Nachhaltigkeit vs. ESG: Die grüne Blase vermeiden

Wie können Asset Manager einen positiven Impact für die Gesellschaft und Rendite für ihre Investoren erzielen? In diesem Beitrag erläutert Louis Larere, Portfolio Manager SRI, den ESG-Ansatz von Zadig Asset Management (seit 2020 ein Partner von iM Global Partner). Markets | 01.02.2021 08:00 Uhr
Louis Larere, Portfolio Manager SRI, Zadig Asset Management, Partner von iM Global Partner seit Januar 2020 / © Zadig Asset Management / iM Global Partner
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Investoren berücksichtigen zunehmend die Bedeutung nicht-finanzieller Aspekte bei Unternehmensbewertungen und Investitionsentscheidungen. Allerdings herrscht noch immer Unklarheit bezüglich des neuen Lexikons. Hier soll die EU-Taxonomieverordnung mit einem eindeutigem Klassifizierungssystem für die Kennzeichnung nachhaltiger Finanzprodukte für Klarheit sorgen. Voraussichtlich im ersten Quartal 2021 sollen die ersten technischen Schwellenwerte als delegierter Rechtsakt in Kraft treten. Daher halten wir es für wichtig, sich der Grenzen von ESG-Ratings bewusst zu sein und heute teuer bewertete "grüne" Aktien zu meiden. Unser Fokus liegt darauf, die Integration von Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsaspekten (ESG) von nachhaltigem Investieren zu unterscheiden. Wir verstehen ESG als eine Reihe von Kennzahlen, die uns helfen, nicht-finanzielle Aspekte der Leistung eines Unternehmens zu erfassen, und die es uns ermöglichen, das Unternehmen im Vergleich zu einer Branche oder einer ausgewählten Gruppe vergleichbarer Unternehmen einzustufen. Insbesondere sind ESG-Faktoren nicht dazu geeignet, sich eine Meinung über die Auswirkungen einer Branche auf die Umwelt zu bilden. Vielmehr sollten sie als Richtschnur dafür dienen, wie ein Unternehmen seine Auswirkungen auf alle Stakeholder - ob lokale Gemeinschaften, Mitarbeiter oder Aktionäre - verbessert.

Es ist wichtig zu wissen, wie ESG-Ratings vergeben werden. Corporate-Governance-Aspekte (Stimmrechte, Unabhängigkeit des Vorstands, Anzahl der Frauen im Management usw.) können leicht über Branchen hinweg verglichen werden. Auf die ökologischen und sozialen Kriterien trifft dies jedoch nicht zu. Es ist schwer, die soziale oder ökologische Leistung eines anlagenintensiven, arbeitsintensiven Automobilherstellers mit der eines Softwareentwicklers zu vergleichen. Aus diesem Grund führen ESG-Rating-Anbieter verständlicherweise nur Unternehmensvergleiche und Rankings innerhalb von Branchen durch. Zum Beispiel würden sie den französischen Autozulieferer Valeo mit ähnlichen Unternehmen wie Continental in Deutschland, Aptiv in den USA oder Denso in Japan vergleichen. Zudem gewichten die Ratingagenturen jede Kennzahl je nach Branche unterschiedlich. Das ist bei klar definierten Sektoren wie den Autozulieferern einfach, bei diversifizierten Holdinggesellschaften mit Geschäften aus verschiedenen Branchen jedoch komplizierter.

Die zwei Nachteile von ESG-Ratings

Wir sind davon überzeugt, dass eine ordnungsgemäße ESG-Due-Diligence zu einem besseren Verständnis der Risiken und Chancen eines Unternehmens führt. Allerdings halten wir es aus zwei Gründen für riskant, sich nur auf Ratings zu verlassen.

Erstens sind sich die Anbieter von ESG-Ratings tendenziell uneinig. Es fällt ihnen sehr schwer, sich auf spezifische Vorgaben zu einigen, beispielsweise für CO2-Emissionen oder Mitarbeiterschulungsstunden. Ratingagenturen hingegen haben vergleichbare Regeln für die ihre

Kriterien wie Verschuldung oder Liquidität. Folglich sind die Bewertungen der ESG-Research-Firmen für ein und dasselbe Unternehmen nur geringfügig korreliert, nämlich nur zu durchschnittlich 61 Prozent (mit einer Spanne von 40 bis 70 Prozent), so eine aktuelle Untersuchung der MIT Sloan Business School. Zum Vergleich: Die entsprechende Zahl für Kreditratings liegt bei 99 Prozent. Zur Erklärung der Inkonsistenz heißt es in dem Bericht: „53 Prozent der Diskrepanz rühren daher, dass die ESG-Rating-Anbieter dieselben Kategorien unterschiedlich messen und 47 Prozent sind darauf zurückzuführen, dass die gleichen Daten nach unterschiedlichen Regeln aggregiert werden.“ Nehmen Sie zum Beispiel Tesla. Einige ESG-Rating-Agenturen bewerten das Unternehmen aufgrund schwacher Unternehmensführung, schlechter Arbeitsbedingungen oder unkonventioneller Transaktionen mit verbundenen Parteien (wie die Übernahme des verlustbringenden und hochverschuldeten Unternehmens SolarCity) schlecht. Andere Anbieter wiederum bewerten das Unternehmen als einzigen reinen Elektroautohersteller mit geringen Umweltauswirkungen sehr positiv, während die Wettbewerber immer noch stark auf Verbrennungsmotoren setzen.

