Da bekanntermaßen alles nicht so einfach ist und die Interdependenzen zwischen einem Flügelschlag hier und einem Tsunami dort in den meisten Fällen nicht offensichtlich, aber möglicherweise doch vorhanden sind, starten wir heute auf der anderen Seite des großen Teichs und arbeiten uns dann nach Osten vor. Die Aufregung ist, man könnte fast sagen, gewohnt hoch. Janet Yellen hat öffentlich zugegeben, dass ihre Einschätzung, dass die Inflation nur vorübergehend wäre, wohl ein Blödsinn war. Die Einsicht kommt natürlich reichlich spät und der Schelm mag glauben, dass sie von der einen taktischen Einschätzung (dem (gescheiterten) Versuch die Erwartungen zu ankern) zum nächsten taktischen Zug (dem Kollegen Powell nicht an den Karren zu fahren) wechselt. Im Asset Management würde man das wahrscheinlich Hindsight-Investing nennen….
Abgesehen davon – und der Hausdurchsuchung bei der DB/DWS, wobei die da ja schon eine gewisse Routine haben dürften ;-) – herrscht allenthalben ein wilder Disput darüber ob wir es gerade mit Dip-Buyern oder einer Bear-Market-Rally zu tun haben. Erstere hat aktuell die wenigsten Erwähnungen in den vereinigten Medien, zweitere die meisten, beides seit langem. In diesem Zusammenhang ist die alles entscheidende Frage natürlich: Wen kümmerts? :-) Für beide Szenarien lassen sich durchaus stichhaltige Argumente finden, was offen bleibt ist, wie immer, die Fristigkeit. Die Strategie der Fed liegt auf dem Tisch, da kann´s eigentlich nur mehr ruhiger werden, wobei sollte die US Wirtschaft nicht in einen sanften Landeanflug übergehen, sondern wie eine ur-alte F14 ohne Frontfahrwerk ins Auffangnetz auf dem Träger krachen, dann werden das wohl auch die Märkte spüren. Nur wie die Geschichte (nicht der Film ;-)) ausgeht, werden wir frühstens im Herbst wissen.
Tatsächlich hat nicht nur Maverick die Tendenz, sich und seine Kameraden zu retten, sondern auch der US-Konsument macht seit Jahrzehnten einen ganz guten Job, immer wieder dann genug Kohle auszugeben, wenn´s die Wirtschaft und der Markt braucht. Was unter Umständen diesmal anders sein könnte, ist, dass es in den 2020 Jahren und ff nicht mehr um die Rettung der Welt, sondern vermehrt um das eigene Volk und Staatsgebiet geht. Das Stichwort ist hier, die unter Trump begonnen und unter Biden fortgeführte Repatriation der Schlüsselindustrien. America First ist dasselbe Packerl, wurscht, ob es mit einem roten oder blauen Mascherl verpackt ist. Profitieren müssen zwangsläufig US-Assets, weil alles andere eine volkswirtschaftliche Katastrophe wäre, die vom Studentenkredit bis hin zur Altersvorsorge bei den US-Bürgern ankommt.
Europa, als die Region mit der breitesten Bildung, dem bestgreifenden Sozialsystem und dem breitesten Wohlstand, steht leider vor völlig anderen Herausforderungen, die zu lösen es möglicherweise irgendwo einen politischen Willen geben könnte, der aber unter Uneinigkeit und Handlungsunfähigkeit vergraben ist. Wobei die Politik das Problem nur bedingt ist, weil der Laden ja, wie man an vielen, vielen regierungslosen Zeiten hie und da immer wieder sehen konnte, auch so läuft. Große Weichenstellungen finden dann natürlich nicht statt, aber irgendwann gibt eine/einer dem Druck der Straße nach und die größeren gesellschaftlichen Themen werden gelöst. Leider ist das bei der Geldpolitik nicht ganz so, weil die Zentralbank zwar formal unabhängig ist, aber dann doch unter der politischen Knute von weniger robusten, größeren Ökonomien steht. Macht ja nix, wir haben dafür die Flinten Uschi & den Gio… *schluchz*
Aber genug vom EZB-Shaming, die machen ja auch nur ihren Job ;-), und einmal mehr zum Krieg in der Ukraine. Dort nehmen die Ereignisse leider den erwartbaren Lauf. Unzählige junge (natürlich auch ein paar alte, aber da ist der Schmerz vielleicht nicht mehr so groß) Menschen erschießen sich gegenseitig, die Bereitschaft zu verhandeln ist auf beiden Seiten – zumindest teilweise – nachvollziehbar klein und der Westen gibt gerade so viel militärische Unterstützung, um den Konflikt am Kochen zu halten. Die Hoffnung Öl/Gas, dass man vielleicht irgendwann nicht mehr abzunehmen bereit ist, gegen Nahrungsmittel Exporte zu tauschen, scheint in Anbetracht dessen, was wir bisher von Putin gesehen haben, völlig gegenstandslos. Selbst eine Nato Erweiterung wird vom russischen Mann im westlichen Militärbündnis blockiert. War wohl auch zu optimistisch zu glauben, dass sich Erdogan so leicht wird kaufen lässt.
Militärisch – bitte ohne den Anspruch hier eine breitere Expertise vorweisen zu können – scheint sich die russische Armee, wie von den USA geplant, zwar abzunutzen, aber nicht in dem Ausmaß wie man das gerne hätte. Die veraltete zu steile Kommandostruktur, in der anscheinend Unteroffiziere, die kleine Einheiten im Gefecht leiten, nicht ausreichend vorhanden sind, verändert sich mit jedem gefallenen General. Es muss hier also zwangsläufig zu einer Reorganisation in der Kommandostruktur, einer Verjüngung der Stäbe und mithin zu einer Anpassung der Strategie kommen. Je offensichtlicher Schwächen werden, desto schwerer sind sie – vor allem vor der eigenen Führung - zu verbergen und es wird dementsprechend darauf reagiert werden. (Wir hatten im Bankensektor da auch so unsere vergleichbaren Momente rund um die GFC, oder?) Hinzu kommt, – und das ist selbstverständlich wieder nur eine persönliche Einschätzung – dass die Kampfmoral der Truppe je länger sie „gegen den ganzen Westen“ kämpft höher wird. Die Forderung muss also sein, die Kampfhandlungen sofort einzustellen und eine Lösung auf dem Verhandlungstisch zu finden. Dass diese nicht schwarz/weiß ausfallen kann, ist leider auch klar.
Noch Fragen? ;-)
Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH
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