Heute beginnen wir mit einem Gendankenexperiment. Stellen wir uns also vor, wir sind eine Gruppe von Eigentümern und beauftragen ein professionelles Management-Team, unser Unternehmen zu führen oder – vielleicht naheliegender – unser Vermögen zu managen. Es gibt gewisse Vorgaben und – aufgrund von Past-Performance ;-) – gewisse Erwartungshaltungen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten und diversen Personalbesetzungsproblemen, über die man natürlich großzügig hinweg zu sehen bereit ist, da man ja seine eigene Entscheidung nicht gleich zu Anfang in Frage stellen will, beginnt der Laden langsam zu laufen. Hurra!
Dann allerdings passiert etwas völlig Unvorhergesehenes und alles verändert sich. Das Unternehmen gerät ins Trudeln, der Fonds gibt massiv Performance ab. Wieder denken sich die Eigentümer: Naja, es geht ja allen so und damit war ja eigentlich nicht zu rechnen, es wird schon wieder werden. - Sie sehen schon worauf das hinausläuft?! :-) - Die Wochen vergehen, es werden ad hoc Maßnahmen gesetzt, die offensichtlich kurzfristig greifen. Der Sommer kommt, das Management atmet auf und – erraten – geht auf Urlaub. Strategieänderung, Vorbereitung auf den nächsten Dämpfer? Als Eigentümer mit Kontrollrechten haben sie eventuell nicht den ganz detaillierten Einblick, das Management wird schon etwas gemacht haben…
Und so weiter und sofort. Monate später in denen wir uns von einem Bericht zum nächsten haben vertrösten lassen, taucht endlich ein Lichtschein am Horizont auf. Unser Management hat zwar nichts damit zu tun gehabt, aber sei´s drum, wir sind gut kapitalisiert und haben ein Top-Management eingestellt, jetzt muss es aber endlich aufwärts gehen oder? Nun, mitnichten, die Konkurrenz zieht links und rechts an uns vorbei – ja natürlich gibt es auch welche, die noch schlechter sind, aber das ist des Trostes wohl der Schwächsten einer – und was macht unser Management? Es hofft auf das Wetter und kaschiert das mit halbherzigen Maßnahmen, die es anscheinend weder willens noch im Stande ist umzusetzen. Nebenbei - und das wirklich nur mehr ganz am Rande – werden die Mitarbeiter umsorgt und geschützt, die unter Umständen nicht die ganz wichtigen Leistungsträger sind und natürlich wird dort weggeschaut, wo sich´s jemand auf eigene Faust – auf Kosten der Kollegen – verbessert.
Soviel zur Theorie, Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Gegebenheiten, Vorkommnissen und Personen sind natürlich frei erfunden! :-) Aber, wenn die Realität so wäre und man hätte unter Umständen auch noch das Gefühl, dass das Management wichtige Positionen nicht immer nur nach der Qualifikation der Bewerber besetzt bzw. nur Fonds von befreundeten Managern kauft, auch wenn sie vielleicht die zweitbeste Wahl sind, dann wäre man als Eigentümer bzw. Kapitalgeber irgendwann wohl richtig andinniert, oder? Wie unser kleines Gendankenexperiment weitergehen könnte, bleibt natürlich der Fantasie überlassen…
Aber nun zurück zur Realität. Archegos. Was nehmen wir aus dem ganzen Schlamassel mit? Zum einen wohl, dass die großen(Investment)Banken grundsätzlich als Reiter der Apokalypse niemals abgeschrieben werden dürfen, weil sie sich in extremo immer selbst die Nächsten sind und es hier im Herzen des Kapitalismus so wunderschön darwinistisch zugeht wie kaum sonst wo, wobei das die Angelegenheit aber auch recht gut einschätzbar macht. Second place is first loser! :-) Zum anderen – und das ist meiner Ansicht nach wirklich recht beruhigend – scheint der Markt aktuell in der Lage und willens zu sein recht viel zu verdauen, war das doch nach Melvin Capital und Greensill nun die dritte größere Geschichte in nur wenigen Tagen, die zu anderen Zeiten wohl gröbere Verwerfungen nach sich gezogen hätte. Last but not least scheint man von globalen Lombard-Clubs (wer sich noch erinnern kann :-)) inzwischen ein Stück weit entfernt zu sein, weil sonst hätte man das Thema wohl eleganter und für alle Beteiligten weniger schmerzhaft gelöst.
Klar geb´s noch mehr zuschreiben, aber wer will sich heutzutage schon länger als drei Minuten auf etwas konzentrieren? :-) Zum Abschluss also noch eine letzte, kleine Denkaufgabe: Stellt Euch vor, es ist Lock-Down und keiner geht hin. Was dann?
Liebe Grüße, ein braves Osterhasi und friedliche Tage!
Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH
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