Ein herzliches Willkommen zum vorletzten Mittwochsmail vor einer, wie man in Ö.Reich wohl sagt, wohlverdienten, ausgedehnten Sommerpause! :-) Das erste Halbjahr 2022 haben wir defacto schon wieder hinter uns und spannend war´s. Persönlich, fühlt sich´s aus rein ökonomischer Sicht und mit Blick auf die Märkte richtiger an als die letzten fünfzehn Jahre. Julius Caesar wird nachgesagt, er hätte bei der Überschreitung des Rubicon gemeint Der Würfel ist geworfen worden (oder so ähnlich ;-)). J. Powell mit J. Caesar zu vergleichen mag etwas hinken, aber zumindest in Unsicherheit und Tragweite haben die Entscheidungen ein bisserl was gemeinsam. Man darf gespannt sein, ob JP in 2.071 Jahren auch noch zitiert wird bzw. natürlich ob ihn dann noch jemand wird zitieren können, bei den ganzen unsagbar Wahnsinnigen, die aktuell ihr Unwesen treiben, aber das ist eine andere Geschichte…
Die Katze ist jedenfalls aus dem Sack. Es wird natürlich eine Weile dauern, bis der Markt sich drüber einig ist, wie´s weitergeht bzw. wo das alles noch hinführen kann. Aktuell reichen die Szenarien von tiefer Depression bis hin zu einem Softlanding. Positive Szenarien spielen derzeit eine eher untergeordnete Rolle. Möglicherweise ist es also nicht ganz verkehrt sich auch damit auseinanderzusetzen, was passiert, wenn hier spät aber doch die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Zinsen sind grundsätzlich etwas Gutes für die Ökonomien, weil durch deren Vorhandensein (nix TINA :-)) von Alternativen die Allokation von Kapital wieder effizienter werden muss. Die Ur-Funktion der Finanzmärkte wäre ja eigentlich Kapital und Bedarf zusammen zu bringen und nicht das größte Kasino aller Zeiten für Halbwüchsige in PJs zu sein. Reinigungsprozesse fordern natürlich ihre Opfer, aber am Ende überleben im fairen Wettbewerb in der Regel die, die es auch verdient haben.
Der Inflation kurzfristig was Positives abzugewinnen, ist natürlich nicht ganz einfach, aber… ;-) Gehen wir davon aus, dass jede inflationäre Phase transitorisch ist, ie kürzere Phasen hoher Inflation sich mit längeren Phasen tieferer abwechseln, könnte die aktuelle Situation zB eine Chance bedeuten, die Real-Löhne langfristig zu heben. Sind zB die Metaller mit sieben bis acht Prozent in die Lohnverhandlungen gestartet, würde ich persönlich davon ausgehen, dass sie nicht unter fünf Prozent abschließen werden. Nun wird sich die Konjunktur durch Zinserhöhungen (die auch in Europa wohl noch kommen müssen!), nachlassende Nachfrage aufgrund von Verschiebung im Konsum durch die steigenden Energiekosten und steigender Finanzierungskosten auf der einen und eine erhöhte Sparneigung auf der anderen Seite abkühlen. Die stärksten Preisanstiege bei den Rohstoffen dürften wir gesehen haben, was zu negativen Basiseffekten führen sollte. Die Inflation wird also zurückkommen, die Lohnerhöhungen bleiben aber.
Ob sich das ausgeht zum ersten Mal seit Jahrzehnten mittelfristig Reallohnzuwächse zu generieren, wage ich nicht zu prognostizieren, aber der enge Arbeitsmarkt, die Notwendigkeit die Arbeitseinkommen zu erhöhen, um den sozialen Frieden aufrecht zu erhalten verbunden mit der klimaveränderungsbedingten Energietransition, schaffen für die westlichen Ökonomien mit ihren spezifischen demographischen Entwicklungen durchaus Chancen. Das gesagt, wird das Umfeld aber sicher auch wieder kompetitiver werden, insbesondere was den Arbeitsmarkt anbetrifft. Alte Tugenden wie Bildung, Leistungswille, Pünktlichkeit und Fleiß kommen vielleicht in einer Zeit in der Fehlallokationen nicht mehr bei jeder Gelegenheit sozialisiert und von den Zentralbanken einfach weggedruckt werden, auch wieder in Mode. Shared Economy ist an sich eine super Idee, nur irgendwer muss halt die Dinge erst schaffen, die dann geteilt werden können. Fantasien eines ewigen konservativen Wirtschaftstreibenden? Vielleicht. lol
Das Wort zum Mittwoch ist mithin gesprochen! :-) Bleibt nur daran zu erinnern, dass sich in der Ukraine junge Menschen in diesen Minuten völlig sinnlos gegenseitig umbringen. Wann ist es eigentlich aus westlicher/ukrainischer Sicht Zeit zu verhandeln? Wenn die Russen den Dnepr überschritten haben?
Liebe Grüße
Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH
Verpasste Mittwochskommentare können Sie hier nachlesen
Gastkommentare werden von anerkannten Experten verfasst, deren Meinungen nicht mit jener der e-fundresearch.com Redaktion übereinstimmen müssen.
Florian Gröschls obiger Kommentar stellt eine Markteinschätzung aufgrund von selbstentwickelten Systemen und persönlichen Erfahrung dar. Keinesfalls ist obiger Kommentar eine Empfehlung oder Meinung der ARC und/oder Florian Gröschl, Positionen welcher Art auch immer einzugehen.