Da sind wir nun, 14 Tage nach Kriegsbeginn in der Ukraine. Kein Blitzkrieg, (so far) kein Weltkrieg, keine atomare Katastrophe und kein militärisches Eingreifen des Westens. Zeit also die Lage – losgelöst von der fortschreitenden und mit hoher Wahrscheinlichkeit noch lange andauernder humanitären Katastrophe – mit ein wenig Abstand zu betrachten, natürlich insbesondere mit Blick auf die Märkte und die geo-politischen Konsequenzen, so es mittelfristig welche geben wird.
Der Westen scheint kurzfristig sein ökonomisches Pulver weitgehend verschossen zu haben, was bliebe wäre die Abnahme russischen Gases auch in Europa einzustellen bzw. hätte die andere Seite auch die Möglichkeit die Lieferungen einzustellen. Allerdings kann, dass ob der Struktur der europäischen Energiewirtschaft eigentlich keiner wollen. Die russischen Lieferanten, freuen sich wohl auch über die Geldflüsse. Mittelfristig wird es wohl zu einer Umstrukturierung des Marktes kommen und Europa sich – hoffentlich – von allen externen Anbietern emanzipieren und seine eigenen Wege gehen. Vorstellbar wäre zB ein Mittelweg zwischen erneuerbaren Energieträgern und Atomkraftwerken, was natürlich auch im Rahmen der Klimapolitik nicht ganz blöd wäre. Ob das Ö.reich nun gut findet, kratzt erfreulicherweise keinen.
Der Ölmarkt scheint – im Gegensatz zu dem des Gases – bereits jetzt ziemlich kaputt zu sein und es wird noch eine Weile dauern, bis sich heraus kristallisiert, wer, wohin, wieviel Öl liefern wird, darf und kann. Tatsache ist, alle Öllieferländer freuen sich natürlich. Erinnern wir uns, dass am 20.April 2020, obzwar aufgrund einer technischen Anomalie aber trotzdem, der WTI Future bei -37,63 USDs sein All-Time Low markiert hat und nun kaum ein-einhalb Jahre später bei USD 125,53 notiert. Das freut natürlich nicht nur den US-amerikanischen Shale Oil Produzenten und die kanadischen Oil-Sands Refiner sondern auch die durchaus diskutierbaren anderen nicht so demokratischen Staaten wie Venezuela und den Iran. Not gegen Elend… Litterally!
Wie stark die Disruption auf den restlichen Rohstoffmärkten – von Agrar bis zu Palladium – tatsächlich sein wird hängt natürlich sehr davon ab, wie lange der Krieg tatsächlich heiß bleibt. Wobei davon auszugehen ist, dass Russland, obwohl es sich wohl anfänglich schwerer getan hat, als erwartet, nach und nach die notwendigen Ressourcen aufwenden wird, um sein – möglicherweise etwas adaptiertes – Ziel zu erreichen. Zu erwarten bzw zu befürchten ist, dass der Westen, je länger der Konflikt dauert, immer weniger Interesse am Tagesgeschehen in der Ukraine zeigen wird und es früher oder später zu einer russischen Besetzung der Ukraine kommen wird. Ob rechts und links vom Dnepr oder nur rechts, werden wir sehen. Sollte sich die Zerstörung außerhalb der Ballungszentren einigermaßen in Grenzen halten, scheint eine recht rasche Wiederherstellung einer zumindest agrarischen Kriegswirtschaft mithin zumindest möglich. Zerstörte Fabriken für die viel zitierten Kabelbäume, können aber kaum von heut auf morgen wieder in Betrieb genommen werden, sind sie einmal zerbombt.
Apropos Interesse des Westens: politisch profitieren aktuell bis auf Putin und mit Abstrichen Präsident Xi, der hier offensichtlich zwischen zwei Stühlen sitzt, so ziemlich alle. Insbesondere die, die zuhause unter Druck sind bzw. bei denen Wahlen anstehen (Johnson, Biden, Macron). Ob die kohäsive Kraft, die da vor allem über die EU hereingebrochen ist, allerdings länger anhält, wenn es nicht gelingt den Konflikt zu lösen, längerfristig die Opferzahlen weiter steigen, die eh schon von der Seuche emotional gebeutelten Menschen nun auch noch große Teile ihrer disponiblen Einkommen für Heizung und Mobilität – nicht alle Durchschnittsverdiener haben schon ihren Tesla – aufwenden müssen und zumindest die Mehrausgaben für Benzin und Diesel nicht refundiert bekommen werden (Wäre ja klimapolitisch ein kompletter Schwachsinn), wird sich zeigen.
Wäre der Populist ja ein solcher nicht, würde er da nicht die rattenfangende Position besetzten und die Leute dort abholen, wo der Schuh drückt. Insbesondere über Militär-Budgets und Neutralität lässt sich da natürlich genauso trefflich streiten, wie über Waffenlieferungen. Ob man da dann 1% oder 2% des BiPs p.a. in die Einsatzbereitschaft einer Armee investiert, der man seit 30 Jahren die Existenzberechtigung abgesprochen hat und deren Image man von allen Seiten gleichmäßig zerstört hat, macht kurzfristig meiner Ansicht nach genau gar keinen Unterschied. Eher spannend dürfte es werden wehrfähige Mitbürger*Innen, davon zu überzeugen, dass es durchaus sinnvoll und notwendig sein kann, das gemeinschaftliche Interesse über das eigene zustellen, wo´s schon bei der Impferei nicht ganz leicht war, und auch sein Land mit der Waffe zu verteidigen, wenn´s denn notwendig sein sollte. Manitou möge natürlich abhüten, dass wir je tatsächlich in die Situation kommen, das ausprobieren zu müssen. Ex post auf Herausforderungen zu reagieren ist, eine gute, vor allem alte österreichische Tradition, bedingt aber erfreulicherweise meistens, dass die Situationen für die man sich aufgrund der letzten, die einen unvorbereitet getroffen hat, vorbereitet hat, dann eh nie wieder eintritt… Fingers crossed!!!
Für die europäischen Märkte sollte das kurzfristig also, wie sich eh schon andeutet, bis neue Informationen hervortreten, eine gewisse Stabilisierung bis hin zu einer technischen Gegenbewegung bedeuten. Wird diese zu heftig, dürfte sie allerdings von allen, die bisher nicht aus ihren Übergewichten herausgekommen sind, zu Verkäufen genutzt werden. Hier stehen uns also volatile Tage bevor. Die US Märkte werden sich wohl auch wieder eher nach innen orientieren und sich mit Inflation, Zinszyklus und Arbeitsmarkt beschäftigen, hier dürfte der grundlegende Abgabedruck wohl bestehen bleiben. Aber wie heißt´s bei 1, 2 oder 3: Ob Ihr wirklich richtig steht, seht Ihr wenn das Licht angeht.
Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH
Verpasste Mittwochskommentare können Sie hier nachlesen
Gastkommentare werden von anerkannten Experten verfasst, deren Meinungen nicht mit jener der e-fundresearch.com Redaktion übereinstimmen müssen.
Florian Gröschls obiger Kommentar stellt eine Markteinschätzung aufgrund von selbstentwickelten Systemen und persönlichen Erfahrung dar. Keinesfalls ist obiger Kommentar eine Empfehlung oder Meinung der ARC und/oder Florian Gröschl, Positionen welcher Art auch immer einzugehen.