Zweitens halten wir den Peer-Group-Ansatz für irreführend. Vergleiche nur innerhalb einer Branche können den Einfluss, den ein Unternehmen auf die Umwelt hat, verschleiern. So bewertet MSCI in seinem ESG-Rating beispielsweise den Ölproduzenten Galp Energia, den Waffenhersteller BAE Systems und den Wettanbieter William Hill jeweils mit AAA, AA und A. Der Gesundheitskonzern Fresenius hingegen wird von MSCI nur mit BBB bewertet und liegt damit aufgrund eines Korruptionsfalls und schlechter Mitarbeiterführung in der unteren Hälfte des Gesundheitssektors. Dabei ist Fresenius laut Vigeo Eiris, einer weiteren ESG-Ratingagentur, ein Unternehmen, das sich vollständig an den Zielen für nachhaltige Entwicklung der UN orientiert.

Unsere Hypothese ist daher, dass ESG-Ratings Anleger in die Irre führen können. Um dies zu überprüfen, haben wir ein hypothetisches Portfolio erstellt, das alle Unternehmen enthält, die wir von unserer sozial verantwortlichen Anlagestrategie (SRI) ausschließen. Dies umfasst unter anderem Öl-, Gas-, Tabak- und Alkohol-Unternehmen sowie kontrovers diskutierte Firmen. Das Ergebnis? Dieses hypothetische Portfolio würde von MSCI ein ESG-Rating von AA erhalten und wäre somit eine gute bewertete Anlage mit einem ähnlichen Rating wie unser nachhaltiges Portfolio.

Es scheint ziemlich klar, dass echte Nachhaltigkeit und gute ESG-Ratings zwei sehr unterschiedliche Dinge sind. Ein Unternehmen kann ein schlechter ein schwarzes Schaf in einer nachhaltigen Branche sein und umgekehrt.

Wege zu einer besseren Nachhaltigkeit

Bei Zadig Asset Management, einer der Partner-Boutiquen von iM Global Partner, beschreiben wir unsere SRI-Philosophie als „Nachhaltigkeit zu einem angemessenen Preis". Das Wort Nachhaltigkeit ist wichtig, da unser primäres Ziel darin besteht, in Unternehmen zu investieren, die sich entweder signifikant mit nachhaltigen Themen (beispielsweise Gesundheit, Energieeffizienz, Kreislaufwirtschaft oder Bildung) befassen oder sich in einer Übergangsphase zu einem nachhaltigeren Geschäftsmodell befinden. Wir mögen zwar auch die heutigen "grünen Marktführer", aber wir denken, dass Investoren ihren Einfluss nutzen sollten, um Unternehmen nachhaltiger zu machen.

Unternehmen, die sich verbessern, bieten unserer Meinung nach die attraktivsten Gelegenheiten - sowohl in Bezug auf ihre Renditen als auch ihren gesellschaftlichen Einfluss. Ein gutes Beispiel dafür ist Stora Enso, ein finnischer Anbieter von erneuerbaren Lösungen im Bereich Papier und Verpackung. Noch vor 15 Jahren erwirtschaftete das Unternehmen mehr als 70 Prozent seiner Einnahmen mit der Papierherstellung - ein Geschäft, das alles andere als nachhaltig ist. Heute liegt

die Hälfte des Unternehmenswerts in den Wäldern, die rund 3 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr absorbieren - eine Zahl, die mit den Wäldern wächst. Außerdem stellt Stora Enso Verpackungen auf Faserbasis her, die viel weniger CO2-intensiv und leichter zu recyceln sind als ihre Alternativen aus Plastik und Glas, sowie Holzprodukte, die Beton und Stahl im Bauwesen ersetzen. Wir schätzen, dass die altmodische Papierproduktion ab 2021 nur noch zehn Prozent des Ergebnisses ausmachen wird, da das Unternehmen Fabriken schließt oder sie für andere Zwecke nutzt.

Diese Philosophie bedeutet nicht, dass die ESG-Analyse in unserem Investmentprozess nicht relevant ist. Im Gegenteil: ESG-Kriterien sind ein integraler Bestandteil der Aktienauswahl in allen Fonds von Zadig. Unternehmen mit kontroversen Praktiken, die keine Anzeichen zeigen, dass sie sich verändern, werden wahrscheinlich in keinem unserer Portfolios landen. Aber da sich aktuell der gesamte Markt auf der Suche nach profitablen Anlageideen den Themen ESG und SRI zuwendet, gibt es eine Tendenz, sich nur auf eine einige wenige Unternehmen, die heutigen Marktführer, zu konzentrieren. Bei Zadig hingegen versuchen wir, zwei oder drei Jahre vorauszuschauen, um Unternehmen zu finden, die radikale Verbesserungen vornehmen. Durch diesen antizyklischen Blick auf den Markt gelingt es uns, Portfolios zu erstellen, die sich signifikant von denen der Wettbewerber unterscheiden und so die Gefahren einer "grünen Blase" zu vermeiden.

Louis Larere, Portfolio Manager SRI, Zadig Asset Management,
Partner von iM Global Partner seit Januar 2020

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