Gröschls Mittwochskommentar: 09/2022

Der wöchentliche Blick auf die Märkte, (Geo-)Politik, Known Unknowns und andere wichtige Entwicklungen. Verfasst von e-fundresearch.com Gastautor Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH. Markets | 02.03.2022 11:08 Uhr
Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH / © e-fundresearch.com & interfoto
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Nun hat es diesmal die Hoffnung tatsächlich auch erwischt oder wie es unser Alexander Schallenberg (hoffe es war tatsächlich er, die Wiedergabe erfolgt sinngemäß!) ausgedrückt hat: Die 30 Jahre Urlaub, die wir von der Geschichte hatten, sind jetzt vorbei. (Anm. Er bezog sich hier auf den insbesondere für Österreich relevanten Jugoslawien Krieg Anfang der 1990er Jahre.) Da die schrecklichen Ereignisse, die gerade in der Ukraine stattfinden, allenthalben mehr als ausreichend gecoverd werden, ersparen wir uns hier ein Widerkäuen der meisten Entwicklungen und konzentrieren uns drauf, was – im Guten wie im Bösen – überraschend erscheint. 

Putin dürfte zum Beispiel nicht nur von der westlichen Einigkeit, sondern auch von der Ineffizienz seiner Truppen überrascht worden sein. Hier ist aus militärnahen Kreisen zu hören, dass insbesondere die Nachschublogistik nicht zu klappen scheint, was wiederum bei militärischen Laien Stirnrunzeln hervorruft, hätte man doch genau dort die Stärke eines großen Heeres vermutet. Im Gegensatz dazu ist die Kampfmoral bei den ukrainischen Verbänden kolportierter Weise deutlich höher, wobei das wiederum nachvollziehbar ist, geht es für die Ukraine tatsächlich ums Ganze. In diesem Zusammenhang war zu lesen (Quelle bekannt, Expertise nicht im Detail hinterfragt!), dass die ukrainischen Truppen weitere zehn Tage durchhalten müssen, bevor die russischen Kräfte in ein tatsächliches Nachschubproblem bei Munition und Ersatzteilen kommen, die anscheinend nicht oder zumindest nicht in der Geschwindigkeit im eigenen Land nachproduziert werden können.

Ein wenig kritisch ist, meiner Ansicht nach, zu sehen, dass sich anekdotischen Berichten zufolge, Kämpfer aus allen Ecken der Welt aufmachen, um auf der Seite der Ukrainer Widerstand zu leisten. Nachvollziehbar und unterstützenswert ist das natürlich für Ukrainer, aber, ob irakische Kurden und diverse andere Freischärler möglicherweise auch ohne Pickerl am Arm (Fals Flag Operation und so..) mittelfristig zur Beruhigung der Situation beitragen werden, muss zumindest hinterfragt werden. Die jüngere Historie hat leider gezeigt, dass insbesondere islamistische Gruppierungen Chaos und Machtvakuum nutzen, um sich zu etablieren. Alles andere als ein säkularer ukrainischer Staat läge wohl kaum im Interesse Europas.

Nicht ganz sicher bin ich mir auch, wie gut ich das Eingreifen der Hacker Gruppe Anonymous finde. Im Sinne des kollektiven Widerstands und mithin dem Alignment of Interest sind die Aktivitäten, die da gegen diverse russische Institutionen gerichtet sind, natürlich zu begrüßen, nur was ist, wenn das das nächste Mal nicht der Fall ist und sich Attacken gegen einen „Feind“ richten, der nicht so offensichtlich der Feind der europäischen Wertgemeinschaft ist? Das Führen von Kriegen, ob mit konventionellen Mitteln oder im Cyberspace, ist, meiner Ansicht nach, eine zutiefst hoheitliche Aufgabe und sollte es auch bleiben! 

Hat sich der Markt noch halbwegs über den Monatsultimo gerettet, reagiert er seit gestern zunehmend verschnupft. Es steht zu befürchten, dass je länger der Konflikt dauert und sich die Sanktionsspirale nach oben dreht, die wirtschaftlichen Kollateralschäden auch im Westen immer größer werden. Die steigenden Energiepreise und die fortschreitende Disruption der globalen Lieferketten sind dabei nur die augenfälligsten Auswirkungen, aber allein diese reichen aus, um einerseits das post-pandemische Wirtschaftswachstum signifikant zu bremsen, dabei aber die Inflation weiter zu befeuern. Das wiederum wird insbesondere der FED keine andere Wahl lassen, als wie geplant kräftig an der Zinsschraube zu drehen. Double Whammy und so… 

Die Recovery, so der Krieg hoffentlich irgendwann vorbei sein wird, dürfte auch nicht so stark ausfallen, wie bei den letzten stärkeren Markteinbrüchen. Schauen wir durch den Nebel von Artilleriefeuer und Blendgranaten hindurch, wird es wohl zu Wiederaufbauanstrengungen mit größtmöglicher Unterstützung durch die internationale Staatengemeinschaft kommen, aber das globale Wirtschaftswachstum wird das nur am Rande zu beeinflussen im Stande sein. Auf der anderen Seite werden die Sanktionen gegen Russland, solange Putin an der Macht ist, wohl nur schrittweise zurückgenommen werden und die Energieversorgungsthemen bleiben. Die Ausnahme für den Flug aus Russland in die Slowakei, um eines der dortigen Atomkraftwerke mit russischem, spaltbarem Material zu versorgen, haben wir gesehen… 

Persönlich haben die abstrakten - weil weit weg - Kriege der vergangenen Jahrzehnte mich als proxy für den Europäer der ersten völlig kriegsfreien Generation tatsächlich nur sehr am Rande berührt. Das ist diesmal anders. Wahrscheinlich hat jede Österreicherin und jeder Österreicher irgendwelche persönlichen Kontakte zu Ukrainern oder der Ukraine und die Grenze ist näher als Bregenz. Schnell denkt man da an die Erzählung der Großeltern, falls das Thema denn besprochen wurde, über den Krieg zurück und muss sich zwangsläufig fragen: Was würde ich tun? Wie brächte ich meine Familie in Sicherheit? etc.. Gedanken, die man, insbesondere als Reservist, bisher lieber nicht zu Ende gedacht hätte…. 

Einmal mehr seien den Ukrainern hier die Worte Churchills aus dem Juni 1940 ins Gedächtnis gerufen: We shall fight on the beaches, we shall fight on the landing grounds, we shall fight in the fields and in the streets, we shall fight in the hills; we shall never surrender!

Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH

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