOR: Das liegt an zwei größeren Entwicklungen, die sich derzeit für die Asset-Klasse abzeichnen: Einerseits erreichen die Volkswirtschaften vieler Schwellenländer einen gewissen Reifegrad, andererseits erreichen einzelne Frontier-Märkte inzwischen das Niveau der Schwellenländer. Daher kommt es zu höheren Renditestreuungen, was für Anleger ein gutes Diversifikationspotenzial bergen könnte. Reifere Volkswirtschaften sind auch unabhängiger, die Emittenten sind weniger anfällig für die Risiken der BRIC-Länder. Außerdem fördert Reife die Entstehung neuer Sektoren. In Lateinamerika zum Beispiel wächst der Markt für Verbraucherfinanzierung, Anleger finden hier attraktive Renditen für ihr Emerging Market Credit Exposure. 

Wir müssen jedoch unserer Anlagephilosophie treu bleiben, deshalb zählen für uns sowohl die Größe der Emittenten als auch die Liquidität ihrer Wertpapiere. Selbst bei attraktiver Verzinsung halten wir uns lieber zurück, wenn das Emissionsvolumen zu klein ist. In einer Marktkorrektur sind derartige Anlagen die ersten, die Verluste erleiden. Andererseits entstehen durch Korrekturen attraktive Einstiegspreise bei robusteren Emittenten, die uns überzeugen. Daher beobachten wir die Zyklen einzelner Sektoren genau. Unternehmen mit starkem Inlandsgeschäft, wie zum Beispiel der Konsumsektor, erholen sich in der Regel schneller. Durch die Aufnahme von Frontier-Märkten in das Anlageuniversum der Schwellenländer vergrößert sich die Wertpapierauswahl. Die Neuemissionen aus diesen Ländern eröffnen vielfältige Anlagemöglichkeiten mit unabhängigen Renditequellen. 

Bei der Entwicklung neuer Anlageideen verlassen wir uns jedoch auf unsere Erfahrung und untersuchen die Länderfaktoren in einer sorgfältigen Top-down-Analyse, bevor wir die Gewichtung einer Position festlegen. So hat Argentinien bereits mehrere Krisen durchlebt, weshalb bei der Anleiheauswahl auf Firmen mit hohen Barreserven, niedrigem Verschuldungsgrad und US-Dollar-Einnahmen gesetzt wurde. Die sorgfältig für das Portfolio ausgewählten Unternehmensanleihen erwiesen sich als widerstandsfähiger im Vergleich zu den argentinischen Staatsanleihen, die im September deutlich gelitten haben. Unsere Anlagestrategie hat sich als die richtige herausgestellt. 

1Quelle: Daten von Bloomberg und JP Morgan per 31.12.2019 

2Quelle: JP Morgan CEMBI

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