Es bestehen kaum Zweifel an Österreichs großen grünen Ambitionen: Nach der Wahl einer Koalition zwischen modernen konservativen Hardlinern und den Grünen im September 2019 wurde ein neues „Superministerium“ ins Leben gerufen, das die Bereiche Verkehr, Energie, Umwelt, Wissenschaft und Innovation abdeckt. Dies versprach eine Welle von Initiativen zur „Begrünung“ der Wirtschaft und zur Unterbringung nachhaltiger Umweltthemen im Herzen der Wachstumsstrategie des Landes.
Kritiker sagen, dass bisher wenig für die Erfüllung jener anfänglichen Worte getan wurde. Doch vielleicht war man abgelenkt durch die COVID-19-Krise. Denn nachhaltige Unternehmen florieren. Das Land beherbergt eines von Europas größten Green-Tech-Clustern rund um Graz, mit mehr als 200 Unternehmen, die grüne Technologien und Dienstleistungen entwickeln. Ferner erzeugen Wasserkraftwerke rund 60 Prozent des landesweiten Strombedarfs.
Indem sich Österreich seine bergreiche Geographie zunutze macht, strebt das Land bis zum Jahr 2030 an, 100 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen – eine Erhöhung gegenüber dem gegenwärtigen Niveau, das sich bei rund 80 Prozent bewegt. Wahrscheinlich wird es sich zur Finanzierung dem grünen Kapitalmarkt zuwenden.
Projekte wurden bis heute durch die Europäische Investitionsbank sowie über grüne Anleihen finanziert, obwohl Österreich den führenden Green-Bond-Emittenten in Europa, wie Frankreich, die Niederlande und Deutschland, hinterherhinkt.
Die grüne Finanzierung des Landes beschreibt dessen Weg in Richtung einer nachhaltigen Wirtschaft: Der erste Emittent grüner Anleihen war die Verbund AG, ein Energieunternehmen, das im Jahr 2014 500 Mio. Euro für Wasser- und Windkraftanlagen einwarb. Im Jahr 2018 brachte die Gesellschaft weitere 100 Mio. Euro durch einen digitalen grünen Schuldschein auf; dabei handelt es sich um eine Privatplatzierung von Schuldverschreibungen. Weitere Emittenten sind unter anderem die Immobilienbank Hypo Vorarlberg, die 2017 eine 300 Mio. Euro schwere grüne Anleihe begab, um Hypotheken auf Gebäuden mit geringem Kohlendioxidausstoß zu finanzieren. Im Jahr 2021 signalisierte die Regierung ihre Absicht, eine grüne Staatsanleihe aufzulegen, was dem Markt Auftrieb verlieh.
Im Laufe der Zeit beteiligte sich auch die Wiener Börse an der Entwicklung grüner Finanzen. Beispielsweise führte sie 2018 ein Listing für grüne und soziale Anleihen ein und übernahm die Green Bond Principles der International Capital Markets Association. Diese Prinzipien sind ein Kennzeichen für Qualität und gewährleisten Transparenz und Offenlegung, sodass Investoren die Auswirkungen auf die Umwelt beurteilen können. Bereits im Jahr 2005 führte die Börse den kapitalgewichteten Index VÖNIX ein, in dem Österreichs führende Unternehmen auf Basis ihrer sozialen und ökologischen Aktivitäten vertreten sind. Als einer der ersten, von einer führenden Börse eingeführten nationalen Nachhaltigkeitsindizes, trug der Index zur Unterstützung des Wachstums im Bereich von ESG-Anlagen bei.
Was die Vermögensverwaltung betrifft, so wächst das Universum nachhaltiger Anlagen laut dem jüngsten Bericht des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG), einer Branchenvereinigung zur Förderung nachhaltiger Kapitalanlagen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, weiter. Im Jahr 2019 stieg der Wert nachhaltiger Vermögenswerte in Österreich auf 30,1 Mrd. Euro an, da private Anleger ihre Investitionen um 6,75 Mrd. Euro bzw. knapp drei Viertel (77%) steigerten. Dabei halten institutionelle Anleger nach wie vor drei Viertel aller nachhaltigen österreichischen Vermögenswerte, Pensionsfonds sind die größten Unterstützer. Eine vor kurzem vom Fachverband der Pensionskassen, Österreichs Vereinigung betrieblicher Pensionskassen, durchgeführte Umfrage zeigt: Pensionskassen (Pensionsfonds) in Österreich investieren 15 Mrd. Euro in nachhaltiger Weise, was 61,5% ihres verwalteten Vermögens entspricht.
Österreich hat eine langjährige Tradition im Bereich nachhaltiger Anlagen. Das Österreichische Umweltzeichen für nachhaltige Finanzprodukte ist eines der ältesten seiner Art in Europa. Rund 130 Fonds in Österreich sind gegenwärtig mit diesem Label zertifiziert. Institutionelle Anleger gehen inzwischen noch weiter: Im September 2020 verlangte der Fachverband der Pensionskassen nach der Einführung einer „grünen Zusatzpension“, um Vorschub für weitere Investitionen durch Pensionsfonds zu leisten. Dahinter steht die Idee, Zusatzpensionen, die den Mindeststandards für nachhaltige Anlagen entsprechen, durch Steuererleichterungen zu fördern.
Wie sieht also die Zukunft aus, wenn die COVID-19-Pandemie zusehends abebbt? Trotz eines langsamen Starts bei der Erfüllung der Zusagen sagte Umweltministerin Leonore Gewessler, sie wolle auf staatliche Hilfen zur Finanzierung grüner Projekte setzen. Darüber hinaus dürfte Österreichs Stärke in den Bereichen erneuerbare Energien und grüne Technologien belohnt werden, wenn die Welt zu einer nachhaltigeren Wirtschaft übergeht.
Herbert Kronaus, Country Head Austria & Central and Eastern Europe bei Columbia Threadneedle Investments
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