Liebesgrüße aus Moskau waren es ja nicht unbedingt, die Vladimir Putin in seiner Begründungs- und Anerkennungsrede rund um die beiden Oblast Luhansk und Donetsk da gen Westen geschickt hat, da triffts der – durchaus selbstbewusst mit einem leicht ironischen Unterton gesprochene – original Titel From Russia with Love schon eher. Der damit verbundene Befehl an die seit 2014 dort operierenden Truppen nun ihr Pickerl aus der Tasche zu nehmen und sich als russische Soldaten zu deklarieren, scheint inklusive der Märkte kaum mehr wen überrascht zu haben. Ob´s das jetzt war, werden wir sehen.
Was können wir aber schon jetzt sagen: Der Westen ist nicht willens (möglicherweise auch nicht fähig?) der russischen Strategie etwas entgegenzusetzen. Die bisher bekanntgeworden Sanktionen bedeuten für die Betroffenen allenfalls ein paar Unpässlichkeiten, die problemfrei umschifft werden können. Im Gegenzug vernichtet der russische Präsident mit jedem Satz bzw. jeder abgefeuerten Haubitze Milliarden von wesentlichem Vermögen, in extremo verdient er eventuell sogar was, weil er den Markt ja trefflich front-runnen kann, weiß er ja hoffentlich wann er was tut. Hinzukommt der ganz direkte wirtschaftliche Einfluss auf Mittel und zentraleuropäische Staaten und dortige Unternehmen, die jedenfalls unter Sanktionen leiden würden. Österreich liegt da nicht nur durch die engen Verbindungen im Bankenbereich natürlich sehr weit vorn. In letzter Zeit einmal den Kurs der RBI angeschaut?!
Dass da natürlich die Interessen divergieren und der Druck, Russland massiv an den Karren zu fahren enden wollend ist, ist nachvollziehbar. Aber so gar nicht? Ein militärischer Konflikt zwischen der Nato und Russland wäre natürlich verheerend bzw. könnte, wenn es eskaliert, die schlimmsten Weltuntergangsfilme in den Schatten stellen, will also keiner. China ist in dieser Gleichung zwar bisher nicht offen aufgetreten, aber, dass man sich im Falle des Falles nicht auf die Seite der USA stellen wird, dürfte evident sein. Die wirtschaftliche Downside für Peking wäre jedenfalls aber gewaltig, eine Substitution der Konsumenten aus Europa und den USA mit dem heranwachsenden, aber noch viel zu kleinem chinesischen Mittelstand wird sich in der Kürze nicht darstellen lassen. Also verhält man sich erstmal ruhig. Putin hat sich an sein offensichtliches Versprechen, die Aufmerksamkeit nicht von den Spielen abzulenken gehalten, hat aber dafür mit Sicherheit auch eine Gegenleistung in Form irgendwelcher (wirtschaftlicher?!) Zusagen bekommen.
Bleiben zwei finale politische - falls die wirtschaftlichen als Gründe nicht ausreichen - mögliche Ursachen für die verhaltene westliche Reaktion. Es gab irgendeinen schmutzigen Deal rund um den Abzug der USA aus Afghanistan und Syrien, wie er in ähnlicher Form schon 2014 vermutet wurde, wobei es damals um abgesagte(?) Raketenlieferungen an den Iran gegangen sein soll, oder aber wir sehen uns einer völlig neuen Weltordnung gegenüber, in der sich der Westen eingesteht, dass er nicht bereit ist bzw. es die Bevölkerungen der jeweiligen Länder nicht unterstützen würden, sich in eine militärische Auseinandersetzung, die nicht auf heimischen Boden stattfindet, hineinziehen zu lassen. Hinzukommt, dass es mit der militärisch/technischen Überlegenheit der USA anscheinend wesentlich weniger weit her ist, als sie es gerne hätte und man schon jetzt auf eine lange Liste verlorener Kriege zurückblickt.
Die Konsequenz ist in jedem Fall eine unerfreuliche. Sollten wir es allerdings mit dem Eingeständnis zu tun haben, dass wir Expansionsplänen Russlands und Chinas nichts entgegenzusetzen haben und mithin nur davon abhängen, nach welchen historischen Grenzziehungen sich die aktuellen Führungen gerade orientieren, wäre das insbesondere für Europa nicht so gut. Was also bleibt einer Wertegemeinschaft, die sich eingestehen muss, dass sie von des Zaren und des Kaisers Gnade abhängig ist?
Umarmung, Umverteilung, Korrumpierung und Verbreitung des westlichen Kapitalismus in die letzte Ecke der russisch/chinesischen Provinz. Nur wer was zu verlieren hat, wird die Integrität des persönlichen Eigentums und die Sicherheit der eigenen Person und der eigenen Familie über das staatliche Interesse stellen. Für Ideen sterben nur die gerne, die sonst nichts zu verlieren haben. Möglicherweise sollten sich das auch die eine oder andere politische Gruppierung hier in Europa zu Herzen nehmen, fürchte wir haben uns weder alle lieb, noch sind wir alle gleich….
Das war jetzt unheimlich viel Ernsthaftigkeit so früh am Mittwoch. Tatsächlich scheint eh alles nicht so schlimm zu sein, blickt man auf die Märkte. Eventuell machen wir das aber wieder so, wie in der Covid-Krise, wir schauen einfach durch den Nebel hindurch und handeln einfach eine Realität, wie sie vielleicht irgendwann wieder eintreten wird. 😊 Leider kommt hinter dem geo-politischen Nebel, eine weitere Kaltfront steigender Zinsen. Die durch den Ukraine Konflikt weiter steigenden Rohstoffpreise sind natürlich auch nicht dazu angetan, die Zinsanhebungspläne der Zentralbänker zu konterkarieren. Tatsächlich ist aber der enge Arbeitsmarkt und der steigende Lohndruck das wesentlich langfristigere Problem. Diesem zu entkommen dürfte, hat sich die Spirale erstmal zu drehen begonnen, außer durch beherzte Zinsschritte und einer damit induzierten wirtschaftlichen Abkühlung schwer werden.
Wird trotzdem alles gut? Nun die Hoffnung stirbt bekanntlich immer zum Schluss, aber wirklich gut geht´s Ihr diesmal nicht…
Live Long and Prosper!
Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH
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