Aktuell verwalten acht österreichische Mitarbeitervorsorgekassen – so der sperrige aber korrekte Name für die umgangssprachlich Abfertigungskassen genannten Einrichtungen – 14 Mrd EUR mit jährlichen Zuwachsraten von 10%. 2003 wurde mit der Einführung dieser betrieblichen Vorsorgekassen (BVK) auch das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz, kurz BMVG beschlossen. Bis heute unverändert sind darin Anlagevorschriften definiert, die es massiv erschweren, dass BVKs zeitgemäß und ausreichend „grün“ investieren.
Sichere Anlagevorschriften für Abfertigungskassen?
Was für europäische Banken die Basel- und für Versicherungen die Solvency- Bestimmungen sind, sind für österreichische Abfertigungskassen das nationale BMVG. Hier sind Rahmen definiert, wie und unter welchen Bedingungen das den Abfertigungskassen überantwortete Geld veranlagt werden darf. Die Idee dahinter ist klar: die Gelder sollen möglichst „sicher“ veranlagt werden, handelt es sich doch um treuhändisch zu verwaltendes Geld.
Doch wer die österreichische institutionelle Anlegerszene kennt, weiß, dass einige dieser Bestimmungen schlichtweg aus der Zeit gefallen sind – kein Wunder, sind sie doch nahezu 20 Jahre alt und wurde seitdem nicht verändert.
Fünf Prozent Quote aus dem Jahre 2003
Konkret geht es um die Veranlagungsvorschriften in §30 ff. Diese schreiben u.a. eine Fünf-Prozent Quote bezüglich Anlagemöglichkeiten in illiquide Assets vor. Das bedeutet, dass Abfertigungskassen trotz seit Jahren andauerndem Niedringzinsumfeld lediglich fünf Prozent der ihnen anvertrauten Gelder in Assetklassen investieren dürfen, die – neben liquiden Aktien und Fonds – Rendite versprechen. Fünf Prozent in Summe also für Veranlagungen in Immobilien, Private Equity, Venture Capital und Infrastrukturprojekte.
Der Großteil der Assets ist den Vorgaben des Gesetzes folgend somit seit Jahren in Bonds investiert. Als das BMVG 2003 beschlossen wurde, waren ja mit „sicheren Staatsanleihen“ noch Renditen von 4 bis 5% zu erzielen – wozu also mehr Handlungsspielraum einräumen? Doch die Zeiten sicherer und renditebringender Anleihen sind seit Jahren vorbei. Für Investoren, die in Deutsche oder Österreichische Staatsanleihen investieren, waren bzw. sind Negativverzinsung traurige Realität geworden – wenn etwas sicher ist bei diesen Veranlagungen, dann ein Verlust am Ende der Laufzeit.
Neue Vorgaben gewünscht
Diese 20 Jahre alten gesetzlichen Anlagebestimmungen tragen der veränderten Finanz-Markt-Realität in keinster Weise Rechnung: ja sie verhindern sogar zeitgemäßes Investieren. Das geht nicht nur zulasten der Rendite, sondern auch die Finanzierung klimafreundlicher Projekte, wie sie der Green Deal und das Österreichische Regierungsübereinkommen vorsehen, wird dadurch gehemmt.
Wenn die „Fünf-Prozent-Quote“ ausgeschöpft ist – und das ist sie bei Abfertigungskassen meist schon allein aufgrund von Immobilienveranlagungen – sind Investments in „Erneuerbare Energie-Projekte“ oder andere "Nachhaltige Infrastruktur" Projekte schlichtweg nicht mehr möglich.
Nicht nur die einzelnen Kassen, auch die Interessenvertretung der BVKs selbst bestätigt, dass die gesetzlichen Vorgaben einem stärkeren Engagement in „vernünftige Themen“ im Wege stehen.
Sogar im Finanzministerium wird – wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand – zugegeben, dass die § 30 Bestimmungen überholt und anachronistisch sind. Nichtsdestotrotz bestehe kein Wille, sie zu novellieren, da „politisch bei diesem Thema nichts zu gewinnen sei“, wie man mündlich mitteilt.
Es geht auch anders…
Ein Beispiel, dass es auch anders geht: Nordrhein-Westfalen. Dort sind die Anlagevorschriften für „Versorgungswerke“ Ländersache und man hat, um mehr Spielraum für Diversifikation beziehungsweise Rendite bei der Veranlagung zu schaffen, im März 2021 die Quote für illiquide Assets per Gesetz verdoppelt (!). Damit stehen weitere fünf Prozent der Gesamtassets für Investment in „nachhaltige Infrastruktur“ zur Verfügung. Und genau mit diesem Argument wurde diese Gesetzesänderung auch begründet.
Auch bei uns wäre es mit einer entsprechenden legistischen Änderung möglich, beträchtliche finanzielle Mittel von „Abfertigungskassen“ zu mobilisieren, um Projekte des Green Deal zu finanzieren – allerweil, der politische Mut fehlt und gesetzliche Initiativen bleiben aus.
…nur nicht bei uns
Auf Nachfrage, ob eine entsprechende Gesetzänderungen angedacht sei, hört man aus den Parlamentsklubs und Ministerien bestenfalls gute Worte und einen Dank für die Anregung, schlechtestenfalls erhält man keine Rückmeldung oder eine, die lediglich davon zeugt, dass man für das Thema absolut kein Interesse aufbringt.
Andererseits wird – zuletzt 2021 in der PACTA Studie des Klimaschutzministeriums seit Jahr und Tag bedauert, dass österreichische institutionelle Investoren zu wenig Investments in „grüne Themen“ tätigen. Schließlich drohen der Republik Milliarden-Strafzahlungen, wenn wir die „Green-Deal“ Vorgaben bis 2030 nicht einhalten – und aktuell sieht es nicht danach aus, als ob Österreich das schafft.
Was bleibt, ist die Hoffnung, dass sich die Politik dieser Chance, institutionelles Kapital zu mobilisieren, doch noch bewusst wird. 700 Millionen Euro mehr pro Jahr mit jährlichen zehnprozentigen Zuwachsraten sollten doch Anreiz genug sein, sich des Themas sachlich und ohne Polemik anzunehmen. Ideen, wie sich diese Summen sinnvoll in nachhaltige Infrastruktur kanalisieren lassen, gibt es ohne Zweifel genug.
Gastautorin: Alexandra Bolena, Bolena Impact-Investments
Alexandra Bolena betreut seit 2001 Institutionelle Anleger zum Thema »Alternative Investments«. In den letzten Jahren liegt dabei der Schwerpunkt klar auf nachhaltigen Angeboten. Wissenstransfer zu ESG/SRI, Lobbying, das Finden richtiger Analysetools und Anlagemöglichkeiten, sowie die Vermittlung von passenden Investmentlösungen stehen – ganz nach dem Motto »sustainabiliy counts« – bei »Bolena Impact-Investments« im Fokus.
www.impact-investments.at bietet umfassendes Service rund um die Themen »Nachhaltigkeit« und »Impact«. Den Bedürfnissen und Möglichkeiten der österreichischen Institutionellen Investorenszene angepasst werden Anbieter innovativer Anlagelösungen beim Markteintritt in Österreich begleitet.
Quellen:
PACTA Studie: Klimaverträglichkeitsprüfung österreichischer Finanzinstitute
Wordrheinwestfalen
FMA Jahresbericht Abfertigungskassen